Fachwerk, Rinteln
Am 5. April 2025 in Deutschland | 2036 Aufrufe | 2 Kommentare
Sehr selten weckt ein Restaurant mein erstes Interesse nicht wegen der Küchenleistung, sondern aus einem anderen Grund. Beim „Fachwerk“, dem Restaurant im „Hotel Stadt Kassel“ in Rinteln ist dies in erster Linie die Weinkarte. Sie gab wohl auch den Ausschlag, dass das Haus in die Riege der Jeunes Restaurateurs aufgenommen wurde, was insofern ein Novum ist, als mit Moritz-Christian Brand der Chef und Sommelier im Guide aufgeführt wird und nicht Daniel Klein als Küchenchef.
Dabei ist das Restaurant durchaus dabei, auch in den einschlägigen Führern erste Meriten zu sammeln. So vergibt der Gusto bereits 6 Pfannen mit Bonuspfeil.
Mit einer Gruppe von weinaffinen und kulinarisch interessierten Freunden aus etwas weiter verstreuten Städten treffen wir uns von Zeit zu Zeit zum gemeinsamen Schlemmen. Da lag es nahe, wenn wir in der Nähe sind, das „Fachwerk“ für ein potentielles nächstes Treffen auszutesten. Denn in der Tat ist die Weinkarte sowohl in Punkto Auswahl als auch gastfreundlicher Kalkulation beeindruckend. Moritz-Christian Brand bringt hier seine ganze Erfahrung aus Häusern wie dem „Schlosshotel Lerbach“, dem „Tantris“ oder dem „Bayerischen Hof“ mit.
Das mitten in der beschaulichen Fachwerkstadt gelegene Restaurant ist in einem angenehmen Mix aus modernen Elementen und rauem Backsteinwerk eingerichtet.
Die Karte weist neben einem Menü in drei bis fünf Gängen (76€ – 115€) eine große Auswahl an À la Carte-Gerichten aus, die überwiegend ambitioniert klingen, aber gleichzeitig auch einige Positionen mit erkennbar bürgerlicherem Charakter. Angesichts dessen, dass hier auch viele Radwanderer das Weserstädtchen besuchen, sicher ein Zugeständnis, ein möglichst breites Publikum anzusprechen.
Wir entscheiden uns für das Fünfgang-Menü, wobei ich das Dessert austausche.
Zum Start gibt es Brot der „Backgeschwister“ aus Hannover, die dort seinerzeit das Geschäft von Joachim Gaues inklusive seiner Rezepte übernommen haben. Wenn wir in Hannover sind, nehmen wir uns auch immer noch ab und zu Brot von dort mit, wenngleich es nicht ganz an das original Gaues-Brot heranreicht. Aber die Qualität passt und zusammen mit der Tomaten-Miso-Butter und einem Aufstrich ist dies schon mal ein guter Auftakt.
Die Küche schickt zwei Tartelettes als Grüße, eines als ihre Version eines Schlemmerfilets von der Jakobsmuschel annonciert. Die kommt mit der typischen Kräuterkruste auf zurückhaltender Melone. Das üppige Stück ist für die zarte Tartelette fast zu schwer, aber der kräftige Geschmack gefällt.
Der zweite Happen kombiniert Stör mit Roter Bete und Saiblingskaviar. Die Bete kommt ohne jede plumpe Erdigkeit und fügt sich damit gut in das leichte Ensemble ein, in dem der Kaviar ab und zu aufploppt und so für ein schönes texturelles Erlebnis sorgt.
In der Vorspeise spielen Geflügelleber und Rhabarber die Hauptrollen. Eine Leberterrine mit Rhabarbergelee, die in ihrer Intensität geschmacklich durchaus ähnlich einer Foie Gras ist, ein bissfest gegartes Stück Rhabarber mit diversen Cremes und Kräutern, ein Mandeleis und ein Stück Brioche mit Räucheraal, der sich mir hier zwar als Zutat nicht komplett erschließt, komplettieren das durchaus aufwändige Gericht. Die Sauce Cumberland, die statt mit Cassis ebenfalls mit dem Knöterichgewächs erstellt wurde, ist eine schöne fruchtige Alternative, vor allem zum fettigen Aal. In Summe ist das ein schönes Gericht und guter Auftakt ins Menü.
Mit einer Interpretation des klassischen Senfeis geht es weiter. Am Boden des Tellers finden sich Kartoffelpüree und schön knackiger Spinat, darauf Senf als Espuma und ein wachsweiches, pochiertes Ei. Eine großzügige Menge Kaviar bringt salzige Noten ins Spiel. Das ist ein wunderbares Wohlfühlgericht, das ganz nach dem Motto funktioniert: Löffel rein, glücklich sein. Eine sehr intelligente Version.
