Eichhalde, Freiburg
Am 5. Mai 2025 in Deutschland | 2228 Aufrufe | 1 Kommentar
Wenn wir Reisen unternehmen, machen wir die Ziele in der Regel daran fest, ob es dort auch interessante Restaurants gibt, die wir entweder noch nicht kennen, aber auf die wir auf die ein oder andere Art aufmerksam geworden sind oder solche, die wir bereits kennen und die zu einem Wiederbesuch Lust machen. Die stilistische Bandbreite an Restaurants ist dabei durchaus sehr groß, solche mit italienischem Fokus gehören seltsamerweise nicht oft dazu.
Das liegt nicht daran, dass wir die italienische Küche nicht lieben, ganz im Gegenteil. Sie ist fester Bestandteil dessen, was wir uns selbst gerne zubereiten. Und bitte, wer mag diese Küche voller Seele und Leidenschaft, nicht gerne? Aber es ist gleichzeitig auch eine, die zumindest in Deutschland selten mit Fine Dining assoziiert wird.
Umso neugieriger machten uns daher positive Berichte über das Restaurant „Eichhalde“ in Freiburg und erst recht, nachdem auch Christian Bau in seiner „Welt“-Kolumne regelrecht begeistert darüber schrieb.
So finden wir uns also an diesem Montagabend vor dem eindrucksvollen Eckhaus im Stadtteil Herdern, das im Inneren eine schlichte Eleganz ausstrahlt. Unaufdringlicher, aber geschmackvoller Instrumental-Jazz bietet den passenden Soundtrack für einen Abend, an dem wir zwar die einzigen Gäste bleiben werden, uns aber nicht alleine fühlen.
Kernstück der Küche von Federico Campolattano, der auch einen Michelinstern hält, ist ein modernes Menü in fünf, sechs oder neun Gängen (155€, 166€, 215€). Ein kürzeres tradionelles Menü in drei oder vier Gängen (89€, 99€) sowie Schinken und Käse als Add-On ist aber auch verfügbar. Wir sind natürlich auf das moderne Menü gespannt.
Zum Apértif gibt es Taralli, ein typisches, trockenes Knabbergebäck aus Apulien aus Hartweizen und reichlich Olivenöl. Sauerteigbrot bezieht man von der örtlichen Bäckerei „Till und Brot“. Wie immer mehr Bäcker der jüngeren Generation konzentriert man sich hier auf eher wenige Sorten, öffnet spät, um mit vernünftigen Arbeitszeiten den Beruf wieder attraktiv zu machen. Das Konzept geht auf, die Brote sind heiß begehrt und auch unseres ist gut, erst recht in Kombination mit dem dazu gereichten Olivenöl. Aber angesichts des großen Menüprogramms halten wir uns hier klugerweise zurück.
Doch bevor es so richtig losgeht, folgen erst noch einige Grüße zur Einstimmung.
Ein Cornetto ist mit Creme von Kalbsleber gefüllt und mit gerösteten Haselnüssen getoppt. Am Boden des Cornettos findet sich noch etwas 12 Jahre alter Balsamico, der das Ganze mit seiner Säure wieder abpuffert. Ansonsten ist die Kombination aus Leber und Haselnüssen natürlich eine, die gut funktioniert und auch die Creme ist gut abgeschmeckt. Für meinen Geschmack ist das nur etwas zu üppig portioniert, so dass halt recht bald nicht mehr viel im Mund passiert.
Gleiches gilt auch für die bildschön angerichtete Tartelette mit Steinchampignons in Texturen. Roh, als Creme und als Puder ist das eine schöne Fingerübung, aber geschmacklich ist es halt: Champignon mit Champignon, dafür mit einem schönen Texturspiel.
Überraschend dann der Arancini mit Reis, der in Krustentierfond gegart wurde. Die Note ist sehr deutlich herauszuschmecken und macht diesen heißen, knusprigen Snack besonders.
Den Abschluss der Amuses Bouches stellt ein Knusperröllchen dar, das mit einer säuerlichen Creme gefüllt ist und mit einer Auflage aus Sardelle und Salzflocken belegt ist. Dies ist der für mich geschmacklich komplexeste der allesamt schön gearbeiteten Grüße.
Das Menü beginnt dann mit einem Klassiker aus der Küche von Campolattano. Wie die meisten seiner Gerichte reichen hier drei Zutaten aus für ein beeindruckendes Ergebnis. Kurz angeschwenkter Spinat, Mandeln, die ohne Ei, Sahne oder sonstiges zu einem erstaunlich feinen Püree verarbeitet werden und Basilikumöl fügen sich zu einem zwar milden, aber charaktervollen Ganzen zusammen, in dem ganz dezent eingesetzte Salzflocken dafür sorgen, dass es hier und da nicht nur einen kleinen Knack gibt, sondern auch ein zusätzlicher aromatischer Akzent gesetzt wird.
