Vendôme, Bergisch Gladbach
Am 5. Juni 2016 in Deutschland | 3019 Aufrufe
Trübe Aussichten an diesem Sonntag. Feucht und schwer liegen die Wolken am Himmel. Die Sonne kämpft und noch ehe wir die unwirtliche Fußgängerzonenbausünde durchquert und den Hügel erklommen haben, machen sich erste Schweißtropfen breit. Oben angekommen verhüllt sich der Kölner Dom im Nebel, aber das prächtige Schloss liegt hinter uns. Wir lassen es links liegen, betreten das Kavaliershaus und werden gleich aufs herzlichste begrüßt. Linkerhand ein Blick in die Küche und wie schon so oft, grüßt Joachim Wissler uns freundlich zu.
Schnell ist der Champagner im Glas, die Menükarte mit dem Lunchangebot liegt bereits auf dem Tisch, Entspannung setzt ein. Ab jetzt wissen wir, dass die nächsten Stunden nur schön werden können. Draußen hat die Sonne den Kampf kurzzeitig gewonnen.
Das Vergnügen beginnt mit dem vermutlich berühmtesten Snack der Republik, dem nachgemachten ToffiFee. Über diesen kühl, zartschmelzenden Gänseleberkaramell mit Piemonteser Haselnuss ist schon so viel gesagt worden. Wir freuen uns, ihn nach längerer Zeit mal wieder genießen zu dürfen und reihen uns gerne in die lange Schlange derer ein, die gerne eine Familienpackung für zuhause erwerben würden.
Die folgende auf einer Glasplatte kreierte Landschaft hat so gar nichts mit dem Wetter draußen zu tun. Es sieht herbstlich aus und schmeckt auch so. Petersilienwurzel, Moos, Pilze, Trüffel vermitteln eine sehr erdige Grundstimmung. Wachtelei und Petersiliensauce unterstützen mit ihrer Cremigkeit diesen Eindruck. Die vielen Komponenten erlauben unterschiedlichste Kombinationen und jede ist in sich stimmig. Es schmeckt – da spielt die Jahreszeit weder drinnen noch draußen eine Rolle.
Mit der eigentlichen Vorspeise sind wir dann wieder im Frühsommer angekommen. Eine roh marinierte, aufgeschnittene Jakosmuschel prächtigen Ausmaßes wird begleitet von gepickelter Gurke, frischem Aloe Vera-Gel, würziger Wasabicreme, Sojakaviar und einem umamisatten Shiso Dashi. Das ist abwechlungsreich, leicht und kräftig zugleich. Ich lehne mich zufrieden zurück und genieße die feinherbe 2004 Riesling Spätlese von Eifel, die all diese Eigenschaften auch in sich vereint.
Auf dem nächsten Teller zähle ich 13 Zutaten und Zubereitungen. Keine einzige davon ist zuviel. Das Gericht besteht eigentlich aus zweien: dem Glattbutt mit Bohnenkernen, grünem Spargel und einer großartigen Rauchlachsbrandade und einer Auster mit kleinen Streifen von Schweineohr und gebundenem Schinkensaft. Beide Teile funktionieren eigenständig in ihrer eleganten Rustikalität, aber auch miteinander. Im Glas dazu ein 2011 Bourgogne Aligoté von Ponsot, dessen feine Holzwürze bei moderatem Alkohol perfekt zum relativ kräftigen Fischgang passt, ohne ihn zu dominieren. Draußen hat es wieder begonnen, zu regnen. Wie egal mir das gerade ist.
Das Limousin Lamm im Hauptgang ist von bestechender Qualität. Neben dem Rücken mit schönem Fettanteil findet sich ein geschmortes Stück von der Schulter, etwas Filet und ein kleiner Streifen vom gegrillten Herzen. Wunderbar dazu die cremigen Ricottagnocci. Der Rosmarin-Senfkornjus ist von klassischer Art und unterstreicht, dass es keiner übermäßigen Verfremdung braucht, um ein tolles Produkt ebenso in Szene zu setzen. Der 2004 Rioja von Viña Tondonia hat eine kühle Aromatik, aber eine ausgeprägte Nase voll Kräutern und Leder, genau so, wie ich es mag. Draußen lässt der Regen nach.
Der 2014 Pacherenc du Vic-Bilh von Clos Basté aus dem Madiran ist mir persönlich für das Dessert einen Tick zu süß. Aber Marco Franzelin ist flexibel genug, zu jedem Gang ohnehin eine Zweitwahl parat zu haben. So komme ich in den Genuss einer 2014 Riesling Auslese Hofpäsch vom Weingut Bender aus der Magnum und bin rundum zufrieden, während der Gemahl mit dem Südfranzosen glücklich ist. Aber das wäre ja alles nichts, wenn das Dessert dazu nichts wäre. Ist es aber.
Das vereint ein klassisches und perfektes Topfensoufflé à part mit einer schönen Kombination aus erfrischendem Limonensorbet, fruchtigen Elementen und cremiger Pekannussfüllung, als Kieselstein getarnt. Dazu ein Birkenwasseraufguss, der eine ganz leicht herbe Note gibt, aber trotzdem süß und frisch gleichzeitig wirkt. Erneut eine große Spielwiese, auf der man querbeet löffeln kann.
Bevor der überaus gut gelaunte und freundliche Service die üppige Trüffelauswahl präsentiert, dürfen natürlich die Hausklassiker als Petits Fours nicht fehlen, die jedes Mal neu variiert werden: Schaumkuss (diesmal Earl Grey & Grapefruit), Macaron (Schokolade & Passionsfrucht), Magnum (Haselnuss & Banane) und Schweineschnäuzchen (Himbeer-Bubblegum). Alle köstlich, alle perfekt.
Draußen kämpft die Sonne erneut. Wir haben sie längst gesehen. Auf dem Teller, im Glas, im Service. Nichts neues also – eine schönere Art, den Mittag zu verbringen, gibt es kaum. Auf dem Weg zurück zur S-Bahn ist sogar die Fußgängerzone von Bergisch-Gladbach nicht mehr ganz so hässlich.
Details
Restaurant: | Vendôme |
Adresse: | Kadettenstrasse, 51429 Bergisch Gladbach |
Öffnungszeiten: | Mittwoch - Sonntag 19:00 - 22:00 Uhr Samstag & Sonntag 12:00 - 14:00 Uhr Montag + Dienstag: Ruhetage |
Website: | www.schlossbensberg.com/de/restaurant-vendome |
Schlagworte
3 Michelin Stars, Fine Dining, Gourmet, Pellegrino-Liste, Schloss Bensberg, Vendome, Wissler
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