
Au Coin des Bons Enfants, Maastricht
Am 7. November 2024 in Niederlande | 1693 Aufrufe | 1 Kommentar
Geburtstagswünsche soll man ja ernst nehmen und, wenn möglich, auch erfüllen. Also war es kein Schweres, dem nachzugeben, dass meine bessere Hälfte den Jubeltag gerne in Maastricht mit einem schönen Abendessen verbringen wollte. Zumal wir beide die pittoreske Stadt sehr mögen und auch die kulinarische Szene einiges zu bieten hat. Nun ist es November, der Tag zeigt sich so grau und trübe, wie man es halt erwartet, aber das ficht die Maastrichter nicht an, die sich trotzdem in Scharen in den Außenbereichen der Restaurants und Kneipen tummeln, die mit Heizstrahlern der Kälte trotzen, etwa am Grote Markt, wo alljährlich André Rieu ein riesiges Open Air in seiner Heimatstadt veranstaltet.
Auch wir kuscheln uns dort mit einem Kaltgetränk ein und überbrücken die Zeit bis zum Abend, der uns ins „Au Coin des Bons Enfants“ führt, Mitglied bei den Jeunes Restaurateurs, ausgezeichnet mit einem Michelinstern und 15 Gault Millau-Punkten, wo der Deutsche Timo Reichelt sich den Traum des eigenen Restaurants erfüllt. Zusammen mit Compagnon Lino de Vrede als Sommelier und Gastgeber führt er das historische Gebäude seit 2020 und hat es seitdem wieder auf die kulinarische Landkarte der Stadt gesetzt.
Zuvor hatte der Düsseldorfer bereits in der dortigen Gourmet-Institution „Im Schiffchen“ und anschließend in einigen ausländischen Restaurants gearbeitet. Die Begrüßung hier sowohl durch den Service, als auch Timo Reichelt selbst fällt ausgesprochen herzlich, nahezu vertraut aus, was schon mal für eine gute Stimmung sorgt. Unser Tisch ist in einem leicht erhöhten Bereich und damit entfernt von einer größeren Gruppe, die im Hauptraum untergebracht ist.
Neben einem Menü in fünf (118€) oder sechs (130€) Gängen, das mit Käse ergänzt werden und mittags auf vier Gänge (90€) reduziert werden kann, gibt es optional auch eine ansehnliche Anzahl an À la Carte-Gerichten. Wir wählen das Sechsgang-Menü.
Und das beginnt mit vier gleichzeitig servierten Snacks. Eine Mürbeteigtartelette kommt etwas rustikal daher, was aber gut zur deftigen Füllung aus Zwiebeln und Anchovis passt. Entfernt erinnert das an einen Zwiebelkuchen.
Ein sehr knuspriger Biskuit, der eher einem Cracker gleicht, erhält eine Auflage aus einer Mousse mit typischem, vollmundigen Bisque-Geschmack und Garnele.
Milder gestaltet sich die pochierte Auster mit Aprikose und auch der Taco mit Tatar ist eher dezent gewürzt. Allen gemein ist aber ein sehr feines Aromenspiel und eine gekonnte handwerkliche Ausarbeitung.
Richtig herbstlich wird es mit dem Pilzragout von Buchenpilzen als Amuse Bouche. Nüsse und ein Pilzespuma betonen den erdig, waldigen Eindruck, während ein separater Chip dazu eher neutral bleibt.

Keine große Überraschung beim ordentlichen Brot, erfreulich dafür die klassische Butter.

Ausgesprochen hübsch präsentiert sich die Vorspeise mit aufgeschnittener, roh und sehr pur belassener Jakobsmuschel aus der Normandie auf einem Flan von Blumenkohl. Dazu gibt es Petersilien- und Haselnusscreme. Angegossen werden eine Beurre Noisette und Schnittlauchöl. Optional kann zu dem kleinen Klecks Kaviar noch eine größere Nocke dazu bestellt werden, wovon ich Gebrauch mache. Das gesamte Gericht ist ausgesprochen rund und harmonisch, mit deutlich nussigem Grundton, in dem auch der recht milde Kaviar keine dominanten Akzente setzt, sondern sich stimmig einfügt.
Und das ist auch das, wofür dieser Gang steht, denn auch wenn mit der Jakobsmuschel aus Dieppe und dem Kaviar exquisite Produkte auf dem Teller sind, gibt es keinen eindeutigen Hauptdarsteller, auch die Konsistenzen der Komponenten sind relativ ähnlich.
Ganz offenbar steht das Gesamtbild im Vordergrund, was damit sehr gut gelingt.

