
Nassau, Groningen
Am 17. September 2024 in Niederlande | 1816 Aufrufe | 3 Kommentare
In einem der eindrucksvollsten Gebäude Groningens, dem Prinsenhof, haben Gäste die Möglichkeit, in den ehemaligen Schlafgemächern der Prinzen von Oranien-Nassau zu speisen. Dass das Gourmetrestaurant im seit 2012 zum Hotel umgebauten Haus folglich „Nassau“ heißt, verwundert da nicht. Schlafzimmeratmosphäre sucht man mittlerweile allerdings vergeblich. Stattdessen herrscht großzügige Eleganz in gedeckten Farben vor. Der Restaurantbereich erstreckt sich über drei ineinander gehende Räume, die bei Bedarf abgetrennt werden können.
Die Reservierung für diesen Abend haben wir erst tags zuvor vorgenommen. Eigentlich war gar nicht vorgesehen, an drei aufeinander folgenden Tagen Fine Dining-Restaurants zu besuchen, aber die Location war dann doch zu verlockend.
Chef Christian de Vries bietet hier neben À la Carte-Gerichten auch ein Menü in fünf oder sieben Gängen (75€ / 105€). Der Gault Millau vergibt derzeit 14 Punkte.
Wir entscheiden uns – wenig überraschend – für das volle Programm, das mit mehreren Snacks beginnt. Den Auftakt macht ein ausgebackenes Bällchen mit einer undefinierbaren weichen Füllung, etwas Sesam und Furikake. Daneben Seebarsch im Norimantel, der kühl und jodig eine frische Meeresbrise verströmt.

Es folgt noch eine Gefügelcreme mit Popcornschaum im Ei, die mir insgesamt etwas süß ist und bei der ich mir etwas Textur gewünscht hätte. Deutlich besser dagegen ein Kartoffelröllchen mit Filet Americaine, einem Tatar-artigen beliebten Brotaufstrich und Crème Fraîche. Das ist so klassisch wie gut. Allerdings waren Augen und Mund schneller, als die Kleinigkeiten auf Bild gebannt.
Das eigentliche Menü beginnt mit drei Tranchen leicht gebeizter Regenbogenforelle von fester Konsistenz und schönem Fleisch. Die Creme von Kartoffeln und Piccalilli zeigt eine deutliche Senfnote, die vielleicht einen Tick zu präsent ist, aber noch im Rahmen bleibt. Etwas Crunch, Tomatengel und Lorbeeröl runden diesen ansonsten sehr eleganten Gang ab.

Ausgesprochen schön präsentiert sich auch der Taschenkrebs in einer mit Kokos abgeschmeckten cremigen Sauce. Unter einer Geleescheibe finden sich Mikro-Croutons, die zusammen mit einem Dekoelement aus der Moldbrothers-Factory für etwas Crunch sorgen. Das ist sehr geradlinig komponiert und setzt das Produkt ohne große Ablenkung gekonnt in Szene. Gefällt mir ausgesprochen gut.

Zweierlei Brot, Butter, Olivenöl und Salz sind ohne Tadel.

Der folgende Gang trägt die Überschrift Wattenmeer und präsentiert Zutaten aus der Nordsee, als da wären pochierte Auster, festfleischige Muscheln, Seegras und ein Sud, der ebenfalls aus Muscheln gezogen und mit Butter und einem Hauch Sahne abgerundet wurde. Das zeigt eine feine Salzigkeit, ist jodig und fängt die See sehr schön ein.

Mit Lauch geht es weiter. Er findet sich in einer Kartoffelcreme, in der ich einen Hauch Meerrettich ausmache, dazu erneut winzig kleine Croutons. Darauf gibt es eine Mousse von altem Käse und marinierte Zwiebeln. Das ergibt ein süffiges, unkompliziertes Löffelvergnügen.

