O Curruncho, Madrid

Dass es nicht immer Kaviar sein muss, wissen wir nicht erst seit Johannes Simmels Erfolgsroman. Und natürlich gehe auch ich nicht immer nur in Sternerestaurants oder solche mit kreativer und /oder besonders anspruchsvoller Küche. Dies gilt umso mehr, wenn man aus dienstlichen Gründen ausgehen muss. Dann bestimmen restriktives Budget oder die finanziellen Vorgaben der Arbeitskollegen und -kolleginnen die Wahl des Restaurants. Nicht alle sind halt bereit, für so einen Restaurantbesuch eine dreistellige Summe auszugeben.

So traf es sich also, dass ich für einen Workshop nach Madrid musste und da unsere spanischen Gastgeber sich nicht wirklich um Abendprogramm kümmerten, wir eben kurzfristig selbst planen mussten. Da traf es sich gut, dass eine mitreisende Kollegin einige Jahre in Madrid lebte und sie auch die Sprache beherrscht. Ihre dringende Empfehlung war eine recht unscheinbare und schlicht eingerichtete Taberna in einer etwas abgelegenen Seitenstraße unweit der Gran Via.

Das „O Curruncho“ ist ein kleines Familienrestaurant, das sich vor allem auf Meeresfrüchte konzentriert. Die galizische Küche, die auch hier das Programm bestimmt, präsentiert sich relativ einfach, ohne prägnante Würze und sehr auf das jeweilige Produkt konzentriert. Davon zeugt auch bereits die Karte, mit der die wunderbare Chefin an den Tisch kommt, um sie im Detail zu erklären. Für ausländische Gäste, die auch an diesem Abend den Weg hierhin gefunden haben, hat sie auch Bilder auf ihrem Smartphone parat und erklärt geduldig, um was es sich jeweils handelt. Sie ist erkennbar die Seele des Hauses und es fällt schwer, sich ihrem Charme zu entziehen. Auch die übrigen Servicekräfte haben übrigens erkennbar Spaß an ihrem Job.

Menükarte
Menükarte

Da die Gerichte alle zum Teilen gedacht sind, wählen wir einen bunten Querschnitt und starten mit Schwertmuscheln, die nur gekocht und mit gutem Olivenöl angemacht an den Tisch kommen. Eine schlichte und schöne Produktpräsentation.

Schwertmuscheln
Schwertmuscheln

Gleiches gilt auch noch mehr für die ganz ausgezeichneten Tomaten. Die können auch in Spanien mitunter belanglos sein. Dafür gibt es einfach zu viel Massenanbau, der gegenüber der holländischen Ware bestenfalls noch den Vorteil von etwas mehr Sonne hat. Was hier allerdings auf den Teller kommt, ist von herausragender Qualität und mit wenig Schnittlauch, Olivenöl und Salz klug und reduziert gewürzt.

Tomatensalat
Tomatensalat

Croquetas, also Kroketten, gehören zum Standardprogramm der hiesigen Küche. Auch, wenn es die Frittierware in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen gibt, ist den meisten Exemplaren dasselbe Schicksal gemein, das man auch von niederländischen Frikandeln kennt. Der Inhalt ist so weich und undefinierbar, das sich auch beim besten Willen nicht erkennen lässt, was darin enthalten ist. Die Kroketten hier sind auf jeden Fall schon mal handgefertigt, was sich unschwer an den individuellen Formen erkennen lässt und im Gegensatz zu anderen Exemplaren, die wir am Vorabend genießen konnten, ist hier zumindest eindeutiger erkennbar, dass Tintenfisch verarbeitet wurde. Immer noch eine ziemlich weiche und schwer identifizierbare Angelegenheit, aber auch in Kombination mit der Mayonnaise-artigen Creme deutlich geschmackvoller.

Kroketten
Kroketten

Vorzüglich auch die Sardellenfilets, die leicht angewärmt und erneut nur mit Olivenöl und etwas Knoblauch serviert werden. Vom Knoblauch hätte es für meinen Geschmack durchaus etwas mehr sein dürfen. Aber an der sehr guten Qualität der Anchovis ändert dies selbstverständlich nichts.

