
Best of 2024
Am 12. November 2024 in Allgemein | 920 Aufrufe | 1 Kommentar
Kann man ein komplettes kulinarisches Jahr auf 10 einzelne Gerichte zusammen dampfen? Natürlich nicht. Dazu ist die Vielfalt und Kreativität sowie das qualitative Niveau so beeindruckend, dass man bei einer derart subjektiven Auswahl zwangsläufig viele Teller außen vor lassen muss, die es auch verdient hätten, in dieser Liste zu erscheinen. Aber so sind es 10 Gerichte geworden, die auf ganz unterschiedliche Weise nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.
Im vergangenen Jahr gab es persönliche Ereignisse, die dazu führten, dass wir über einige Monate nicht unseren kulinarischen Reisen nachgehen konnten. Da wir zudem auf größere Entfernungen verzichteten, beschränkten wir uns, wenn es denn Ausland sein sollte, vor allem auf die Niederlande und Belgien. Was uns dort besonders gefällt, ist die Möglichkeit, sehr viel häufiger, als es bei uns möglich ist, auch mittags anspruchsvoll essen zu können. Und das auch noch oft zu attraktiven Konditionen. Betrachtet man den Zuspruch dort, muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, warum das nicht auch bei uns machbar ist. Ist das Personalproblem in Deutschland so viel dramatischer oder sind wir hier einfach nicht so genussfreudig?
Aber auch so hatten wir erneut viele denkwürdige Erlebnisse, fabelhafte Gerichte und großartige Gastgeber. Bewusst haben wir auch zahlreiche für uns neue Restaurants besucht, einige davon auch auf Anregung von Bekannten aus den sozialen Medien. Sage noch einer, dass man die nicht auch positiv nutzen kann.
Auf das neue Jahr freuen wir uns. Wir sind sicher, dass sich die Gastronomie auch in schwierigen Zeiten weiter behaupten kann. Schon während der Corona-Lockdowns haben viele Restaurants bewiesen, wie man dem kreativ begegnen kann – was die Dramatik der damaligen Zeit nicht bagatellisieren soll. Wir erleben viele sehr gut besuchte Restaurants, die offenbar einiges richtig machen. Und sich auch trauen, No Shows, die immer noch eine der größten Plagen in der Szene sind, entsprechend zu sanktionieren oder Anzahlungen zu verlangen, die zu mehr Verbindlichkeit einer Reservierung führen. Dazu würde ich auch viele Gastronomen ermuntern, die hier bisher noch zögern. Die Gäste, denen Ihr wichtig seid, werden das verstehen und mitgehen.
Wie immer gilt an dieser Stelle mein Dank Euch, den treuen Lesern und Leserinnen der „tischnotizen“. Ich freue mich sehr über den anhaltenden Zuspruch!
Uns allen wünsche ich für 2025 vor allem Gesundheit, viele genussreiche Erlebnisse und ein hoffentlich friedvolleres Jahr, im Großen wie im Kleinen, als es 2024 war.
La Société, Köln
Leon Hofmockel
In unserem ersten Menü des Jahres präsentierte Leon Hofmockel uns eine butterzart gegarte Lachsforelle, begleitet von einer säuerlichen Vinaigrette von Apfel und Staudensellerie sowie einer markanten Beurre Blanc aus den Karkassen. Separat dazu ein Tatar auf einem Graubrotchip, das mit seiner Kühle die Qualität der Forelle perfekt herausstellte und wunderbar als ergänzendes Element zum Hauptteller diente. Klug komponiert und ebenso ausgeführt.
Victor’s Fine Dining by Christian Bau, Perl-Nennig
Christian Bau
Eigentlich könnte man ein Jahres-Best of auch nur mit Gerichten von Christian Bau bestreiten. Was Produktqualität, Komposition, Präsentation, Geschmack angeht, ist und bleibt er für mich das Maß der Dinge. Manchmal sind es die kleinen Veränderungen in bekannten Gerichten, die mich dann doch zu überraschen wissen. Den Crudo vom atemberaubend guten Tuna kennen wir bereits von früheren Besuchen. Beim Kaviar variiert Bau mitunter. Diesmal war es ein großartiger Kaluga. Die Shoyu-Vinaigrette ist ohnehin zum Niederknien. Aber der entscheidende Twist kam durch das dazu gereichte Brioche, dessen buttrig-nussige Noten das Aromenspektrum auf verblüffende Weise erweiterte. Streicht man alles auf die Brioche, hat man quasi eine Stulle de Luxe. Schlichtweg großartig!

