Vinkeles, Amsterdam
Am 30. September 2025 in Niederlande | 355 Aufrufe | 1 Kommentar
Besondere Anlässe und besondere Orte gehen für mich oft zusammen. Amsterdam ist eine Lieblingsstadt für mich geworden, deren Flair mich mehr einnimmt als viele andere Städte. Dass ich nun doch schon einige Jahre nicht mehr dort gewesen bin, ist eigentlich unverzeihlich. Umso leichter fiel die Entscheidung, meinen Geburtstag in diesem Jahr genau dort zu feiern. Und da es natürlich auch ein passendes Restaurant dafür sein sollte, fiel die Wahl diesmal auf das „Vinkeles“, eines von fünf Häusern, die mit zwei Michelinsternen ausgezeichnet sind.
Jurgen van der Zalm ist seit langem im Haus, der zweite Stern kam 2023. Tatsächlich weiß ich sowohl über den Koch und den Küchenstil so gut wie nichts, so dass ich mich komplett überraschen lasse. Allerdings verspricht die Location in einer alten Bäckerei im noblen „The Dylan“ Hotel an der nicht minder repräsentativen Keizersgracht ein besonderes Flair.
Neben einigen À la Carte-Gerichten gibt es ein Signature Menü, das zum Zeitpunkt unseres Besuches noch 220€ kostete, mittlerweile 245€ sowie ein vegetarisches Menü zu 185€.
Noch bevor wir Menü- oder Weinkarte bekommen, erreichen uns bereits die ersten Grüße, beginnend mit einer Croustade mit Schwertmuschel, Mandelcreme, Wasabi und Fingerlimes. Das ist sehr selbstbewusst abgeschmeckt mit einer leichten Schärfe.
Es folgt eine pochierte Auster im Rote Bete-Sud mit einem Ravioli von Radicchio mit gesalzener Orange und etwas Buchweizen. Klingt ungewöhnlich, schmeckt auch so und erstaunlich gut.
Als nächster Gruß kommt ein Chawanmushi von Enteneiern mit Taschenkrebs und einer kräftigen Bouillon von Krebs und Jasmin. Sonnenblumenkerne sorgen für Crunch. Auch dies macht viel Spaß vor allem aufgrund des sehr intensiven, rauchigen Suds und der vielfältigen Textur.
Den Abschluss der Einleitung bildet ein auf den ersten Blick unscheinbares und ganz schlicht gehaltenes Baiser, das im Inneren allerdings einiges an Überraschung bereithält. Zu einem kühlen Tatar vom Wolfsbarsch mit Gurke gesellt sich eine schaumig cremige Tzaziki-Variante. Das ist kühl, frisch und wirklich originell. Für mich der überzeugendste der Snacks.
Zum guten Sauerteigbrot gibt es, was ich sehr feiere, lediglich ein Stück guter Butter, in diesem Fall von der Insel Jersey.
Das eigentliche Menü startet dann sehr puristisch mit einem Stück Hamachi mit einer Auflage von sehr dünn geschnittenen Birnenscheiben, die kaum geschmacklichen Effekt entfalten können. Am Tisch wird dann die Vinaigrette angegossen, in der Yuzu, Sojasauce, Wasabi und Olive für ein ausgewogenes Verhältnis von Säure, Fülligkeit und Salzigkeit sorgen. Dass der Fisch relativ naturbelassen wurde, passt angesichts der großartigen Vinaigrette, die hier eindeutig die Hauptrolle übernimmt. So minimalistisch das erscheint, so komplex und überzeugend ist das.
Unauffällig kommt dann auch der nächste Gang in einem Glas auf den Tisch. Unter einem Kartoffelespuma findet sich ein Eis von Crème fraîche und organischer Kaviar aus Andalusien. Abgestäubt ist das Ganze dann mit etwas Muskatnuss. Insgesamt ist das ein unkompliziertes Löffelvergnügen mit einem schönen Spiel von kalt und warm, bei dem nicht ständig etwas Neues im Mund passiert, sondern der harmonische Akkord das Entscheidende ist. Dennoch ist vor allem der Muskat wichtig, um zumindest einen kleinen Widerhaken zu setzen und zu verhindern, dass es auf Dauer zu eindimensional bleibt.
Weiter geht es mit Königskrabbe, die in Nussbutter pochiert wurde mit einem sehr samtigen Fenchelpüree mit Fenchelpollen. Eine cremige Vin Jaune-Sauce sorgt für einen dezenten Säureausgleich. Immer mehr kristallisiert sich im Lauf des Menüs für uns heraus, dass Jurgen van der Zalm sich sehr auf die Hauptzutaten konzentriert und ihnen eine Bühne bietet, auf der sie ohne Ablenkungen glänzen können. So auch hier und das gelingt sehr gut. Das einzige, das man aussetzen könnte ist, dass die Portion, auch wenn das Bild anderes vermittelt, etwas sehr überschaubar gerät.
Auch das folgende Gericht verzichtet komplett auf offensichtliche Ausschmückungen. Die ausgezeichnet gegrillte Langoustine findet sich auf einem Bett von feinst gewürfelter Nashi-Birne, die sich erneut nicht gegen die formidable, aber eben auch sehr kräftige Sauce Américaine durchsetzen kann. Man könnte sagen, dass wenn es schon minimalistisch sein soll, man sich auch auf Langoustine und Sauce alleine hätte konzentrieren können oder aber doch einen deutlichen Kontrast hätte mit einbringen können. Aber all das ist meckern auf ziemlich hohem Niveau, denn das ist natürlich immer noch ein ausgezeichneter Gang.
