Sinne, Amsterdam
Am 10. April 2016 in Niederlande | 3157 Aufrufe
Die Gastro-Szene in Amsterdam hat in den vergangenen Jahren eine beeindruckende Entwicklung genommen. Der Michelin listet derzeit 14 Sterne-Restaurants, davon vier mit zwei Sternen und 14 mit einem Bib Gourmand ausgezeichnete Betriebe. Nahezu wöchentlich kommen Neueröffnungen und Pop Ups dazu. Allen gemeinsam ist, dass sie auf ein junges, aufgeschlossenes und genusswilliges Publikum treffen, das gutes Essen und Service ohne formelles Getue schätzt.
Das Restaurant Sinne fügt sich hier nahtlos ein. 2013 vom gebürtigen Schweden Alexander Ioannou und seiner niederländischen Frau Suzanne Sluijter eröffnet, kam der erste Stern bereits im Folgejahr. Im langgezogenen Restaurant, an dessen Kopfende man einen direkten Blick in die offene Küche hat, sitzt es sich bequem. Wen es stört, dass man am Ende des Abends allerdings die Essensgerüche in der Kleidung hat, sollte sich besser einen Tisch im unteren Bereich reservieren.
Die Begrüßung ist herzlich und der Apéritif wird zügig mit einigen Kleinigkeiten gebracht. Dass wir dann allerdings bald eine Viertelstunde warten müssen, bis wir überhaupt die Karte gebracht bekommen, lässt meine Laune rapide sinken, bevor es hier überhaupt richtig losgegangen ist. Es soll die einzige Irritation bleiben, denn der Service bekommt gerade noch rechtzeitig die Kurve und unser Kellner stellt sich im Laufe des Abends als überaus freundlich und angenehm kommunikativ heraus.
Aus der Karte mit je drei kalten und warmen Vorspeisen, drei Hauptgerichten und zwei Desserts plus Käse sowie einigen Tagesempfehlungen kann man sich sein Menü selbst zusammen stellen. Drei Gänge sind für 38 Euro zu haben, acht Gänge für 85 Euro. Wir entscheiden uns für sieben Gänge und nach einem sehr cremigen Amuse, an das ich mich im Detail nicht mehr erinnere, geht es auch zügig los.
Mein leicht abgeflämmter Kabeljau wird von einer fruchtig frischen Bouillon aus Apfel, Fenchel und Sellerie begleitet. Die begleitenden Gemüseröllchen sind mit einer Joghurtcreme gefüllt und Currychips liefern Textur. Das ist ein leichter und eleganter Einstieg ins Menü, während es auf der anderen Tischseite mit einer relativ mächtigen Cheddarcreme deutlich rustikaler zugeht. Zwar sind die crispen Grünkohlblätter als Ergänzung originell, schaffen es jedoch nicht, dem Gericht zu etwas Leichtigkeit zu verhelfen.
Viel überzeugender dann der rote Gamberoni, der in einer kräftigen Krustentiersauce badet, die mit Kokosmilch verfeinert wurde.
Herausragend der nächste Gang, bei dem Sellerie in unterschiedlichen Konsistenzen kombiniert wird mit gehackten Haselnüssen, flüssigem Eigelb, einer sehr fluffigen Hollandaise und einer üppigen Sauce, der Knoblauch und Trüffel den entscheidenden Kick geben. Insgesamt ein absolutes Wohlfühlgericht, ohne dabei eindimensional oder langweilig zu wirken.
Beim folgenden Steinbutt passiert mir auf dem Teller deutlich zu viel und auch die rechte Harmonie zwischen den Komponenten will sich für mich nicht einstellen. Vor allem das mit Kreuzkümmel aromatisierte Spinatpüree gefällt mir nicht und kommt mir wie ein Fremdkörper gegen Spargel, Reiscreme und ansonsten gute Jus vor. Hier wäre Reduktion sicherlich von Vorteil.
Dass uns beim nächsten Gericht erneut Spinat begegnet, ist der Tatsache geschuldet, dass die Küche die Abfolge der bestellten Gänge in den für sie sinnvollsten Ablauf gebracht hat. Denn das Stück vom Shortrib stammt zwar aus der Abteilung der Vorspeisen und hätte mir da ebenso gefallen, aber ich kann nachvollziehen, dass man auch zugunsten einer passenderen Weinbegleitung, die Fleisch- komplett nach den Fischgängen serviert. Das Shortrib ist butterzart, aber ansonsten eher konventionell eingefasst. Erbsenpüree, Blattspinat und Schwarzwurzel tun sich nicht weh, die gehackten Nüsse bringen da mehr Abwechslung und passen gut.
Ähnlich in der Machart das Black Angus Beef, wieder mit einem Püree und diversen Gemüsen, diemal Pilze, Chicoree, Rübchen, Zwiebeln. Insgesamt aber ein, auch durch die kräftige Jus, herzhafterer Gang.
Beim Pré-Dessert verlässt mich meine Erinnerung. Es könnte Rhababersorbet gewesen sein, aber beim Espuma müsste ich lügen. Es war auf jeden Fall leicht und erfrischend.
Das abschließende Dessert für mich ist dann ein verspieltes Allerlei von weißer Schokolade und Blutorange. Genau richtig für mich, denn das Sorbet von Blutorange ist intensiv und fruchtig und federt jegliche Schwere der weißen Schokolade ab.
Gegenüber gibt es aus der Tagesempfehlung erneut einen viel mächtigeren Nachtisch mit einem warmen, halbflüssigen Schokoladenkuchen, Kaffeeeis und Butterbröseln. Das ist auch gut, aber relativ überraschungsarm. Zudem ist, wenn es nicht ohnehin schon seit den Fleischgängen der Fall wäre, spätestens jetzt der Sättigungsgrad mehr als erreicht.
Aber wir wollen nicht klagen. Ganz überwiegend war das, was aus der kleinen Küche des „Sinne“ kommt anspruchsvoll, klug kombiniert und sehr lecker. Optisch legt Alexander Ioannou Wert auf ausgeprägte, zeitgemäße Ästethik.
„Elizabethonfood“ konstatiert in ihrem Blog „his complex preparations sometimes resulted in borderline fussy plates“. Das traf bei unserem Besuch eigentlich nur auf den Steinbutt-Gang wirklich zu. Generell aber scheint hier weniger in der Tat manchmal mehr sein könnte.
Dennoch ist dies ein empfehlenswertes Restaurant, das wir auch gerne beim nächsten Mal wieder besuchen werden. Dies ist nicht zuletzt dem charmanten Service zu verdanken, der auch mit einer originellen Weinbegleitung, die einen Bogen spannte von Südafrika über Griechenland, Deutschland, Italien, Spanien bis nach Frankreich zu überzeugen wusste. Darunter waren neben einigen soliden, wenn auch nicht überwältigenden Tropfen vor allem mit dem 2014 Braunewell Grauer Burgunder „Teufelspfad“ und dem 2006 Marboré der Bodega Pirineos echte Entdeckungen.
Details
Restaurant: | Restaurant Sinne |
Adresse: | Ceintuurbaan 342, 1072 GP Amsterdam |
Öffnungszeiten: | Mi - Sa 18:00 - 21:00 So 12:00 - 15:00 & 18:00 - 21:00 Ruhetage: Mo + Di |
Website: | www.restaurantsinne.nl |
Schlagworte
Amsterdam, Casual Fine Dining, Gourmet, kreativ, Michelin, Sinne
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