Der folgende Gang steht dann vielleicht exemplarisch für das, was Federico Campolattano mit seiner Küche zeigen will. Die roh marinierten und nur leicht abgeflämmten Jakobsmuschelscheiben sind mit einem Pulver von hocharomatischem Oregano belegt und finden sich in einem nicht minder intensiven Sud aus Wasser von San Marzano-Tomaten wieder, das mit Olivenöl versetzt ist. Alla Pizzaiola lässt hier natürlich sofort eine Pizzaanmutung erwarten und in der Tat erfüllen sowohl der herrliche Duft als auch der Geschmack genau diese Erwartung. Dies ist ein Gericht, das ganz und gar traditionelle Elemente aufnimmt und sie mit moderner Technik und Kreativität in etwas Neues umsetzt. Großes Kino!
Mit einem weiteren Signature Dish geht weiter. Es ist betitelt „Der Pulpo und seine neapolitanische Geschichte“ und eigentlich geht es dabei nur nebensächlich um den Pulpo selbst, sondern mehr um die Brühe, die beim Kochen des Tieres entsteht und die früher auf den Straßen verkauft wurde. Natürlich gibt es hier auch das perfekt zart gegarte Fleisch des Oktopus, kombiniert mit seidig-weichem Karottenpüree, einem sehr milden Schaum von geräuchertem Knoblauch und einem Öl von Lauchzwiebeln. All das ist bereits harmonisch und sehr gut. Aber in der Tat ist für mich das dominierende und beeindruckende Element die ganz ohne Salz gekochte und stark einreduzierte Pulpobrühe, die mich mit wunderbar fülligem, kräftigem Geschmack begeistert.
Um vollends in die Geschichte dieses Gerichtes einzutauchen, gibt es dazu einen Kopfhörer, auf dem eine Minute lang typische neapolitanische Straßengeräusche zu hören sind. Ich brauche solche Spielereien, die wir auch aus anderen Restaurants bereits kennen, nicht wirklich, aber hier funktioniert das erstaunlich gut und beschert uns ein kleines Grinsen, während wir die Brühe trinken.
Fast schon provozierend puristisch gestaltet sich der nächste Teller. Unter einer Haube von schaumiger Portweincreme findet sich ein Medaillon von Kalbfleisch mit Rucola. Sehr entfernt könnte man eine Assoziation an Vitello Tonnato bekommen, aber das Ergebnis hier ist davon doch weit entfernt, denn hier ist für mich eindeutig der Portweinschaum das beherrschende Element.
Wie sehr sich Purismus noch auf die Spitze treiben lässt, zeigt auch der folgende Gang. Denn die hausgemachten Spaghetti, die auf einer sogenannten Chitarra-Nudelmaschine hergestellt werden, kommen lediglich mit einer fein-cremigen Sauce aus Alpenbutter aus der Lombardei und Ossietra-Kaviar. Es braucht viel Selbstbewusstsein, ausgezeichnetes Handwerk und nur die allerbesten Zutaten, damit aus so wenig so viel Geschmack entsteht. Der Kaviar liefert hier genau das richtige Maß an jodigen Noten und Salzigkeit, vor allem, wenn er sich mit der Sauce verbindet. Ausgezeichnet! So einfach das Gericht erscheint, so viel Fingerspitzengefühl braucht es auch, wie uns Federico Campolattano später erklärt, den genau den exakten Zeitpunkt zu finden, an dem die Butter die richtige Konsistenz hat. Und damit die Spaghetti auf der Chitarra so geraten, wie sie sein sollen, braucht es auch in seiner Mannschaft offenbar einiges an Übung.
Für den nächsten Pastagang bedient man sich der Ware der renommierten Pastificio dei Campi di Gragnano. Angekündigt sind Linguine mit Aglio, Olio, Peperoncino und Seeigel. Nun handelt es sich bei Spaghetti AOP um eine meiner absoluten Leibspeisen, die ich nahezu jeden Tag essen könnte. Aber jeglicher Vergleich oder auch nur Anmutung verbietet sich hier, denn das Ergebnis gerät dann doch komplett anders, natürlich auch durch die Zugabe von Seeigel aus Apulien. Das Ganze durchzieht eine sehr cremige Konsistenz, der Seeigel liefert nur dezente Meeresnoten und auch die Schärfe fällt, so sie denn überhaupt da ist, minimal aus. Insgesamt ist das ein eher süffiger Wohlfühlgang.
Die Küche überrascht uns dann mit einem zusätzlichen Pastagang. Die Mezzanelli tagliati, vergleichbar am ehesten mit Rigatoni, kommen mit einer Tomatensauce, natürlich wieder aus San Marzano-Tomaten, Parmesanschaum und Basilikum. Auch hier strahlt vor allem die aromatische Qualität der Tomaten. Ansonsten ist das natürlich ein Geschmacksbild, das sehr der Tradition verpflichtet ist. Mir sind lediglich die Nudeln einen Tick zu al dente, meinem Mann hingegen nicht. Kein Grund zum Streiten also.
