
es:senz, Grassau
Am 9. Juli 2025 in Deutschland | 955 Aufrufe | 2 Kommentare
Drei Sterne im Michelin sind laut Definition eine Reise wert. Aber manche Ziele liegen nun mal nicht einfach so auf der Strecke und wenn man nicht über die finanziellen Möglichkeiten verfügt, einfach in den Flieger zu steigen und den neuesten Dreisternern hinterherzujagen, muss man eben auf passende Gelegenheiten warten.
Das „es:senz“ hat tasächlich spätestens seit vergangenem Jahr, als Edip Sigl mit der Höchstwertung ausgezeichnet wurde, mein Interesse geweckt. Aber Grassau im Chiemgau, obgleich nur 1 Autostunde von München entfernt, liegt dann eben doch ziemlich abgelegen. Ein Trip nach Österreich bot dann aber doch die Möglichkeit, einen Abstecher zu machen und eine Nacht im ziemlich noblen Resort „Das Achental“ zu verbringen.
Abgesehen von vielversprechenden Berichten über die Küche im „es:senz“ wissen wir tatsächlich nicht viel über Edip Sigl, außer, dass er zuvor im Münchner „Les Deux“ zwei Sterne erkochte. In seiner Vita tauchen so renommierte Namen wie Heinz Winkler, aber auch Juan Amador auf, die eine enorme stilistische Bandbreite skizzieren. Es wird also spannend sein, was uns im lichten Restaurant mit großer Fensterfassade erwartet.
Angeboten werden zwei Menüs, eines, das sich in sechs Gängen (265€) vor allem mit den Produkten des Chiemgaus beschäftigt und eines in acht Gängen (335€), das deutlich internationaler ausgerichtet ist und demzufolge auch „Chiemgau goes around the world“ betitelt ist. Dies wird auch unser Programm für diesen Abend.
Beide Menüs starten mit einer umfangreichen Abfolge von Snacks und da mit einem Signature von Edip Sigl, den es seit Tag 1 seines Engagements hier gibt, der „Wolke“. In der Zuckerwatte, die etwas arg Süßes erwarten lässt, findet sich Speck und Essiggelee. Eine rauchige Note hilft zudem, die Süße in den Hintergrund zu drängen. Originell und überraschend.

Die nächsten drei Apéros, allesamt enorm kunstvoll gearbeitet, folgen zeitnah und gleichzeitig. Ein Macaron mit Bachforelle ist im ersten Moment ausgesprochen fein und von frischem Charakter, bekommt aber durch den Einsatz von Senfgurke einen unerwartet rustikalen Touch.

Ein hauchdünnes Röllchen nimmt das Thema „Filet Rossini“ auf und birgt im Inneren tatsächlich auch alle Elemente des Klassikers in Form von Wagyu, Entenleber und Trüffel, wobei aber eher ein cremiger Gesamtakkord vorherrschend ist, als dass die Einzelkomponenten en detail zu erkennen wären. Ändert aber nichts daran, wie wohlschmeckend das ist.

Die Tartelette mit Hummer, Salat und Orange kann das sehr hohe Niveau der vorherigen Snacks nicht ganz halten, zumal der Hummer für unseren Geschmack etwas untergeht und die dezent bittere Note der Orange sich etwas in den Vordergrund spielt. Gut ist das aber allemal immer noch.

Was jetzt folgt, ist eine der ausladendsten Brotpräsentationen, die wir bisher erleben durften, begleitet von einem weiteren Snack. Die gegarte Spitzpaprika verdeckt eine schön abgeschmeckte Frischkäsecreme. Zusammen mit einer Chardonnayessig-Vinaigrette und einer Bärlauchkaper bringt das neben Fülligkeit auch ein feines Säurespiel.