Seit langem gibt es mal wieder Seeteufel in einem Menü, worüber ich mich sehr freue. Er ist sanft gegart, begleitet von Karottencreme mit pochierten Chiliringen. Die leichte Madras-Currysauce mit Pandanöl ist nicht zu dominant, sondern sorgt dafür, dass es insgesamt zwar kräftig, aber nicht wuchtig wird. Alles bleibt noch sehr elegant.

Sehr fokussiert wird es mit der Taube im Hauptgang. Sie wurde an der Karkasse perfekt auf den Punkt gegart, lässt allerdings Röstaromen vermissen, da auch die Haut entfernt wurde. Abgesehen davon ist das Fleisch köstlich. Als Beilage dient Sellerie in verschiedenen Zubereitungen: als Stampf, Mousseline und gelartige Nudel. Die Jus ist konzentriert, aber nicht zu kräftig. Meines Erachtens hätte das Gericht durch ein paar Röstaromen noch etwas dazugewonnen. Aber auch so ist das klar auf Sterneniveau.

Es folgt ein Pré-Dessert, in dem ein Sanddorn-Sorbet auf grünem Apfel, Joghurt und Fenchel mit seinem schon betont säuerlichen Charakter sehr erfrischend wirkt.

Im Hauptdessert dominiert vor allem ein nussiger Charakter. Sponge von Haselnuss, die Knusperblätter, auf der Menükarte als Eichhörnchenbrot ausgewiesen, könnten auch welche enthalten. Steinpilz ist noch annonciert, vielleicht im Staub enthalten. Die eine dünne sichtbare Scheibe macht geschmacklich nichts aus, aber das Vanilleeis, das mit Balsamicoessig einen guten Schuss Säure mitbekommen hat, ist hervorragend und spielt eindeutig die Hauptrolle. Auch wenn nicht alles geschmacklich 100% identifizierbar ist, fügt es sich zu einem sehr harmonischen Ganzen mit sehr abwechslungsreichen Texturen. Ein zwar etwas mächtiges, aber auf jeden Fall sehr schönes Dessert.

Nach diesem recht üppigen Menü verzichten wir auf die Petits Fours, die auch hier separat geordert werden müssen. Aber das tut am Gesamteindruck überhaupt nichts. Denn die Performance war mehr als überraschend. Von den Snacks angefangen bis zum Dessert war das eine makellose Leistung, denen die derzeit vergebenen 14 Punkte nicht gerecht werden. Vielmehr sehe ich das, was Christian de Vries hier abgeliefert hat, auf klarem Sterneniveau. Hier wird handwerklich präzise gearbeitet, klassisch und gleichzeitig zeitgemäß, was sicherlich auch perfekt zum modernen Ambiente des historischen Hauses passt.
Dem erkennbar hohen Anspruch des Prinsenhofs wird auch der überaus aufmerksame und zugewandte Service gerecht. Einen großen Anteil daran hat auch der Sommelier Ronald Aikes-van Dijk, der heute auch die Rolle des Gastgebers übernimmt. Er sorgt neben Sachverstand auch mit dem ein oder anderen Smalltalk für genau die richtige persönliche Note, bei der man sich einfach gut betreut fühlt.
Als wir das Restaurant verlassen, sind wir froh, dass wir uns doch so kurzfristig entschlossen hatten, hier zu reservieren. Uns wäre etwas entgangen.
Details
Restaurant: | Nassau |
Adresse: | Martininkerhof 23, 9712 JH Groningen |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Samstag: 18.00 - 20.00 Uhr Sonntag & Montag: Ruhetag |
Website: | www.prinsenhof.nl/de/restaurants-de/nassau/ |
Schlagworte
Christian de Vries, Gault Millau, Groningen, kreativ, Nassau, Ronald Aikes-van Dijk
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Oranja boven! Fürstlicher Genuss, bin gespannt, wie es weiter geht
„… die Knusperblätter, auf der Menükarte als Eichhörnchenbrot ausgewiesen, könnten auch welche enthalten.“ – was, enthalten die etwa Eichhörnchen? 🐿️ 😱
Sorry, konnte die Vorlage nicht auslassen… 😂😉
Das könnte den vollmundigen Geschmack erklären…;-)