Dem reduzierten Stil bleibt die Küche auch beim nächsten Gericht treu. Ein prächtiges Steinpilzexemplar findet sich in einer schaumigen Sauce Barigoule, die üblicherweise häufig für Artischocken verwendet wird. Die ist kräftig, aber überpowert nicht. Etwas versteckt finden sich noch weiße Bohnen aus der Bretagne. Davon bekomme ich gleich eine doppelte Portion, da mein Mann sie generell nicht mag, ich dafür umso mehr. Beim Steinpilz ist Trüffel angekündigt, aber wenn überhaupt, ist der so homöopathisch eingesetzt, dass ich ihn nicht wahrnehme und man ihn dann auch nicht hätte erwähnen müssen. Den entscheidenden Twist bekommt der Teller aber vor allem durch das Kaffeepulver auf dem Pilz. In Summe aber ein intensiver, schöner vegetarischer Teller.
Dass es zu meinem Geburtstag im Hauptgang Taube gibt, mein Lieblingsfleisch, macht mich natürlich per se schon mal glücklich. Die Brust ist exzellent gebraten und mit Sauerkirschen, roten Zwiebeln und marinierten Rosenblättern ungewöhnlich, aber stimmig belegt. Auch die glasierte Keule gefällt mir sehr gut, wie auch die ausgezeichnete Sauce, die mit Sauerkirsche und Schokolade aromatisiert wurde. Separat gibt es noch ein mit Ragout gefülltes Brioche. Und das ist leider ein ziemlicher Durchhänger, denn er ist komplett kalt und damit nicht wirklich mit Genuss zu essen. Auch wenn das gesamte Gericht etwas mehr Temperatur vertragen könnte, ist das jetzt wirklich nicht mehr akzeptabel. Auf Rückfrage merken wir das auch an, woraufhin uns einige Minuten später ein neues Exemplar serviert wird. Leider ist auch das nur lauwarm. Das ist zwar bedauerlich, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Hauptteller sehr gut ist. Dass man das Gericht dennoch von der Rechnung genommen hat, haben wir weder erwartet, noch wäre dies nötig gewesen, zumal es nur um eine Komponente ging, mit der wir nicht glücklich waren. Es zeichnet aber die Qualität des Hauses aus, so souverän mit der Kritik umgegangen zu sein.
Den süßen Teil leitet ein Pré-Dessert ein mit einem Milchflan mit Myoga, also japanischem Ingwer, der offenbar nur sehr, sehr dezent eingesetzt wurde, dazu Pflaume und ein Sorbet von Magnolie. Das ergibt einen schönen, frischen Gesamtakkord ohne Widerhaken.
Das eigentliche Hauptdessert wartet mit recht ungewöhnlichen Zutaten auf. Kumato-Tomate findet sich als Aspik und Granité, dazu eine Sabayon von Yuzu und Sake. Das angekündigte Thai-Basilikum kann ich erneut nicht ausmachen. Das ist zwar insgesamt originell, aber auch ungewöhnlich süß. Da das Granité recht schnell wegschmilzt, passiert dann auch texturell nicht mehr viel. Dennoch ein ungewöhnliches Dessert.
Den Abschluss des Menüs bilden eine Schokoladentarte mit Schokoganache und Schwarzbeerhaube. Die weist eine schöne Konsistenz auf und demonstriert gutes Handwerk.
Eigentlich hätte es damit auch gut sein können, denn angenehm gesättigt sind wir schon, aber es folgen dann mit etwas zeitlichem Abstand noch ein Karamellflan sowie eine Praline mit Miso und Schokolade. Beides sehr gut, wenngleich die Praline im Mund dann doch etwas viel wird.
Jurgen van der Zalm hat uns mit diesem Menü ziemlich überrascht, denn ich hatte nicht damit gerechnet, eine derart reduzierte Küche zu erleben. Dass die Beschreibungen der Gerichte manchmal mehr haben erwarten lassen und man nicht immer alle angekündigten Zutaten hat schmecken können – geschenkt. Dafür waren die Teller in sich trotz allem sehr stimmig, häufig besonders durch die exzellenten Saucen ungewöhnlich tiefgründig und komplex. Dass ausgerechnet beim Hauptgang eine Komponente, die eigentlich gut gedacht war, mangels Temperatur nicht funktioniert hat, sollte in einer Küche dieser Klasse nicht passieren, aber der Service machte das mit einer souveränen Reaktion wieder wett und tatsächlich hat es den Gesamteindruck nur minimal geschmälert.
Überhaupt war der Service den gesamten Abend ausgesprochen zugewandt und aufmerksam. Die Weinkarte ist, dem Haus entsprechend, mit allem bestückt, was gut und teuer ist, hat aber auch ausreichend Alternativen im zweistelligen Bereich anzubieten. Und es zeichnet den Sommelier aus, dass er vorab die Preisrange abfragt, etwas, das ich sehr schätze und was den Gast nicht in unnötige Peinlichkeiten bringt. Wir haben uns jedenfalls ausgezeichnet beraten gefühlt.
So marschieren wir am Ende eines spannenden Abends gut gelaunt die Grachten entlang zurück zu unserem Hotel und wer mich kennt, weiß, dass ich dort, und vor allem abends, an jeder Ecke mit Blick auf die wunderschönen Häuser und Hausboote ein wohliges Seufzen von mir gebe. Es war also gut und genau am richtigen Ort.
Details
| Restaurant: | Vinkeles |
| Adresse: | Keizersgracht 384, 1016 GB Amsterdam |
| Öffnungszeiten: | Dienstag - Samstag: 18.30 - 21.00 Uhr Sonntag & Montag: Ruhetag |
| Website: | www.vinkeles.com |
Schlagworte
2 Michelin Stars, Amsterdam, Dylan Hotel, Jurgen van der Zalm, kreativ, Vinkeles
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ein schöner Bericht, Danke, viele Grüße an Willi