Die Rustikalität dieser kleinen Speise passt aber hervorragend zum Kartoffelbrot und Brioche sowie dem mehr als ausgezeichneten Obatzta und der mindestens ebenso guten Kräutercreme mit eingelegten Gemüsen. Salzbutter wird mit einer Senfvinaigrette versehen und eingelegte Kornellkirschen bieten das regionale Pendant zu Oliven. Ich bin ja normalerweise bei umfangreichen Menüs sehr zurückhaltend, was den Brotgenuss angeht, aber hier kann ich mich kaum zurückhalten. Eine derartige Brotzeit deluxe auszulassen, wäre unverzeihlich.
Nach dieser doch recht umfangreichen Abfolge schickt die Küche noch zwei weitere Amuses Bouches. Das Zandertatar mit Holunder wirkt sehr klar und pur. Rettich für leichte Schärfe und Knack, Rhabarbersud für Säure und Hanfsamen für Crunch bieten ausreichend spannende Ergänzungen.

Im finalen Gruß spielt milder N25 Kaviar eine entscheidende Rolle. Zusammen mit einer Erbsen Panna Cotta, spanischen, leicht gegrillten Erbsen, Hühnerhautchips und einer angegossenen Chardonnay Beurre Blanc mit markanter Säure ergibt sich so ein sehr harmonisches Löffelvergnügen.

N25 Kaviar findet sich auch im ersten offiziellen Gang des Menüs wieder, allerdings gut versteckt unter relativ dick geschnittenen Stücken von norwegischer Jakobsmuschel. Die sind recht pur belassen, bekommen aber mit Fingerlimette einen guten Frischekick und vor allem mit der sehr intensiven, dichten Ponzusauce, die mit Lauchöl verfeinert wird, einen ganz starken Mitspieler.
So leicht sich das Gericht präsentiert, so aromatisch überzeugend ist es auch.

Ebenfalls aus Norwegen stammt auch das stattliche Exemplar des Kaisergranats auf einer Erbsencreme mit gegrillter Poverade, Pomme Soufflée und einer Kumquatsauce. Zwei Scheiben Salatgurke wirken in diesem feinen Ensemble im ersten Moment erneut etwas einfach und rustikal, ergänzen das aromatische Spektrum aber um eine feine frische Note. Die Krustentierbisque hierzu ist intensiv und köstlich mit guter Schärfe. Dass sämtliche Saucen hier grundsätzlich am Tisch verbleiben, ist lobend zu erwähnen. Unnötig zu erwähnen, dass nichts davon in die Küche zurück geht.
Im Anschluss wird noch die gegrillte und bereits ausgelöste Schere zusammen mit einer Zitronenthymian-Hollandaise serviert, die ebenfalls eine feine Schärfe aufweist.
In Summe eine sehr gelungene und köstliche Produktpräsentation.
Im letzten Fischgang folgt nun Steinbutt, der ganz vorzüglich gebraten ist mit einer Auflage von Kopfsalatherzen und Kapern. Fermentierte Kapernblätter finden sich auch noch darauf, die mich eher irritieren. Das Ganze findet sich auf einer Scheibe von Amela-Tomate. Linkerhand dazu passend ein sehr mediterraner Tomatensud, rechts davon eine Kaffirlimetten-Beurre Blanc. Meiner besseren Hälfte ist die zu intensiv, für mich ist es noch o.k., aber in der Tat ist Kaffirlimette etwas, das sehr leicht überpowern kann. In Summe bleibt es aber eine spannende Kombination, die mediterrane und asiatische mit regionalen Elementen verbindet.

Nach all den herzhaften Gängen und vor allem dem sehr prägnanten Steinbuttgericht kommt die Erfrischung jetzt gerade recht. Eine Szechuanblüte, die vorab zu kauen ist und die für ein leicht elektrisierendes und scharfes Gefühl sorgt, bildet die Einstimmung für ein Granité von Yuzu und karamellisierter Zitronenschale, das mit Champagner aufgegossen wird. Das ist sehr animierend und erfüllt seinen Zweck an dieser Stelle genau richtig.