Es folgt ein stattliches Stück Steinbutt, belegt mit zwei dünnen Scheiben vom Wagyu, quasi als Carpaccio, die aber geschmacklich ziemlich untergehen und mehr der Optik dienen. Dafür ist das Wagyufett, das in der mit Dashi zur köstlichen Beurre Blanc aufgeschlagenen Sauce verarbeitet wurde, äußerst hilfreich und liefert Fülle und Cremigkeit. Schnittlauch-Kartoffelpürree, Fenchel und Passe Pierre-Algen runden das erneut sehr gute Gericht ab.
Auch der Hauptgang zeigt bereits auf den ersten Blick, das hier eher aufwändig als puristisch gearbeitet wird. Das Kalbsfilet vom niederländischen Premium-Produzenten Peter’s Farm in Appeldoorn ist perfekt rosa gebraten, Kalbsbries dazu in kleinen Stücken ausgebacken. Lauch gibt es in Variation als Röllchen mit einer cremigen Füllung und gestiftelt. Besonders gefällt mir ein luftiges Pilzbeignet mit würziger Füllung. Frische Morcheln unterstützen das mit intensivem Pilzgeschmack und auch die Jus ist eher von der kräftigen Art. Alle Elemente sind handwerklich tadellos gearbeitet und fügen sich abwechslungsreich und stimmig zu einem genussvollen Ganzen.
Für meinen Mann geht es mit dem Dessert aus dem Menü weiter, einer lauwarmen Tarte Tatin mit Vanilleeis, Karamellsauce, einem feinen Apfelragout. Das kommt in der Präsentation zwar sehr zeitgemäß rüber, ist aber im Kern sehr klassisch, aber eben auch sehr gut.
Ich bin jetzt nicht so der größte Apfelfan und wähle stattdessen aus dem À la Carte-Angebot erneut Rhabarber in Variationen mit Mascarpone als Mousse und Himbeeren. Mit diesem frischen, säuerlichen Dessert, das meinem Geschmack eher entspricht, bin ich sehr zufrieden. Handwerklich ist das erneut einwandfrei, die Kombination zwar nicht überraschend, aber sehr lecker.
Drei ordentliche Pralinen, Haselnuss, Nougat mit Knusperschichten und Champagnertrüffel, beschließen das Menü.
Klang die Karte schon recht vielversprechend, hat Daniel Kleins Küche das auch auf dem Teller eingelöst. Die Gerichte sind kreativ, dabei aber nicht zu verspielt, so dass man auch das eher konservative Publikum im Weserbergland nicht verschreckt. Handwerklich ist das tadellos und auch die Produkte sind von überdurchschnittlicher Qualität. Damit hat man alle Zutaten, um auch in den einschlägigen Guides stärker wahrgenommen zu werden.
Mit der Weinkarte ist das ja schon der Fall und Moritz-Christian Brand versteht es, die Gäste hier kenntnisreich durch das umfangreiche Kompendium zu lotsen.
Der Service, den hier zum Teil auch die Köche mit übernehmen, ist aufmerksam und jederzeit freundlich. Wir haben uns wohl gefühlt.
Und da man neben dem Wein hier auch beim Essen nichts auszustehen hat, dürfte das nächste Treffen unserer kleinen Genießerrunde auch gesetzt sein.
Details
| Restaurant: | Fachwerk |
| Adresse: | Klosterstraße 42, 31737 Rinteln |
| Öffnungszeiten: | Montag - Freitag: 17.30 - 21.00 Uhr Samstag: 12.00 - 14.00 Uhr & 17.30 - 21.00 Uhr Sonntag: Ruhetag |
| Website: | www. |
Schlagworte
Daniel Klein, Fachwerk, Hotel Stadt Kassel, Jeunes Restaurateurs, kreativ, Moritz-Christian Brand, regional, Rinteln
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Danke für dieses Opfer eurerseits. Da müssen wir jetzt wohl hin. Ich freue mich schon.
Zu dem Absatz mit dem Brot – „Wenn wir in Hannover sind, nehmen wir uns auch immer noch ab und zu Brot von dort mit, …“ – immer oder ab und zu? 😉
Weißt Du noch, welche Weine Ihr dazu hattet, Weinbegleitung oder liebet einen Wein möglichst durchgängig?
liebe Grüße auch an Willi, schönen Sonntag Euch noch
jörg 🤓