
Michels Stern, Marktbreit
Am 8. Juli 2025 in Deutschland | 873 Aufrufe | 2 Kommentare
Seit wir nicht mehr arbeiten, erlauben wir uns häufiger Kurztrips statt längerer Urlaube. Aber nun ist es doch mal wieder Zeit gewesen für eine Reise, die länger als eine Woche dauerte – kulinarische Ziele natürlich eingeschlossen.
Damit es nicht nur Fine Dining-Ziele sind, haben wir uns bewusst auch für einige Restaurants entschieden, die ohne Stern auskommen, aber zumindest etwas Anspruch versprechen, selbst wenn sie mehr der bürgerlichen Küche verschrieben sind.
Wir starten unseren Trip in Franken, genauer gesagt in Marktbreit, einer kleinen Gemeinde am Main, unweit von Kitzingen. Der Michelin vergibt in diesem 3000 Seelen-Dorf gleich zweimal den Bib Gourmand, unter anderem auch für das „Michels Stern“, geführt von den Brüdern Wolfgang und Stefan Michel. Wolfgang ist in der Küche Chef, Stefan im Service.
Zum Haus gehört auch ein Hotel, was die Entscheidung zusätzlich erleichtert, hier die erste Station zu machen.

Die Karte bietet einen Querschnitt von eher rustikal bürgerlichen bis zu leicht kreativen Gerichten. Vorspeisen liegen bei 15 Euro, Suppen bei 6,50 Euro, Hauptgerichte zwischen 23 und 33 Euro und Desserts bei maximal 9 Euro. Ein Menü in 3 oder vier Gängen, das sich aus den À la Carte-Gerichten zusammensetzt ist von 44 bis 58 Euro zu bekommen. Insgesamt also ein sehr moderates Preisgefüge, das sich auch auf der umfangreichen Weinkarte fortsetzt, durch die uns Stefan Michel sehr sachkundig leitet.
Als Gruß aus der Küche kommt ein kleines Gläschen fruchtig, pikant abgeschmeckte Gazpacho. Nicht aufregend, aber sehr solide.

Für meinen Mann startet das Menü mit einem gebratenen Zanderküchlein, wenn man so will einer Art Fischfrikadelle, nur eben deutlich feiner und geschmackvoller. Das Lachs-Ceviche dazu ist weniger ein Ceviche als vielmehr ein wohl mariniertes, aber eben doch auch durchgegartes Stück Fisch. Schmeckt aber dennoch und bekommt mit der Zitrusmayonnaise, die mit eingelegten Bärlauchkapern versehen sind, einen zusätzlichen Kick. Der Salat dazu ist gut angemacht und rundet die Vorspeise gut ab.

Ich starte mit einer Rehterrine, die zwar etwas trocken gerät, aber durch einen sehr cremigen Waldorfsalat einen guten Ausgleich bekommt. Geschmacklich ist sie aber schon sehr präsent und mit der Cumberlandsauce dazu auch passend begleitet. Von außerordentlicher Qualität ist der Rehschinken, der mir enorm gut gefällt. Der Salat dazu ist derselbe wie bei meinem Mann.

Im Menü geht es weiter mit einer Tomatencremesuppe mit sehr schön markantem Eigengeschmack, die nicht totpüriert wurde, sondern noch eine ganz leichte Stückigkeit aufweist. Dazu gibt es als Einlage feste, klassische Grießnocken und Croutons. Das ist, was es ist. Nicht mehr, nicht weniger. Mein Mann ist zufrieden.

Ich entscheide mich für die Leberklößchensuppe, die eine schöne Tiefe aufweist, aber nicht überkonzentriert daherkommt. Gut die Leberknödelchen, noch besser die hausgemachten Spätzle als Einlage. Mehr braucht es hier auch nicht. Feines Handwerk, das mich sehr glücklich macht und meine bessere Hälfte doch ein wenig neidisch werden lässt. Und generell dürfte in Bayern gelten, dass wer keine anständige Leberknödelsuppe zustande bringt, eh schon verloren hat. Wolfgang Michel muss hier keine Angst haben.

Im Hauptgang folgt für mich leicht mehlierter und auf den Punkt gebratener Heilbutt, dazu richtig schlotziges und gut gemachtes Tomatenrisotto. Zur Abrundung gibt es noch diverse Gemüse im Ratatouille-Stil, auch wenn Karotte und Staudensellerie nicht zu einem klassischen Ratatouille gehören. Aber die Gemüse haben zum Teil noch guten Biss und passen insgesamt auch zum Gericht. Nur ist das Ganze schon recht üppig und reichhaltig, zumindest, wenn man sich noch Vorspeisen gönnt.

