Alma, Lissabon
Am 18. September 2019 in Portugal | 3816 Aufrufe | 1 Kommentar
Lissabon hat zwei Restaurants mit zwei Michelin-Sternen. Erstaunlicherweise liegen beide nur wenige Meter auseinander in zwei Parallelstraßen nahe des Baixa-Chiado. Während es das „Belcanto“ von José Avillez mittlerweile auch in die World’s 50 Best-Liste geschafft hat, was sich in deutlich schwierigerer Reservierung und anspruchsvollerer Preisgestaltung widerspiegelt, ist das „Alma“ von Henrique Sá Pessoa leichter zu buchen, aber deswegen nicht weniger gut besucht. An unserem Abend ist das Restaurant ausgebucht.
Neben jeweils vier Vorspeisen, Hauptgerichten und Desserts, die à la Carte zu bestellen sind, werden zwei Menüs angeboten. „Alma“ (110,–€) präsentiert Klassikergerichte von Henrique Sá Pessoa, „Costa a Costa“ (120,–€) widmet sich modernen Interpretationen rund um Fisch und Meeresfrüchte. Wir bestellen beide Menüs, was kein Problem darstellt. Als einzige Vorgabe bittet der Service darum, dass an einem Tisch nicht Menüs und à la Carte-Gerichte bestellt werden.
Der Abend startet mit einer Reihe von Grüßen. In der ersten Runde wird ein Tapiokachip mit Austern-Mayonnaise, bei der der Austerngeschmack sich sehr im Hintergrund versteckt sowie im Weckglas Herzmuscheln in einem ölig, säuerlichen Sud mit Algen. Beide Snacks sind angenehm, bleiben aber etwas verhalten.
Etwas aromatischer wird es mit Kabeljaustücken in einem leichten Koriandersud. Das ist warm, nur minimal cremig und recht angenehm, weil der Koriander sich überhaupt nicht in den Vordergrund spielt.
Einen wahren Eye-Catcher bietet das nächste Amuse Bouche mit knalligem Rot-Schwarz-Farbspiel. Rote Paprika ist in schwarzem Tempurateig ausgebacken. Im Schälchen dazu gibt es eine Paprikacreme mit einem Zitrusgel. Das ist optisch beeindruckender als es sich am Gaumen präsentiert. Da ist es halt Paprika mit Paprika, wenngleich mir die moderate Schärfe der Sauce gut gefällt und das Gel für ein ausgewogenes Säurespiel sorgt. Ansonsten wäre das doch ein wenig eindimensional. Aber auf jeden Fall hübsch anzusehen.
Erstaunlich mild bleibt es auch mit den Sardinenfilets auf Auberginenpüree mit geräucherter Paprikacreme und Tomatengel. Aufgrund dieser Zutaten möchte man ein deutlich mediterraneres und kräftigeres Aroma erwarten, aber die markantesten Akzente setzt dann doch das Tomatengel mit einer prägnanten Essigschärfe. Unabhängig davon ist die Sardine aber gut gegart und von schön fleischiger Konsistenz.
Dass Koriander in der portugiesischen Küche eine wichtige Rolle spielt, ist auch beim nächsten Gruß zu sehen. Auf einem makellos gegarten, zarten Stück Oktopus findet sich das Kraut ebenso wie in der Creme. Abgerundet wird der Teller mit Tupfen von Romescosauce, einer klassisch katalonischen Sauce. Das ist zwar auch milder als vermutet, aber sehr lecker.
Den Reigen der Einstimmungen beendet ein Gazpachoeis in einem klaren Tomaten-/Melonensud. Das ist sehr erfrischend mit einer guten Säure.
Nach dieser zwar abwechslungsreichen, aber auf eigenartige Weise zurückhaltenden Abfolge von Grüßen geht es mit den Menüs los.
Für meinen Mann, der sich für die Klassiker-Gerichte entschieden hat, startet es vegetarisch mit Mohrrüben, Bulgur, Ziegenkäse und Spinatcreme. Das hat einen orientalischen Touch und ist nicht schlecht. Ich finde es aber trotzdem irgendwie etwas belanglos und bin überrascht, dass meine bessere Hälfte viel Gefallen daran findet. Dies umso mehr, als er normalerweise mit Couscous, Bulgur & Co. kaum etwas anzufangen weiß.
Im „Costa a Costa“-Menü beginnt es optisch ziemlich unspektakulär. Ein Stück Seeteufel und eine Garnele sowie ein paar Algen sind alles im Teller. Angegossen wird am Tisch eine klare Brühe. Die allerdings hat es in sich. Sie ist sehr fein, äußerst intensiv und spielt definitiv die Hauptrolle in diesem Gang. Fischsuppe mal sehr reduziert, aber in allen Komponenten sehr konzentriert.
Die gebratene Foie Gras begleiten etliche Komponenten mit einem ganzen Potpourri an Mitspielern und Konsistenzen. Kaffeeschaum, Sponge, Gel, Cornflakes, diverse Cremes – all das wirkt auf mich ziemlich überladen, wenngleich sich durchaus ein stimmiges, etwas erdiges Geschmacksbild ergibt, das gut zur Leber passt. Es ist gut, wenn auch ziemlich verspielt.
Dass es auch wesentlich klarer geht, zeigt sich auf meinem Teller. Die Seezunge ist von tollen Erbsen, einer gut gearbeiteten Erbsencreme, sehr milder Chorizo und einer Hollandaise von brauner Butter begleitet. Das ist direkt zugänglich, gefällig und gut.
