11A, Hannover
Am 11. Juli 2021 in Deutschland | 2320 Aufrufe
Linden Mitte – das ist der Stadtteil, in dem ich lebe. Lebte ich in Köln, was ja zeitweise auch tatsächlich der Fall ist, wäre Ehrenfeld wohl das Pendant. Links, multi-kulti, alternativ, manchmal auch ein bisschen schick – wie es halt häufig ist, wenn sich Gentrifizierung breit macht. Das Herz von Linden Mitte ist der Küchengarten. Hier an zentralem Platz findet sich das ganze Kaleidoskop dieses Stadtteils: Trinker, Skater, die unermüdlich daran arbeiten, irgendwelche halsbrecherischen Kunststücke zu trainieren, alte Damen auf Bänken, junge Paare, ein paar Obdachlose. Samstags kann man hier mitunter Tango tanzende Paare sehen. Und schon ist die übermächtig wirkende Bausünde des nebenan gelegenen Ihme-Zentrums nicht mehr ganz so hässlich und die „Drei Warmen Brüder“ (so liebevoll nennt man hier die Türme des Heizkraftwerks) wirken beleuchtet im Abendlicht nahezu romantisch.
Genau an diesem Platz, in einem ehemaligen Trafohäuschen, betreibt Christoph Elbert zusammen mit seiner Frau Verena Schindler seit vielen Jahren das „11A“. Wenn die Plätze besetzt sind, was hier durchaus häufig vorkommt, kann man sich an der Rückseite des Gebäudes in der Weinbar (die derzeit renoviert wird) oder auf der anderen Straßenseite in der Cocktailbar, die ebenfalls zu Elberts Imperium gehören, die Zeit vertreiben.
Dass es hier nicht immer leicht ist, einen Platz zu bekommen, hat sicherlich viele Gründe. Die verhältnismäßig günstigen Preise und das völlig klassenlose Ambiente spielen sicherlich eine große Rolle. Das nimmt Hemmschwellen und sorgt für einen bunten Gästemix. Dafür gibt es blanke Tische, Besteck in einfachste Papierservietten gewickelt, nix vorneweg und hintendran, aber im Gegenzug auch ein veritables Carpaccio für unter 10 Euro, das relativ pur, nur mit etwas Rucola unter den Fleischscheiben, Parmesan und gutem Olivenöl und etwas Brot kommt. Kein Schnickschnack, nichts Überfrachtetes, nur ein gutes Produkt.
Gleiches gilt auch für den hauchdünn geschnittenen Pata Negra-Schinken, der mit einer großzügigen Scheibe Pan con Tomate auskommt. Mit 15 Euro stellt das dann aber auch schon die preisliche Ausnahme und Speerspitze bei den Vorspeisen dar. Dafür ist die Portion gut bemessen und mehr noch die Qualität ganz ausgezeichnet.
Sauerfleisch ist selbstverständlich hausgemacht, klassisch und ordentlich, die Bratkartoffeln dazu angenehm kross. Das Dressing zur Salatgarnitur fruchtig, säuerlich. Nicht unbedingt ganz mein Fall, aber jedenfalls nicht 08/15. Die Remoulade ist mehr ein Dip, als dass sie die typisch grobe Struktur mit Gurken und gehacktem Ei aufweist, aber als Sauce zum Sauerfleisch passt sie gut.
Ein Klassiker im „11A“-Angebot sind die Fischstäbchen aus Fjordlachs. Die sind knusprig ausgebacken mit einer würzigen Mayo-Deko. Dazu gibt es guten Kartoffelstampf mit reichlich Lauchzwiebeln und Salat und den gleichen Kräuterdip. Nicht spektakulär, aber gut und lecker.
Bei den Desserts bewegt man sich auch auf sicherem Terrain. Crème brûlée darf nicht fehlen oder ein Erdbeerbecher „11A“-Style. Mit Vanille- und Erdbeereis, reichlich Sahne und ein bisschen Crunch bleibt das dann zwar doch recht konventionell, macht aber trotzdem Spaß.
Bei unserem nächsten Besuch springt uns eine kreativ klingende Kreation an. Aber der Matjes mit Gin Tonic-Wassermelone und Crème fraîche bleibt verblüffend blass. Der Gin Tonic ist nur marginal herauszuschmecken. Zudem ist die Portion schon arg übersichtlich, um es mal mit Loriot zu sagen.
Sehr viel überzeugender gerät da die hausgemachte Paté de Campagne mit den klassischen Condiments, dem schon bekannten Allzweck-Dip und geröstetem Brot. Das ist Soulfood, an dem man nicht viel anders machen muss.
Auch das Strip Loin Steak weiß zu gefallen. Auf den Punkt gebraten und von guter Qualität kann es ebenso überzeugen wie die Bratkartoffeln, die man hier einfach gut kann – was man nun wirklich nicht von jedem Restaurant sagen kann.
Beim Beilagensalat hätte man mit dem Dressing etwas sparsamer umgehen können. Davon ist schlicht zu viel auf dem Teller. Aber das ist auch schon alles, was man bemängeln könnte.
Zwei üppig bemessene Kalbschnitzel, offenbar mit Panko paniert und daher sehr schön knusprig gebraten sind die Hauptdarsteller bei meinem Hauptgericht. Bratkartoffeln und eine Champignonrahmsauce komplettieren diesen köstlichen und reichhaltigen Teller. Für ein Dessert reicht es danach nicht mehr.
Der Erfolg des „11A“ ist relativ einfach zu erklären. Zu verhältnismäßig günstigen Preisen kann man hier sorgfältig zubereitete Gerichte mit sehr guten Zutaten bekommen. Die Bezugsquellen werden hier komplett aufgelistet. Das schafft Vertrauen. Bei den Hauptgerichten reißt man, bis auf die Steaks, die 20 Euro-Grenze nicht. Die meisten Weine sind von ordentlicher Qualität und ebenfalls sehr erschwinglich. Hier wird man nicht schräg angeschaut, wenn man nur einen Gang bestellt und ein Bier dazu bestellt. Der Ton ist direkt, aber immer freundlich. Wenn es voll besetzt ist, sollte man nach dem Dessert nicht mehr zu lange sitzen wollen. Denn bei den Preisen besetzt man die Tische mehrfach, was durchaus nachvollziehbar ist. Dann wird man auch schon mal auf die Wein- oder die Cocktailbar verwiesen. Aber das weiß man hier mittlerweile und deshalb meckert darüber auch kaum noch jemand.
„11A“ ist Linden. Bunt, abwechslungsreich und unkompliziert. Durchaus mit Mission, aber nicht dogmatisch. Also all das, was ich auch an meinem Stadtteil mag.
Details
Restaurant: | 11A |
Adresse: | Am Küchengarten 11A, 30449 Hannover |
Öffnungszeiten: | ab Mittags geöffnet für Ruhetage die Social Media-Kanäle kontaktieren |
Website: | www.11a-restaurant.de |
Schlagworte
11A, Casual Dining, Christoph Elbert, Hannover, regional
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