Dos Palillos, Barcelona
Am 2. März 2019 in Spanien | 4110 Aufrufe | 1 Kommentar
Nachdem Ferran Adrià das legendäre „El Bulli“ 2011 geschlossen hatte, waren und sind bis heute dessen Spuren über den gesamten Globus hinweg zu finden. Als Inbegriff der neuen katalonischen Küche, ist der Einfluss aber vor allem auf die lokale Gastronomieszene bis heute spürbar. Gerade in Barcelona sind viele Restaurants und Gastronomiekonzepte zu finden, die zwangsläufig mit dem Namen Adrià verbunden sind, sei es, dass sie von Ferrans Bruder Albert betrieben werden (Tickets, Enigma, Pakta und andere) oder von ehemaligen El Bulli-Schülern und -Köchen.
Dazu gehört auch Albert Raurichs „Dos Palillos“ in der Altstadt von Barcelona, unweit der Ramblas, das sich der japanischen Küche widmet. Raurich war für 10 Jahre im El Bulli tätig und dort zuletzt Sous-Chef. Davon zeugt auch die Kochjacke mit den Unterschriften aller damals Beteiligten, die wie eine Devotionalie in einem Schaufenster ausgestellt ist.
Das „Dos Palillos“ teilt sich in zwei Bereiche: im vorderen Barbereich werden auch Walk-Ins ohne Reservierung akzeptiert, im hinteren Teil gruppiert sich ein U-förmiger Tresen mit etwa 18 Plätzen um die Küche, deren Zentrum ein Holzkohlengrill darstellt.
In einem separaten Bereich gegenüber des Restaurants werden auch noch Außenplätze bespielt, die selbst bei kühlen Abendtemperaturen, als wir gegen 22.30 Uhr das Haus verlassen, voll besetzt sind.
Gibt es an der Bar auch einzelne Gerichte, kann man, zumal abends, im eigentlichen Restaurantbereich lediglich zwischen einer kleineren (90,–€) oder größeren (110,–€) Menüvariante wählen. Natürlich soll es für uns letztere sein und die startet mit einem kalt-warmen Gin Fizz, der mit einer ordentlichen Schärfe die Papillen aufweckt.
In der Tradition des Kaiseki Ryori bei dem verschiedene kleinere Gerichte serviert werden, kommt auch die folgende Box. Frühlingszwiebeln mit Miso sowie Mini-Shiitake sind in Ordnung. Beim Shirako habe ich erst im Nachhinein erfahren und verstanden, worum es sich eigentlich handelt. Was ich ursprünglich für eine Art Tofu-Zubereitung gehalten habe, ist tatsächlich Fischmilch, also Fischsperma. Nun gut, wenn man schon Lammhoden und Hirn gegessen hat, schreckt einen auch das nicht mehr. Und de facto ist es trotz des begleitenden Sesamöls geschmacklich relativ langweilig, vor allem wenn die Yuzu-Zesten nicht mehr im Spiel sind. Ausgesprochen gut hingegen gefällt mir die gelierte Tauben-Consommé mit Erbsen.
Der folgende Wolfsbarsch ist mit Reisessig und -wein sowie Sake mariniert. Die etwas klebrige Konsistenz trübt ein wenig das Essvergnügen des ansonsten ausgezeichneten Fisches.
Mit einem Hingucker und einer Instagram-Berühmtheit geht es weiter. Der leere Maki ist ungemein knusprig und glänzt neben einer tollen Optik auch mit einer sehr feinen Abstimmung.
Ein ultraleichter Baiser, der mit Sake aromatisiert ist und nicht allzu intensivem katalonischem Trüffel bestreut wird, ist ein charmanter Happen.
Großartig dann das Tatar vom Tintenfisch mit Shiso-Öl, Kaviar und Fischessenz. Das Tatar ist von sensationeller Frische und die Kombination von einnehmender Harmonie.
Nach diesem Highlight geht es zwar optisch schön weiter, jedoch kann mich das Reissorbet mit Lachskaviar und die separat dazu servierte Ingwerrose nicht begeistern. Das Sorbet weist eine eher unangenehme Konsistenz auf. Es fühlt sich an, als würde es im Mund immer mehr werden. Leider ein kleiner Dämpfer.
Aber schon der nächste Teller bietet eine Produktpräsentation vom Feinsten. Garnele als Sashimi und als Granité sowie eine Garnele als Chip sind originell und intensiv.
Es folgt ein Maki mit Seeigel und Wasabi sowie ein Sushi mit Seegurke. Beide bestechen durch ausgezeichnete Frische und sind köstlich.
Als Interpretation eines Sushi dient für den folgenden Gang eine Wolke aus fermentiertem Reis als Unterlage für Seeteufelleber mit Frühlingszwiebel und Ponzu.
