Augustin, Köln
Am 3. Dezember 2022 in Deutschland | 2350 Aufrufe | 3 Kommentare
Mit dem „astrein“ hat sich Eric Werner innerhalb kurzer Zeit einen festen Platz in der Kölner Restaurantszene gesichert. Seine modernisierte Klassik füllte ganz offensichtlich eine Lücke im gastronomischen Angebot der Stadt und mit dem Michelinstern kam auch zügig die verdiente Auszeichnung.
Ein zweites Restaurant war zwar nicht unbedingt so bald geplant, aber im Kunibertsviertel ergab sich im ehemaligen Kolpinghaus eine Gelegenheit, die er nicht ausschlagen konnte.
Konzeptionell geht es Eric Werner im „Augustin“ nicht um ein weiteres Gourmetangebot, sondern eine traditionelle, bürgerliche Küche, die aber an der ein oder anderen Stelle mit einem gewissen Pfiff daherkommt. Als Küchenchef zeichnet André Mazanke für die Umsetzung verantwortlich.
Die Einrichtung beeindruckt zunächst einmal mit der markanten Deckendekoration in Form von zahlreichen Kronleuchtern. Nicht, dass der Vergleich passen würde, aber als Freund schlechter Wortspiele kommt mir „Erics Lampenladen“ in den Sinn. Man möge es mir verzeihen, denn mir gefällt diese Ansammlung durchaus hochwertiger Leuchter als Blickfang schon. Ansonsten verströmt der große Raum mit den recht eng gestellten Tischen ein sehr trubeliges Flair, eine atemberaubende Lautstärke inklusive. Wer hier ein intimes Tête-à-Tête plant, wird womöglich enttäuscht sein.
Beim „Augustin“ handelt es sich um ein à la Carte-Restaurant mit fünf Vorspeisen (7-21€), zwei Suppen (9-13€), sieben Hauptgängen (24-32€) sowie zwei Desserts (9-10€) und Käse (15€).
Wir beginnen mit der Lachs-Seezungenroulade, die sanft pochiert und kalt aufgeschnitten wurde. Die zeugt bereits von schönem Handwerk. Ein sehr abwechslungsreiches Salatbouquet mit Kartoffelsalat, feinen Gurkenwürfelchen, gepickeltem Gemüse begleitet die Roulade. Ein cremiges, aromatisches Dressing puffert die Säure der Komponenten gut ab und komplettiert das rustikal, elegante Gericht.
Zu den Klassikern Kölscher Brauhäuser gehört der „Halve Hahn“, auf den vor allem Touristen immer noch gerne hereinfallen, wenn sie ein halbes Hähnchen erwarten. Tatsächlich handelt es sich im Original um ein Roggenbrötchen mit mittelaltem Gouda und – je nach Ausführung – mit Gurken, Zwiebeln und Senf.
Eric Werner interpretiert das in Form von gestifteltem, eingelegtem Käse, dem dadurch ein wenig der kräftige Charakter genommen wird, mit gepickeltem Gemüse auf sehr gutem Roggenbrot, ähnlich einem Ciabatta. Getoppt wird das von Senfsorbet, was als Idee zwar gut gedacht ist, aber den Senfgeschmack eher vermissen lässt. Vielleicht wäre hier ein etwas cremigeres Senfeis die bessere Wahl gewesen.
Ausgezeichnet fällt die Rinderkraftbrühe aus. Hier handelt es sich definitiv um eine klassische Consommé, der man die guten Zutaten und die lange Zubereitungszeit anmerkt. Eine klassische Hochzeitsuppeneinlage aus Flädle, Eierstich und Markklößchen ist ebenfalls makellos. Der aufgerufene Preis von 13 Euro für die Tasse ist zwar recht sportlich, aber angesichts der gebotenen Qualität durchaus gerechtfertigt.
Ich wähle derweil die gebackene Kalbskopfterrine mit Kalbszunge und Kalbsbäckchen und bin etwas irritiert, denn ich hätte jetzt ein paniertes und ausgebackenes Stück, vielleicht eine Praline oder dergleichen, erwartet.
Tatsächlich findet sich eine relativ weiche Terrinenmasse zwischen zwei gerösteten Weißbrotscheiben, so dass dies für mich mehr ein Sandwich ist. Geschmacklich ist das aber durchaus in Ordnung. Ähnlich wie bei der Lachs-Seezungenroulade füllt den Teller auch hier wieder ein üppiges Salatarrangement, ergänzt um Linsensalat, gepickeltes Gemüse, Rote Bete, Meerrettichcreme und ein kräftiges, dunkles Dressing. Auch wenn die Zusammenstellung hier anders ist, fällt die Präsentation doch recht ähnlich aus. Daran ließe sich eventuell arbeiten. Ansonsten ist das gut, auch wenn die Erwartungshaltung eine andere war.