Anchovis
Anchovis

Auch die Sardinen kommen ohne großen Schnickschnack, gut gebraten, nur auf einem Bett von gekochten Kartoffeln. Letztere mögen als Bett für die Fische gut geeignet sein. Ich finde sie indes überflüssig, denn sie sind zu weich gekocht und verhältnismäßig ungewürzt.

Sardinen
Sardinen

Chipirones, also kleine Tintenfische und Tuben, gehören zu meinen Lieblingsgerichten bei unserem Stammspanier in Hannover. Auch dort kommen sie nur scharf angebraten und mit Salz und Pfeffer gewürzt. Im „O Curruncho“ hätte ich sie mir tatsächlich noch mit etwas mehr Röstaromen gewünscht, aber grundsätzlich gab es daran nichts auszusetzen. Außer an den auch hier als Bett verwendeten Kartoffeln.

Chipirones
Chipirones

Von ganz ausgezeichneter Qualität sind dann die Stücke vom Petersfisch. Dick und saftig und mit leicht röscher Kruste begeistert mich der Fisch erneut mit seiner simplen, aber überzeugenden Machart. Den repetitiven Einsatz der weichen Kartoffeln ignoriere ich hier mal. Auch die gleiche Creme wie bei den Kroketten ist nicht wirklich erforderlich. Nimmt man aber nur den Fisch für sich alleine, kann man bereits sehr glücklich sein.

Petersfisch
Petersfisch

Auch wenn wir vorher gewarnt wurden, dass unsere Wahl womöglich zu umfangreich sei, sind wir zu viert zwar gut gesättigt, aber nicht überfüllt, so dass noch Platz für Desserts ist.

Unter dem Eindruck eines hervorragenden Weichkäses vom Vorabend, der ganz überraschend und erstaunlich stimmig mit eingelegten Anchovis serviert wurde, bin ich auch hier in Erwartung eines ähnlichen Aha-Erlebnisses. Der relativ neutrale Queso de Arzua, der mit Dulce de membrillo, einem Quittenbrot, ähnlich eines Gelees, serviert wird, kann dies allerdings nicht einlösen. Es ist zwar eine in Spanien durchaus klassische Kombination, mir aber in Summe zu süß.

Käse
Käse

Meine Kollegen entscheiden sich für eine ebenfalls typische Spezialität, den mit Orucho, einem kräftigen Tresterbrand, flambierten Crêpe. Der ist mit einer puddingartigen Creme gefüllt und die charmante Chefin bietet den Gästen beim Flambieren eine kleine Schauspieleinlage, denn Orucho gilt auch als Grundlage für den Hexentrank Quemeida.

Ich darf einen Löffel probieren und muss zugeben, dass diese Kombination wirklich gut funktioniert und sehr gut schmeckt.

Crêpes
Crêpes

Ohne Frage war dies ein sehr angenehmer Abend mit Essen, das nicht mit elaborierten Zubereitungen oder irgendwelchem Schnickschnack überzeugen will, sondern vor allem mit guter Qualität. Wenn man wollte, könnte man auch Entenmuscheln oder Samtkrabben bekommen. Es ist schon erstaunlich, welch ausgezeichnete Produkte man hier erhält. Die Zubereitungen beschränken sich dabei auf das Notwendigste und ebenso verhält es sich mit der Würzung. So ist dies eine eindeutige Produktküche. Einfach, aber sehr gut.

Keine Frage, dass man hier keine Sterne- oder sonstige Gourmetvergleiche ziehen darf, aber wenn man Lust auf einen gemütlichen und unkomplizierten Abend mit ordentlichem Essen in freundlich umsorgtem Ambiente hat, ist man hier gut aufgehoben.

 

Details

Restaurant: O Curruncho
Adresse: C. de Fomento, 36, 28013 Madrid
Öffnungszeiten: Dienstag - Samstag: 13.30 - 16.00 Uhr & 21.00 - 23.00 Uhr
Sonntag + Montag: Ruhetag
Website: www.

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Kommentare

  1. Carsten am 16. Juni, 2023 um 10:08 Uhr.

    Die Sardinen, die Sardellen, die Muscheln, der Fisch, die Tuben……ich wäre sehr gerne dabei gewesen!

  2. Gero Kettler am 16. Juni, 2023 um 19:16 Uhr.

    Was angesichts des Erscheinungsjahres von Simmels unterhaltsamen Klassikers doch überrascht…

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