Vor dem Hauptgang wird der Hauptdarsteller, die an der Karkasse gegrillte Mieral-Taube in all ihrer Schönheit präsentiert.

Alleine die Tatsache, dass die Taube nicht wie so häufig sous vide gegart wurde, sondern klassisch gebraten wurde, erfreut mein Herz schon, zumal es sich ja eh um mein Lieblingsfleisch handelt. Und tatsächlich lässt die wunderbar auf den Punkt gegarte Brust auch keine Wünsche offen. Kräftiges, aromatisches Fleisch mit schönen Röstaromen – genau, wie ich es mag. Im separaten Raviolo ebenfalls Fleischfüllung mit reichlich Périgord-Trüffel belegt, dazu Pfifferlingsragout und eine formidable Trüffeljus. Mir gefällt besonders, dass der Teller relativ reduziert und sehr klassisch daher kommt mit klarem Fokus auf das Hauptprodukt. Dazu passt auch, dass à part noch die lackierte und saftige Keule serviert wird. Ein toller und mehr als befriedigender Hauptgang.
Käse wird im „es:senz“ als zubereiteter Gang serviert. Hier ist es kräftiger und gut gereifter Époisses, der auf hauchdünn gehobelte Ananas und einen Ananassud gegeben wird. Abgerundet wird das mit altem Balsamico. Beides, Ananas und Balsamico, nehmen etwas von der Strenge des Käses und die Kombination funktioniert erstaunlich gut. Das geröstete Knoblauchbrot hätte für meinen Geschmack durchaus etwas prägnanter ausfallen können, aber auch so ist das sehr gut.
Zu den Signature Dishes von Edip Sigl gehört das Safraneis als erstes Dessert. Es kommt auf fermentierter Hagebutte und Kernöl. Der Safrangeschmack ist nach meinem Eindruck nicht zu ausgeprägt, sondern eher zurückhaltend. Aber es ist wunderbar cremig und zusammen mit den anderen Komponenten sehr stimmig.

Den Abschluss des Menüs markiert ein Dessert, das sich ganz auf exotische Früchte konzentriert. Zweierlei Eis, verschiedene Früchte, am Tisch noch aus der Frucht direkt dazu gegebene Passionsfruchtkerne sorgen für ein leichtes und nicht beschwerendes Vergnügen.

Wenig überraschend, dass auch die Petits Fours im hohen Niveau nicht nachlassen. Sei es das ganz ausgezeichnete Erdbeer-Macaron oder die toll gearbeitete Birne Helene, eine Gin Tonic-Sphäre, Toffee-Creme mit Salzkaramell, Nusseichel oder die Pralinen. Alles ist aufwändig und geschmackstypisch gemacht.
Was Edip Sigl hier abliefert, ist allemal drei Sterne wert. Seine Gerichte überzeugen mit klarer Aromatik, intensiven Saucen und einer Kombination von regionalen und weltläufigen Produkten. Der Aufwand, der betrieben wird, ist enorm, angefangen von den ersten Snacks bis zu den Süßigkeiten am Schluss. Ein Menü, das durchgehend ein so hohes Niveau zeigt, ist schon beeindruckend.
Der Service steht dem nicht nach. Aufmerksam und herzlich fühlen wir uns durch den Abend geleitet.
Drei Sterne sind eine Reise wert. Diese hat sich definitiv gelohnt.
Details
Restaurant: | es:senz |
Adresse: | Mietenkamer Str. 65, 83224 Grassau im Chiemgau |
Öffnungszeiten: | Mittwoch - Samstag: 18.30 - 23.00 Uhr Sonntag - Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.das-achental.com/de/es-senz.html |
Schlagworte
3 Michelin Stars, Chiemgau, Das Achental, Edip Sigl, essenz, kreativ
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Wie schön, dass eure Erwartungen an die 3 Sterne so vollständig erfüllt wurden!
Tja, dass war extrem beschleunigt von Null auf drei! Toller Bericht!