
Loumi, Berlin
Am 21. Mai 2025 in Deutschland | 1433 Aufrufe
Über wenige Restaurants wurde zuletzt so viel geredet wie über das „Loumi“ in Berlin. Das hat natürlich viel mit dem zu tun, was aus der kleinen Küche an die Tische der Gäste gelangt, aber noch viel mehr mit der eher ungewöhnlichen Geschichte, die das Ende 2023 eröffnete Restaurant mitbringt.
Mical Rosenblat und Karl-Louis Kömmler hatten zuvor über mehrere Jahre einen privaten Supperclub in Kömmlers Wohnung betrieben, der schnell große Beachtung fand, was wohl auch der Tatsache geschuldet war, dass beide Autodidakten sind. Mittlerweile sind zwar noch einige Praktika in namhaften Häusern dazu gekommen, so etwa im „Votum“ in Hannover, aber klassische Gastroausbildung und Wanderjahre wird man hier vergebens suchen.
Ihr eigenes Restaurant in Kreuzberg bietet jetzt 14 Personen Platz im kleinen Gastraum und noch einmal etwa acht Plätze am Küchentresen. Optimale Ausnutzung nennt man das wohl.

Das Menü in acht Gängen kostet zum Zeitpunkt unseres Besuchs 130 Euro, mittlerweile 150 Euro, was angesichts der aufgeführten Zutaten aber immer noch ziemlich günstig erscheint.
Zum Apéritif gibt es, quasi als Shot, eine Erdbeer-Gazpacho, die neben der typisch fruchtigen Note eine schöne pikante Schärfe aufweist.

Optional können vorab bretonische Baby KYS-Austern vorab bestellt werden, die es in verschiedenen Versionen gibt. Mein Mann mag es lieber recht naturell, weshalb für ihn die gegrillte Zitrusfrucht am ehesten infrage kommt. Ich entscheide mich für Rhabarber Mignonette, was die milde, fleischige Auster mit einer feinen Säure ergänzt.
Vor dem eigentlichen Menü gibt es noch einen weiteren Fingerfood-Snack in Form eines Sojamehl-Panisse mit gegrillten Favabohnen, Auberginenmousse und Thymianblüte. Das ist cremig, von angenehm mundfüllendem Charakter und erneut leicht pikant.

Mit Würfeln von rohem Thunfischbauch, also dem fetteren Teil, in einer klaren Tomaten-Vinaigrette mit Myoga und frischem Wasabi folgt das erste größere Tellergericht. Auch hier ist wieder eine sehr prägnante Schärfe präsent, die aber gut austariert ist und wunderbar mit dem Fisch zusammengeht. Das ist exzellent und bleibt noch eine Weile nachhallend.

Erbsen gehören zu meinen absoluten Lieblingsgemüsen. Die kleinen, spanischen Teardrop-Erbsen sind hierbei für mich der Rolls Royce unter den Erbsen und ich bin jedes Mal unendlich dankbar, wenn ein Restaurant sie im Menü führt. Hier werden sie auf Binchotan gegrillt und kommen dann im kleinen Schälchen auf Chawanmushi mit französischer Abalone. Angegossen wird eine Brühe, die mit Algen zur säuerlichen Note zusätzliche Tiefe bekommt. Hier vermischt sich Süße mit Raucharomen, jodigen und säuerlichen Noten und Cremigkeit. Schon enorm, wieviel Geschmack in so ein kleines Schälchen passt.

Der nächste Gang ist relativ profan beschrieben als Kopfsalat mit N25 Kaviar Rahm. Nun, Kopfsalat mag auch dabei gewesen sein, aber ansonsten ist das Ensemble deutlich vielfältiger und bietet neben unreifen Erdbeeren, dünn gehobeltem Spargel, Mini-Zucchini noch diverse Kräuter. Das macht durchaus Spaß, aber, und da sind wir uns am Tisch einig, der Kaviar geht in der recht üppigen Creme ziemlich unter und wäre für mein Gefühl eigentlich nicht unbedingt nötig gewesen.

Mit Kinmedai, auch bekannt unter dem weniger charmanten Namen Glänzender Schleimkopf, folgt ein Fisch, den man auch nur sehr selten auf hiesigen Speisekarten findet und wenn, dann bei absoluten Produktfetischisten. Dieser hier kommt von den Azoren, ist perfekt gebraten, weist schön festes Fleisch und eine knusprige Haut auf. Begleitet wird er von leicht sautiertem Spinat und Thaispargel. Bei beidem habe ich auch den Verdacht, dass sie zumindest vom Grill geküsst wurden, denn ich mache einen zarten Rauchton aus. Eine Vin Jaune-Sauce mit feiner Säure rundet diesen ausgezeichneten Gang ab.