Für den folgenden Gang präsentiert der Service schon mal vorab einen Teller mit einem der Protagonisten, nämlich Herbsttrüffeln aus Italien. Und die spielen beim Tatar Rossini nach Art des Hauses nicht nur gehobelt eine entscheidende Rolle, sondern auch in der begleitenden warmen Vinaigrette. Ansonsten sind gut gewürztes Tatar, eine ordentliche Scheibe Foie Gras, dazwischen noch ein knuspriger Krokantchip, und die Trüffeln per se schon eine Kombination, der man nur schwer widerstehen kann. Mit dem buttrigen Brioche ergibt sich so eine sündige, erdige, im positiven Sinn fette Angelegenheit, die rundweg Spaß macht.

Dass Timo Reichelt nicht vor kräftigen Kombinationen zurückschreckt, zeigt er auch mit dem Steinbutt, den er auf einer Scheibe vom Livar-Klosterschwein bettet, das mit kräftigen Röstaromen daherkommt. Sauerkraut und Eisweinsauce steuern ein ausgewogenes Säurespiel bei. Zusammen mit dem Chicoree ist das rustikal und elegant gleichermaßen. Man muss nur aufpassen, das Schwein dezent zu dosieren, damit es im Zusammenspiel den Fisch nicht überdeckt.

Weiter geht es mit knusprig gebratenem Kalbsbries, das im Inneren angenehm weich ist. Dazu gibt es einen Steinpilzflan, Linsen, Bohnenkerne und eine cremige Chablissauce. Auch dieser Gang ist süffig, kräftig und verströmt bereits einen an Herbst erinnernden Duft.

Die Entenbrust aus dem Burgund ist sous vide gegart und dann auf den Punkt gebraten mit schön fester Konsistenz und gutem Eigengeschmack. Als Begleiter dienen ein Kartoffelkuchen, Süßkartoffelpüree, Pfifferlinge, geschmortes Keulenfleisch mit Gänselebercreme und Karotte. Angesichts der hohen Viskosität der Portweinsauce könnte man annehmen, dass sie zu konzentriert im Geschmack sei, was aber nicht der Fall ist. So fügt sie sich perfekt in das klassische und aufwändige Ensemble ein.

Für das Dessert bekommen Birnen aus der Region ihren Auftritt als Sorbet und Mousse. Ein Cremeux von Himbeeren auf einem Sablé, gefüllte Himbeeren und eine Buttermilchsauce runden dieses detailreiche und abwechslungsreiche Gericht ab. Das ist ausgezeichnetes Patisserie-Handwerk, das mir, der ich ohnehin ein großer Birnenfan bin, viel Spaß macht.

Mitverantwortet hat das Dessert Marleen van Drempt, die uns auch die Petit Fours serviert. Und auch die sind so verlockend, dass wir uns von jedem eines geben lassen. Pâte de fruit von Veilchen, New York Cheesecake, Florentiner und zwei Trüffelpralinen mit Whiskey und gesalzenem Karamell sind tadellos und lecker. Lediglich die im Anschluss noch servierten Madeleines geraten etwas zu trocken, aber das kann die ausgezeichnete Leistung, die die Patisserie zum Abschluss des Menüs zeigt, nicht schmälern.

Überhaupt war dies ein Menü, das auf sehr angenehme Art überraschte – vielleicht vor allem deshalb, weil es in seiner klassischen Ausrichtung ganz gegen den zeitgeistigen Strom schwimmt. Dabei heißt klassisch hier beileibe nicht langweilig, sondern durchaus modern und mit dem Mut zu kräftigen Kombinationen. Timo Reichelts Küche macht Spaß, ebenso wie der aufmerksame und immer präsente Service. Die Weinkarte bietet viele Optionen mit Schwerpunkt in Frankreich und vieles davon zu sehr fairem Kurs. Viele Gründe also wiederzukommen, wenn wir das nächste Mal in Maastricht sind.
Details
Restaurant: | Au Coin des Bons Enfants |
Adresse: | Ezelmarkt 4, 6211 LJ Maastricht |
Öffnungszeiten: | Montag: 18:30 – 20:00 Uhr Dienstag & Mittwoch: Ruhetag Donnerstag: 18:30 – 20:00 Uhr Freitag: 12:00 – 14:00 Uhr & 18:30 – 20:00 Uhr Samstag: 18:30 - 20:00 Uhr Sonntag: 12:00 – 14:00 Uhr & 18:30 – 20:00 Uhr |
Website: | www.aucoin.nl/ |
Schlagworte
Au Coin des Bon Enfants, Jeunes Restaurateurs, kreativ, Lino de Vrede, Michelin, moderne Klassik, Timo Reichelt
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Klassisch oder nicht ist für mich nebensächlich. Sehr schönes Menü und erstaunlicher Preis dafür. Irgendwie galoppieren hier in D die Preise weg…..