Bacalhau, der in Portugal unvermeidliche Stockfisch, gehört zu den Signature Dishes von Henrique Sá Pessoa. Und in der Tat wird im „Alma“ hieraus mit ganz einfachen Zutaten etwas Besonderes. Das Eigelb ist confiert, das Eiweiß als Mousse gearbeitet, Brotwürfel liefern Crunch und erneut unterstützt der Koriandersud nur mit einem zarten Kräuterton. So deutlich der typisch salzige Geschmack des Fisches präsent ist, so elegant präsentiert er sich in diesem Umfeld auch. Ein ganz ausgezeichneter Gang.
Für mich geht es mit Petersfisch weiter auf einem Schnittlauchpüree. Das angekündigte Fenchelpüree kommt eher als schaumige Sauce. Am überzeugendsten finde ich jedoch die hauchdünnen Tintenfischstreifen in Tinte, die unter dem Fisch platziert sind. Sie fügen eine interessante Textur und einen fülligeren Geschmack bei. Das ist modern und doch auch trotzdem recht konventionell.
Im Fleischgang meines Mannes gibt es 36 Stunden gegartes, super zartes Spanferkel mit einer sensationellen Kruste. Über dieser hervorragenden Zubereitung verblassen die weiteren Mitspieler, ein Püree von Rübstiel und Chips, die aus Kartoffelpüree hergestellt wurden, ziemlich. Dafür kann die cremig würzige Pfefferjus noch überzeugen. Insgesamt ein sehr guter Hauptgang.
Wunderbar auch mein Hauptgang, der cremigen Reis mit einem Carabinero kombiniert, die mit einer hocharomatischen Sauce, gezogen aus Garnelenköpfen, nappiert wird. Gepuffter Reis steuert Textur bei. Ein vermeintlich einfach wirkendes, aber tolles, intensives Gericht.
In beiden Menüs geht es jetzt mit den Desserts weiter. In der ersten Runde gibt es Basilikumsorbet, Limetten-Meringue und eingelegten grünen Apfel auf der einen Seite und Passionsfruchtsorbet, Mango und geräucherten Joghurt.
Beides ist vor allem sehr erfrischend.
Im Klassiker-Menü folgt zum Abschluss eine Variation von Brombeere und Staudensellerie, wobei vor allem letzterer sehr dezent bleibt und die Brombeere in diversen Texturen sich zwar bunt und abwechslungsreich präsentiert, geschmacklich aber nicht besonders nachhaltig in Erinnerung bleibt. Nett und gefällig, aber eben auch nicht mehr.
Mein Dessert nimmt sich da deutlich experimenteller aus. Wer käme schon auf die Idee, Meeresaromen in einer Süßspeise zu verarbeiten? Algen werden im „Alma“ als kristallisiertes Pulver eingesetzt, das tatsächlich einen Hauch von Meer liefert, gleichzeitig aber auch genug Süße. Und die braucht es auch, denn sowohl das Lemoncurd-Eis als auch der Yuzu-Schaum sind arg säuerlich. So originell ich das auch finde und spannender als das Brombeer-Dessert, so sehr hätte ich mir doch etwas süßeres gewünscht.
Ein Pflaumen-Macaron, ein knuspriges Praliné mit einer flüssigen, an Batida erinnernden Füllung sowie eine Schokoladenganache beenden zum Kaffee den Abend im „Alma“.
Henrique Sá Pessoas Küche lässt sich für mich nicht recht einordnen. Ich hatte mir eine sehr aromatische Stilistik vorgestellt, die mir im besten Fall vielleicht etwas von der portugiesischen Küche in moderner Interpretation nahebringen würde. Dies wurde nur zum Teil eingelöst. Viele Gerichte, vor allem bei den Grüßen, blieben seltsam verhalten. Da hätte ich mir an manchen Stellen durchaus beherzteres Würzen gewünscht. Toll aber Gerichte wie die Interpretation vom Bacalhau, der Reis mit Carabinero, die Seezunge, das Spanferkel und auch die sehr puristische Fischsuppe.
Vor allem die Klassiker-Gerichte des „Alma“-Menüs wirkten auf mich häufig etwas aus der Zeit gefallen mit den austauschbaren Straßen voller Texturen. Das ist sicher hübsch anzuschauen, schlecht schmeckt es auch nicht, aber es bleibt eben auch beliebig und nicht sonderlich in Erinnerung. Bezeichnend vielleicht, dass dies oft die Gerichte waren, die einen deutlich internationaleren Charakter hatten.
Moderner und zeitgemäßer gefiel mir da in jedem Fall das „Costa a Costa“-Menü, das auch deutlicher in Portugal verhaftet war.
Der Service ist von fast überschwänglichem Enthusiasmus und bemüht sich sehr, den Gästen von Anbeginn an, einen außergewöhnlichen Abend zu bereiten. In fast schon amerikanischer Manier verbreitet er gute Laune. Das ist sehr routiniert und gerade noch so dosiert, dass es mich nicht stört. Die Freundlichkeit indes wirkt nicht aufgesetzt.
Der Abend im „Alma“ hat uns gefallen. Für zwei Sterne würde ich mir jedoch ein konstanteres Niveau in den Menüs wünschen. Und vielleicht tatsächlich auch etwas mehr Portugal.
Details
Restaurant: | Alma |
Adresse: | Rua Anchieta, 15, 1200-023 Lissabon |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Sonntag: 12.30 - 15.30 Uhr und 19.00 - 23.00 Uhr Ruhetag: Montag |
Website: | www.almalisboa.pt/en/ |
Schlagworte
2 Michelin Stars, Alma, Henrique Sá Pessoa, kreativ, Lissabon, regional, Seafood
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