Als die Hauptgänge dann nach einiger Zeit an den Tisch kommen, sind die Teller unfassbar heiß und offenbaren einen vermutlich vermeidbaren Makel. Das Wildschweinfilet meines Mannes war medium abgefragt und auch so bestellt worden, ist aber komplett durchgegart. Da das Fleisch recht zart ist, fällt das zwar nicht groß ins Gewicht, lässt aber vermuten, dass der Teller zu lange am Pass gestanden hat. Geschmacklich ist das mit der Auflage aus Senf und Röstzwiebeln, dem Serviettenknödel, cremigem Wirsing, Preiselbeeren und der aromatischen Sauce klassisch, solide und gut.
Auch mein Teller leidet unter der zu hohen Hitze. Der schön ausgebackenen, knusprigen Perlhuhnbrust mit Pilz-Duxelles-Füllung, macht das zwar nichts, aber die Sauce beginnt bereits Haut zu ziehen und anzutrocknen. Auch die cremige Polenta hat eine feste Konsistenz bekommen. Das wiederum kommt meinem Geschmack, wenn auch ungewollt, eher entgegen. Abgesehen von der zu großen Hitze gefällt mir diese Präsentation in Summe aber sehr gut.
Da die Portionen im „Augustin“ sehr großzügig bemessen sind, muss ich beim Dessert passen, aber meine bessere Hälfte gönnt sich trotz fortgeschrittenem Sättigungsgrad noch die Creme Karamell. Die zeigt eine dezente Grand Marnier-Note und ist schön gearbeitet. Ein Zitrusfruchtsalat mit Kumquats, Orangen und Zitronen sowie ein ausgezeichnetes Brombeer-Gin-Sorbet bringen genug Frische ins Spiel, so dass sich auch dieses Dessert noch gut bewältigen lässt. Das ist zwar nicht hyperkreativ, aber solide und lecker gemacht.
Das „Augustin“ scheint den Nerv des Kölner Publikums zu treffen. Bei unserem Besuch ist das Restaurant ausgebucht und auch später finden noch einige Walk-Ins einen Platz. Die Küche ist unkompliziert, aber durchaus mit einigen kreativen Schlenkern. Die klassische Basis, die ja ohnehin ein Markenzeichen von Eric Werners Küche ist, ist auch unter der Leitung von André Mazanke klar erkennbar. Alleine die herausragende Rinderkraftbrühe gibt hiervon deutlich Zeugnis. Wenn ein wenig an der ein oder anderen Stellschraube gedreht wird, lassen sich sicherlich auch die kleinen Mängel beseitigen.
Wie man allerdings die Akustik in diesem schönen historischen Raum in den Griff bekommen will, vermag ich nicht zu sagen. Aber vielleicht klingelten ja auch nur mir noch nach unserem Besuch eine Weile die Ohren.
Details
Restaurant: | Augustin |
Adresse: | Dagobertstraße 32, 50668 Köln |
Öffnungszeiten: | Dienstag: 18.00 bis 22.00 Uhr Mittwoch - Samstag: 12.00 bis 14.00 Uhr und 18.00 bis 22.00 Uhr Sonntag: 17.00 bis 22.00 Uhr |
Website: | www.augustin-restaurant.com/ |
Schlagworte
André Mazanke, Augustin, bürgerliche Küche, Eric Werner, Köln, neue deutsche Küche
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Passt! Alles genauso erlebt und empfunden. Wobei ich das Korallensegel beim Halve Hahn etwas redundant fand. Aber das ist ja persönliches Empfinden. Zu ergänzen wäre, dass bei meinem Besuch wenige Tage nach der Eröffnung der Service hervorragend funktioniert hat und zudem freundlich agierte. Nur Ohrstöpsel für Einzelgäste wären eine gute Idee…
Ich war noch nicht da, siehe oben, aber ich wäre gerne dabei gewesen!
Ich kann dem nur zustimmen 👍
Sehr gute Küche.
Wir fanden den Service herausragend, die Lautstärke in dem schönen Raum leider unerträglich. Wir werden erst wiederkommen, wenn man draußen sitzen kann (sehr schöner Innenhof).