Mit dreierlei Sushi geht es in der weiteren Abfolge weiter. Auf einem Noriblatt wurde eine üppig fleischige Auster sanft gegrillt und dann am Platz sorgfältig auf dem Reis platziert und mit Austernwasser glasiert. Sowohl das indirekte Grillen als auch das Glasieren heben den jodigen Charakter auf sehr elegante Weise schön hervor.
Der Sushi mit Hühnerbrust und Wasabi ist zunächst ungewohnt, zumal das Fleisch nahezu roh wirkt. Tatsächlich ist es aber leicht gegrillt, was ihm ein dezentes, tolles Raucharoma verleiht.
Sehr schön auch ein Ochsenmark Nigiri, der knusprig und füllig gleichermaßen ist.
Die Frage „Fisch oder Fleisch?“ stellt sich beim nächsten Teller. Und wir werden damit zunächst alleine gelassen, bis der Service, der hier übrigens ganz häufig von den Köchen mit übernommen wird, es nach dem Verzehr auflöst. Auf knusprigem Nigiri finden sich einmal Wagyu der Klasse A5 und Thunfischbauch. Beide sind von großartiger Qualität und liefern mit dem knusprigem Reis ein tolles Texturspiel. Allerdings ist tatsächlich kaum herauszuschmecken, was Fisch und was Fleisch ist. Auf dem Bild links findet sich das Wagyu, rechts der Thunfisch.
Mit dem nächsten Gang kommt einer der für mich stärksten Gänge. Auf einem Teigkissen sind Scheiben von gegrillter Taube angerichtet. Das ist super spicy und super köstlich.
Heiß und würzig geht es auch mit den fabelhaften Garnelen-Dumplings weiter.
Den Abschluss der herzhaften Gänge bildet eine Abfolge von Steinbutt in verschiedenen Zubereitungen, als Sashimi, gegrillt und sehr würzig, als leichte Brühe und als Sake-Infusion mit Steinbutt-Flossen. Erneut eine überzeugende Produktpräsentation.
Als erstes Dessert folgt Ananas in karamellisierter Form und als gestockte Creme in einem Sternanis-Sud. Das ist frisch, süß und abwechslungsreich gleichermaßen.
Wer zu diesem Zeitpunkt noch hungrig sein sollte, was ich für höchst unwahrscheinlich halte, kann sich bei der abschließenden Bisquitrolle entscheiden, wieviele Scheiben er möchte. Mir genügt eine Scheibe des lockeren, mit Matcha-Tee-Creme gefüllten, Gebäcks.
Zum Kaffee gibt es noch einige, hübsch präsentierte Petits Fours, ehe wir den Tresen räumen.
Denn im „Dos Palillos“ gibt es auch gegen 22.30 Uhr noch ein zweites Seating. Auch trotz der zahlreichen Gänge wirkte der Abend nicht gehetzt, sondern ausgesprochen entspannt und unterhaltsam. Köche und Service finden auch bei vollem Betrieb zwischendurch immer Zeit für Rückfragen und Erklärungen. Das Publikum ist sehr international, was für niemanden ein Problem darstellt.
Bei den Gerichten begeisterten uns viele der Kleinigkeiten mit herausragender Qualität und Originalität. Da fallen die weniger überzeugenden Gerichte, von denen es nur wenige gab, nicht wirklich ins Gewicht.
Dieser Abend hat uns viel Spaß gemacht und dass zumindest an der ein oder anderen Stelle ganz zart auch noch ein bisschen „El Bulli“-Erbe zu spüren war, hat das Vergnügen noch zusätzlich gesteigert.
Details
Restaurant: | Dos Palillos |
Adresse: | C Elisabets, 9, 08001 Barcelona |
Öffnungszeiten: | Dienstag + Mittwoch: 19.30 - 23.30 Uhr Donnerstag - Samstag: 13.30 - 15.30 Uhr und 19.30 - 23.30 Uhr Sonntag + Montag: Ruhetag |
Website: | www.dospalillos.com |
Schlagworte
Albert Raurich, Barcelona, Dos Palillos, El Bulli, Gourmet, japanisch, kreativ, Michelin, Tresenrestaurant
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Sehr spannend! Vor allem die Fisch oder Fleisch Frage.
Steht nun mit ganz oben auf der Liste, sobald wir endlich mal nach Bacelona kommen.
Und auch wieder etwas Besonderes und ein für uns bezahlbarer Restaurant-Tip.
Dieser Tischnotiz werden wir sicherlich folgen, wie wir auch in Paris mit dem Bistrotters etwas Besonderes erlebt haben.
Man möchte eine Stadt besuchen? Schnell mal schauen, ob der Westermann nicht eine Restaurantempfehlung geschrieben hat….
Muchas Gracias