
Das Fetzwerk, Oberstdorf
Am 5. September 2017 in Deutschland | 3000 Aufrufe
Unser Sommerurlaub stand in diesem Jahr unter keinem guten Stern. Einen Tag vor unserer Abreise zwang ein ungeplanter Aufenthalt in der Krankenhaus-Notaufnahme mit anschließendem All Inclusive-Aufenthalt im angeschlossenen Etablissement zu einer kurzfristigen Umdisponierung. Dem fielen zwei Nächte München sowie die erste von drei Nächten in Oberstdorf zum Opfer. Und damit leider auch die damit verbundenen Reservierungen in Michelin besternten Häusern.
Letztlich waren wir froh, die Reise überhaupt noch antreten zu können, mussten die erste Station im Allgäu aber spontan organisieren. Eine Reservierung im zweiten Sternerestaurant in Oberstdorf war kurzfristig leider nicht mehr möglich, aber im Romantik Hotel Das Freiberg, das für eine Vielzahl von Gastronomien im Ort verantwortlich zeichnet, gibt es auch noch das mit einem Bib Gourmand ausgezeichnete „Das Fetzwerk“.
In originellem Ambiente wird hier ein für Allgäuer Verhältnisse unkonventionelles Konzept realisiert. In Weckgläsern werden originell komponierte Bistrogerichte serviert, die in jeweils drei Gerichten wahlweise regional, mediterran oder asiatisch geprägt sind. In jeder Kategorie gibt es zudem eine vegetarische, Fleisch- oder Fisch-Variante. Ergänzt werden die Standards von einigen Tagesempfehlungen.
Neben einer kleinen, aber soliden Weinauswahl widmet man sich im „Fetzwerk“ auch der Bierkultur und bietet einiges an passenden Craft Beers, vorzugsweise aus der Region an.
Wir probieren uns einmal quer durch die Karte und durch alle Kategorien und starten aus der Rubrik „Heimat“ zum einen mit Lachsforelle und Poulardenbrust. Der Fisch selbst ist dezent mariniert und begleitet von warmem Bohnen-Allerlei, das durch Aprikose einen fruchtigen Einschlag bekommt. Die Poularde hingegen ist mit Karotten, Zuckerschoten und Feinweizen auf der gemüsigen Seite. Das feingeschnittene Gemüse ist noch schön knackig und beiden Gerichten gemeinsam ist, dass Cremes für ein verbindendes Element sorgen.
Aus der Mittelmeer-Abteilung geht es weiter mit Garnelen mit mediterranem Gemüse und Gnocchi sowie gebackenen Blauschimmel-Risottokroketten. Letzteren fehlt ein wenig der markante Blauschimmelgeschmack, dafür sorgen Bulgur, Paprika, Aubergine und Kapern für eine eindeutige Verortung südlich der Alpen.
Weiter geht es nach Asien. Zum einen mit der Entenbrust, der vor allem mit Curry und Kokos kräftig abgeschmeckter Weißkrautsalat den nötigen Pfiff gibt sowie den Fischpralinen, die ich gewählt habe und bei denen mir vor allem der sehr würzige Wakame-Algensalat gefällt, der mit schwarzem Reis und etwas Ananas köstlich abgeschmeckt ist.
Die Portionen sind bis hierher bereits gut sättigend gewesen. Man darf sich nicht davon verleiten lassen zu glauben, es handele sich um Weckgläschen. Es sind schon recht ausgewachsene Gläser mit ordentlichem Fassungsvermögen, so dass drei Gläser pro Person absolut ausreichend sind. Daher stellen die Desserts jetzt durchaus eine gewisse Herausforderung an den Appetit dar.
Aus der Tagesempfehlung gibt es eine mustergültige Crème Brûlée von der Tonkabohne sowie aus den zwei Standard-Desserts aus der Karte eine Panna Cotta mit einem Kompott aus exotischen Früchten. Aber das Dessert heißt nicht ohne Grund Herz Klopfen. Ein Vanilleparfait, eingefasst von einem Schokoladenteig und zum Teil mit Schokolade überzogen in Herzform krönt das Glas. Allerdings ist das Parfait noch so gefroren, dass es einige Zeit braucht, bis es unfallfrei und ohne im Glas ein wildes Massaker zu veranstalten, gegessen werden kann.
Was Tobias Eisele, der auch für das Sternerestaurant „Maximilian’s“, verantwortlich ist, in Gläsern ins „Fetzwerk“ schickt, hat einfach Charme. Die Gerichte sind auf unkompliziertes Löffeln ausgerichtet und wenn man sich von oben nach unten durcharbeitet, kann man den Gesamtakkord jedes Glases am besten erfassen. Das ist alles süffig und harmonisch konzipiert. Dass es das ein oder andere gab, wie bei der Käsekrokette, dem zu harten Parfait oder der etwas trocken geratenen Ente, das nicht vollends perfekt war, ist kein Beinbruch. Dafür macht das erfrischende Konzept einfach zu sehr Spaß, woran auch der aufmerksame und lockere Service seinen guten Anteil hat und bleibt auch preislich im sehr akzeptablen Rahmen. Die Gläser sind mit im Schnitt 8 Euro fair und angemessen kalkuliert.
Uns hat’s gefallen und wer im Allgäu eine Alternative zu Schweinsbraten und Knödeln sucht, findet hier ein Restaurant, das so auch in der Großstadt funktionieren kann.
Details
Restaurant: | Das Fetzwerk |
Adresse: | Freibergstraße 21, 87561 Oberstdorf |
Öffnungszeiten: | Täglich ab 12 Uhr Kein Ruhetag |
Website: | www.das-fetzwerk.de |
Schlagworte
Bib Gourmand, Fetzwerk, Freiberg, Oberstdorf, Tobias Eisele, Weckglas
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