Für meinen Mann geht es mit Rehrücken weiter, ordentlich rosa gebraten, dazu klassisch gutes Selleriepüree und noch klassischer Brokkoli mit Mandelblättchen. Ein bisschen Achtziger darf es manchmal schon sein. Die Sauce dazu ist ebenfalls gut, wie auch die separat servierten Spätzle. Das ist sehr ordentlich und sorgfältig gemacht und genau das, was man von so einem Gericht erwarten kann.
Den Abschluss des Menüs bildet eine Tonkabohnen-Panna Cotta mit typischem Eigengeschmack, gutes Himbeersorbet und ein Beerenkompott, das nicht zu süß ist oder zu sehr an Rote Grütze erinnert. Die mag mein Mann nämlich nicht. Aber hier hat er nichts zu meckern und zusammen mit dem Crumble gefällt ihm das Dessert sehr gut.

Ich versuche mich nur noch an der Auswahl an Eis- und Sorbetsorten und wähle Rhabarber, Johannisbeere und Ananas. Beim Rhabarber wurde definitiv die Säure stark herausgearbeitet. Geschmacklich ist das sehr präsent, aber eben auch sehr sauer. Ananas passt auch, schmilzt aber recht schnell und bei der Johannisbeere dauert es eine Weile, bis der Eigengeschmack sich durchsetzt, aber die roten Früchte sind nun mal auch nicht ganz so vordergründig wie die schwarzen. Alle drei in Summe aber gut.

Zum Auftakt unserer Reise war dies genau das, was wir gesucht haben: eine handwerklich sauber gemachte, aromatische Küche ohne Schnickschnack und ChiChi. Und das alles zu einem sehr vernünftigen Preis. Genau das zeichnet den Bib Gourmand aus und der ist hier sehr angebracht.
Da wir bei fränkischen Weinen nicht wirklich firm sind und die Karte hier eine enorme Bandbreite aufweist, sind wir sehr dankbar über die Empfehlung von Stefan Michel. Der Silvaner Filetstück vom eher kleinen Weingut Brügel ist eine schöne Entdeckung, die genau der Vorgabe entspricht, die wir umrissen haben. Füllig, kraftvoll und mit dezentem Holzeinsatz kann er mühelos mit Großen Gewächsen von bekannten Häusern mithalten.

Den Service bestreiten neben Stefan Michel noch zwei junge Damen, die bei vollem Haus und gleichzeitig größerer Gruppe gut zu tun haben. Dass sie dabei einen guten Überblick behalten und stets freundlich agieren, freut uns. Für den Smalltalk ist allerdings mehr der Chef zuständig.
So haben wir einen schönen Abend verbracht, der Lust auf den nächsten Tag macht. Dann wartet ein Dreisterner auf uns…
Details
Restaurant: | Michels Stern |
Adresse: | Bahnhofstraße 9, 97340 Marktbreit |
Öffnungszeiten: | Montag + Dienstag: 18.00 - 22.30 Uhr Freitag - Sonntag: 12.00 - 14.30 Uhr & 18.00 - 22.30 Uhr Mittwoch + Donnerstag: Ruhetag |
Website: | www.michelsstern.de |
Schlagworte
Bib Gourmand, bürgerliche Küche, Franken, Michels Stern, Stefan MIchel, Wolfgang Michel
Verwandte Artikel
es:senz, Grassau
9. Juli 2025Drei Sterne im Michelin sind laut Definition eine Reise wert. Aber manche Ziele ... Weiterlesen
Haus Stemberg, Velbert
15. Juni 2025Zugegeben – wenn man über ein Restaurant immer und immer wieder nichts als ... Weiterlesen
hallmann & klee, Berlin
22. Mai 2025Sich in einer Stadt wie Berlin für ein Restaurant entscheiden zu müssen, ist ... Weiterlesen
Loumi, Berlin
21. Mai 2025Über wenige Restaurants wurde zuletzt so viel geredet wie über das „Loumi“ in ... Weiterlesen
Orania. Berlin, Berlin
20. Mai 2025Es ist schon eine beachtliche Leistung, wenn ein Koch es schafft, für ein ... Weiterlesen
Wolfshöhle, Freiburg
6. Mai 2025Auf diesen Besuch habe ich mich lange gefreut, sehr lange sogar. Denn die ... Weiterlesen
Solide, angemessene Ouvertüre für das ganz große Konzert!
Langsam anfangen, beschleunigen, Höhepunkt zum Schluss. Ich bin gespannt.