Main Tower Restaurant & Lounge, Frankfurt a. M.
Martin Weghofer / Anna-Sophie Urbas
In einem der höchst gelegenen Restaurants des Landes kocht mit Martin Weghofer ein an Jahren noch junger Koch mit erkennbaren Ambitionen und beachtlichem Können. Seine Küche ist klassisch fundiert mit dem ein oder anderen Akzent nach Fernost, von feinem Handwerk und detailreich, so dass der Michelin-Stern hier mehr als verdient ist. An der Zweisterne-Marke hingegen kratzte aber vor allem das Dessert aus der Hand von Anna-Sophie Urbas. Das Zusammenspiel von Pistazien-Namelaka, Malaga-Erdbeeren, separat servierter Rhabarbergrütze, Espuma und zweierlei Sorbet war handwerklich beeindruckend, wunderbar fruchtig-aromatisch und so, wie man sich den Abschluss eines Menüs wünscht: mit bleibendem Eindruck.
Kettner’s Kamota, Essen
Jürgen Kettner
So verspielt und leicht verrückt wie Jürgen Kettner seine Gerichte oft betitelt, ist der Koch und Gastgeber selbst auch. Wer käme auch auf die Idee, Österreich mit Japan auf dem Teller zu vermählen? Jürgen Kettner tut dies mit überbordender Lust und Fantasie, dass es ein wahrer Spaß ist. Daneben hält er aber auch ein paar Klassiker parat, die dann doch mehr in seiner steirischen Heimat verortet sind, wie die Mangalitza-Spanferkelhaxe. Die war superzart und aromatisch mit perfekt knuspriger, dünner Schwarte, dazu noch edel mit Trüffelscheiben belegt. Nicht zu vergessen die üppigen Beilagen aus sündiger, scharfer Sabayon, Rahmkraut mit Pfefferonis und Kartoffelpüree. So geht moderne Heimatküche!

The Jane, Antwerpen
Nick Bril
Der Schwerpunkt in Nick Brils detailreicher und komplexer Küche liegt eindeutig auf Fischen und Meeresfrüchten. Dennoch hat uns bei unserem letzten Besuch vor allem sein Hauptgang rund ums Bresse Huhn begeistert. Dabei dekliniert er das Thema konsequent und ungemein abwechslungsreich durch. Neben dem schon fabelhaften Hauptteller mit saftiger Brust und intensiver Jus gab es noch einen Capellacci mit dem Fleisch aus der Keule und Leber, dazu eine tolle Trüffel-Madeira-Jus sowie eine Brioche zum Dippen für das Hühnerfett. So sehr mich dieser Gang wie auch wieder das gesamte Menü beglückt, so sehr betrübt mich die Nachricht, dass Nick Bril die spektakuläre Location verlassen wird und an anderer Stelle ein neues Restaurant öffnen wird. Seine Küche werde ich auch andernorts lieben, aber „The Jane“ hier und in dieser Form ist für mich der Inbegriff dessen geworden, was ich an einem Restaurant liebe. Es war und ist für mich ein magischer Ort, den ich vermissen werde.

schanz. restaurant., Piesport
Thomas Schanz
Normalerweise bin ich schon glücklich, wenn es in einem Menü ein Gericht gibt, an das ich mich auch lange nach einem Besuch noch erinnere. Bei Thomas Schanz waren es in diesem Jahr gleich mehrere Gänge, die so großartig waren, dass die Auswahl schwer war. Aber wenigstens zwei Gerichte sollen es dann doch sein. Sein Carabinero von vorzüglicher Qualität war bedeckt mit Scheiben vom Ochsenmark auf Staudensellerie und unter einem Käfig von gerösteter Carabineroschale. Der Sud von Bergamotte dazu war gleichzeitig intensiv und flüchtig wie ein Parfüm. Beeindruckend in jeder Beziehung.

schanz. restaurant., Piesport
Thomas Schanz
Ein Glanzstück großer, klassischer Handwerkskunst präsentiert uns Thomas Schanz mit der Ballotine vom Stubenküken, gefüllt mit Gänseleber und üppig belegt mit australischem Wintertrüffel. Die Saucen dazu, ein weißer Sherry-Schaum und eine Sauce Périgourdine, einfach nur zum Niederknien. Ein Gericht, in dem alles einfach nur perfekt und wundervoll ist.