Beim Hauptgang trennen sich unsere Wege am Tisch. Mein Mann entscheidet sich für die Entenbrust, die schön auf den Punkt gebraten ist und eine knusprige Haut aufweist. Auch hier leisten die in dieser Küche offenbar sehr gerne eingesetzten Salzflocken wieder gute Dienste. Selleriepüree und gegrillter grüner Spargel sowie eine mit Entenleber angereicherte tolle, kräftige Sauce geben die zwar recht klassischen, aber eben auch sehr stimmigen Mitspieler.
Für mich soll es der Adlerfisch sein, ebenso perfekt gegart und wunderbar aufblätternd, dessen Auflage aus fein geschnittener Puntarelle, Sardelle, Knoblauch und Chili sehr charaktervoll ausfällt. Spannend und eigenwillig auch die Martini Bianco-Sauce, die mit leichter Zitrusnote zugleich säuerlich und süß gerät, aber erstaunlich gut passt.
Es folgt eine Verkostung von Parmigiano Reggiano in fünf verschiedenen Reifegraden. 18, 30, 40, 60 und 80 Monate alte Stücke finden sich auf dem Teller. Für die beiden ältesten Sorten wird noch einmal etwas 12 Jahre alter Balsamico dazu gegeben, der mit seiner Säure und Süße einen guten Gegenpol zu diesen sehr kräftigen Sorten gibt. Mir persönlich sind die mittelalten Versionen lieber, weil am ausgewogensten.
Das Pré-Dessert wird in einer Eierschale serviert und ist damit auch von der Portionsgröße nach diesem nun doch bereits umfangreichen Menü gut bemessen. Eine Panna Cotta mit Kern aus Mandarinengelee ist erfreulich fruchtig. Und erneut sind es winzige Salzflocken sowie Vanillepulver, die den zusätzlichen Kick geben.
Auch das Dessert erhält einen fast schon philosophischen Namen: „Ich habe über die Pastiera nachgedacht“. Es geht also offenbar um eine Neuinterpretation des neapolitanischen Osterkuchens. Federico Campolattano nimmt sich die wesentlichen Zutaten vor und bringt sie in ganz neuer Form wieder zusammen. Was dabei herauskommt, ist von jeglicher dumpfen Schwere befreit. Die Ricottafüllung im Kuchen weicht hier einer leichten Creme, Teig findet sich als kleine Crumble, Zitroneneis und Orangenzesten nehmen das Thema Blutorangenwasser auf, das für das Original notwendig ist und ein luftig-leichter Schaum, ähnlich einer Zabaione, bringt die Eier ins Spiel. In Summe ist das ein ganz wunderbares Dessert, das nicht nur erfrischend ist, sondern auch gekonnt mit kalt-warmen Temperaturen und unterschiedlichen Texturen spielt. Klasse gemacht!
Vom abschließenden, frisch gebackenen Zimtbrioche mit süßer Creme kann ich dann tatsächlich nur noch ein paar Happen nehmen und es für gut befinden. Meine bessere Hälfte kapituliert jetzt dann doch.
Jetzt helfen nur noch Espresso und Grappa, um den Abend Revue passieren zu lassen. Was wir hier auf dem Teller hatten, war durch und durch Italien, aber in einer Art und Weise, die verblüfft. Im Gespräch möchte Federico Campolattano seine Küche nicht als moderne italienische verstanden wissen, auch wenn er sein Menü ja selbst so nennt. Und in gewisser Weise kann ich verstehen, warum er das sagt. Denn im Kern basieren alle seine Gerichte auf sehr traditionellen und althergebrachten Rezepten, viele davon sicher verbunden mit Kindheitserinnerungen. Mit neuen Techniken und viel Kreativität schafft er aber Kreationen, die dann eben doch ganz modern sind.
Campolattanos Frau Valentina Tito führt uns mit einem Mitarbeiter mit viel Herzlichkeit durch den Abend. Auch wenn wir heute die einzigen Gäste waren, hat sie mit ihrer ansteckend freundlichen Art dafür gesorgt, dass wir uns nicht alleine gefühlt haben.
Was für eine wunderbare Entdeckung!
Details
| Restaurant: | Eichhalde |
| Adresse: | Stadtstrasse 91, 79104 Freiburg |
| Öffnungszeiten: | Samstag - Dienstag: 18.00 - 23.00 Uhr Sonntag - Dienstag: 12.00 - 14.00 Uhr (nur auf Reservierung) Mittwoch & Donnerstag: Ruhetag |
| Website: | www.eichhalde-freiburg.de/ |
Schlagworte
Eichhalde, Federico Campolattano, Freiburg, italienisch, Michelin, moderne italienische Küche, Valentina Tito
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Danke. Schön, einen Bericht aus meiner Heimatstadt zu lesen. Ich war gerade dort. Auch in der Gegend der Konviktstrasse gibt es spannende Restaurants- z.B. Löwengrube , zur Wolfshöhle- klingt alles gefährlicher, als es ist. Liebe Grüße