Die Parade an exzellenten Produkten reißt nicht ab. Französischer Bonito, gebeizt, geräuchert und gegrillt sowie Amela-Tomate, mit einem Kilopreis jenseits der 50 Euro-Marke auch nicht wirklich eine Allerweltssorte, dabei von betörender Süße und außergewöhnlich festem Fruchtfleisch spielen die Hauptrolle im nächsten Gang. Allerdings kann die Tomate die Paprika-Sauce, in der auch Erdbeeren verarbeitet sind, nur bedingt abpuffern. Denn die hat ordentlich Wumms und Schärfe. Nach dem eher elegant gehaltenen Fischgang zuvor, dreht die Küche hier aromatisch den Regler ziemlich weit nach rechts. Sehr gut.

Der Hauptgang präsentiert eine vorzüglich gegrillte Wachtel mit krosser Haut und auf den Punkt getroffenem zartem Fleisch. Die Morcheln dazu sind mit einer Farce von N’duja gefüllt. Die zeigt erst hinten raus eine leichte Schärfe, so dass die tolle intensive, kräftige Jus nicht überdeckt wird. Separat gibt es ein formidables Brioche Feuilletée zum Auftunken der Sauce. Das hätte auch Restaurants mit höchsten Weihen alle Ehre gemacht.
Auch beim Dessert macht Karl-Louis Kömmler qualitativ keine Kompromisse. Wenn schon Erdbeeren, dann die edelsten Malaga-Walderdbeeren. Zusammen mit einem Eis von Crème Crue und Gelee von Schaumwein ist das komplett produktfokussiert, harmonisch und einfach sehr gut.

Noch reduzierter wird es mit dem Braune Butter Eis auf karamellisierter weißer Schokolade. Das ist füllig, süß mit Karamellnoten. Steinpilzöl wird auch noch angekündigt, aber das kann ich nicht ausmachen. Optional kann man sich dazu N25 Ossietra-Kaviar bestellen, wovon ich Gebrauch mache. Die Salzigkeit steht dem Dessert sehr gut und hier macht der Kaviar für mich auch Sinn. Gefällt und schmeckt mir.
Als Petit Four schickt die Küche noch einen frisch gebackenen Financier mit Rhabarberkompott und Kardamomschaum. Auch das verdient das Prädikat einfach lecker.

Was aus der Küche von Karl-Louis Kömmler kommt, ist in der Tat erstaunlich. Allerbeste Zutaten auf die Menükarte zu setzen, ist eine Sache. Sie aber auch so souverän und akkurat zu verarbeiten wie hier eine ganz andere. Stilistisch ist das schwer einzuordnen. Bemerkenswert ist, wie fokussiert sich die Gerichte präsentieren. Sie kommen meist mit relativ wenig Komponenten aus, ohne dass sie Tiefe und Komplexität vermissen ließen. Aber sie verzichten auf alles Überflüssige und Ausschmückende. Betrachtet man, wie viele Köche auf einem Teller häufig eine Leistungsschau aus Straßen, Tupfen, Gels und Variationen von einer Zutat präsentieren, geht Kömmler den entgegengesetzten Weg. Und das gefällt mir, bei aller Liebe zu Strebertellern, ausgesprochen gut.
Das hat für mich alles definitiv Sterneformat und nicht ohne Grund galt das „Loumi“ auch als einer der am sichersten gesetzten Kandidaten für einen Michelin-Stern. Der ist mittlerweile auch gekommen und alles andere wäre meiner Meinung auch eine Überraschung gewesen.
Wenn wir über den Service sprechen, muss ich zunächst ein wenig ausholen. Wir kamen dank unterirdischer Leistung der Berliner Verkehrsbetriebe und gepaart mit einer komplett verstopften Stadt schon mit deutlicher Verspätung an, was für mich per se schon ein Horror ist, da ich es hasse, zu spät zu sein. Mical Rosenblat und ihr Team hat uns schon bei der Begrüßung den Stress genommen und mit ihrer direkten und lockeren Art alles getan, dass wir uns wohlfühlen. Dass wir dafür heute nur bedingt empfänglich waren, lag definitiv nicht an ihr. Ihre Art passt perfekt in dieses Restaurant und zu der eher ruhigen, konzentrierten Art von Karl-Louis Kömmler.
Beim nächsten Besuch sind wir dann auch aufgeräumter. Versprochen.
Details
Restaurant: | Loumi |
Adresse: | Ritterstraße 2, 10969 Berlin |
Öffnungszeiten: | Mittwoch - Samstag: 18.45 - 23.00 Uhr Sonntag - Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.loumi-dining.com |
Schlagworte
Berlin, international, Karl-Louis Kömmler, kreativ, Loumi, Mical Rosenblat
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