De Leuf, Ubachsberg
Robin van de Bunt
Das „De Leuf“ gehört zu den zahlreichen grenznahen Restaurants in den Niederlanden und Belgien, die von Köln aus schnell zu erreichen sind. In diesem sehr familiär geführten Haus kocht Robin van de Bunt mit starken japanischen Einflüssen. Seine Kalbsbacke im Rahmen eines Mittagsmenüs ließ mich etwas herzhaft-rustikales erwarten. Was kam, war die eleganteste Version dieses vermeintlich einfachen Teils, die ich bisher hatte. Zart, aber schnittfest mit einer Auflage aus gepuffter Quinoa, einer Zwiebelcreme und Schnittlauch. Die Beilagen detailreich und dazu eine formidable Sauce mit Bockshornklee. Wer braucht da noch Filet? Abgesehen davon hat uns in diesem sympathischen Haus Michelle van de Bunt eine der originellsten alkoholfreien Getränkebegleitungen seit langem serviert.

Hilmar, Aerzen
Stephan Krogmann
Stephan Krogmanns Küche verfolge ich bereits seit langer Zeit in den sozialen Medien, aber erst, seit er Küchenchef im historischen Schlosshotel Münchhausen in Aerzen bei Hameln ist, ergab sich die Möglichkeit, sie auch vor Ort kennenzulernen. Seine durchaus modernen, aber dabei immer sehr klassisch fundierten Gerichte bestechen durchweg mit makellosem Handwerk. Besonders eindrucksvoll gefiel uns der Seeteufel, den Krogmann recht geradlinig mit sautierten Spinatsprossen, Topinamburpüree und Trüffelsalat in Szene setzt. Aber der Star auf dem Teller ist die samtweiche Trüffelsauce. Wir hatten viele herausragende Saucen im Laufe des Jahres. Diese spielt definitiv um den Spitzenplatz mit. (Bericht folgt)

Esplanade, Saarbrücken
Silio Del Fabro
Wenn es um klassisches Handwerk geht, ist man auch bei Silio Del Fabro an der genau richtigen Adresse. Ein perfektes Beispiel dafür ist die Crépinette von der Taube mit Petersilienfarce und Gänseleber. Spitzkohlröllchen, Krause Glucke, Pomme Soufflé und Nussbutterjus lassen dem perfekt gearbeiteten Hauptdarsteller allen Platz zu glänzen. Und wo bitte findet man heute noch derart aufwändige Zubereitungen? (Bericht folgt)

Schlagworte
Anna-Sophie Urbas, Christian Bau, De Leuf, Esplanade, Hilmar, Jürgen Kettner, Kettner's Kamota, La Société, Leon Hofmockel, Main Tower, Martin Weghofer, Nick Bril, Robin van de Bunt, Schanz, Silio Del Fabro, Stephan Krogmann, The Jane, Thomas Schanz
Verwandte Artikel
Best of 2023
26. Okt. 2023Ein Jahr geht für uns zu Ende, in dem Kulinarisches natürlich wieder eine ... Weiterlesen
Best of 2022
1. Dez. 2022Das vergangene Jahr bot uns erneut zahlreiche kulinarische Highlights. Darunter waren bekannte Adressen, ... Weiterlesen
Jetzt muss ich doch zum Jahresende leise Kritik äußern. Du adelst zwei Gerichte ohne das du die entsprechende Rezension schon online hast. Aber ansonsten freue ich mich über dein Jahres-Resumee und deine Auswahl. Es bleibt also Fazit, ich muss unbedingt zum Schanz und ich beziehungsweise wir möchten einmal mit euch beiden bei Bau einen Abend verbringen. Heute Abend feiern wir unseren Jahres Abschluss bei Elisabeth und Fred in Münster (cda) und wir wünschen euch einen ebenso genußreichen Abend. Kommt gut ins neue Jahr und liebe Grüße an den besten Ehemann den es gibt! 🙂