
Atelier, Gulpen
Am 18. April 2025 in Niederlande | 1820 Aufrufe | 3 Kommentare
Feiertage in Deutschland können oft eine ziemlich trostlose Angelegenheit sein, zumal das öffentliche Leben häufig komplett brach liegt. Unsere Nachbarn in den Niederlanden und Belgien sind da doch eine ganze Ecke entspannter, selbst an sogenannten stillen Feiertagen wie Karfreitag. Dass das auch den Nerv vieler Deutscher trifft, zeigen die endlosen Fahrzeugkolonnen, die sich an solchen Tagen über die Grenze wälzen.
Auch wir machen uns auf den Weg, diesmal in den kleinen Ort Gulpen, wo das nächste Ziel unserer Benelux-Restauranterkundungstour liegt. Das „Atelier“, Michelin-besternt und mit 16,5 Punkten im Gault Millau ausgezeichnet, hätten wir vermutlich früher oder später eh besucht. Aber beschleunigt hat dies ein mehr als positiver Bericht eines sehr Gastro-affinen Bekannten.

Hans Kinkartz und seine Frau Ellen führen das Haus, das sich im Inneren mit verschiedenen Gasträumen und einer offenen Küche über zwei Etagen erstreckt, bereits seit mehr als 25 Jahren, der Stern indes kam erst 2022.
Angeboten werden abends zwei Menüs in sechs bis acht Gängen (135€ – 185€), eines davon vegetarisch (125€ – 160€). Mittags ist das Menü in drei bis zu sechs Gängen (82,50€ – 135€) verfügbar. Eine Auswahl an à la Carte-Gerichten ergänzt das Programm.
Für uns soll es an diesem Mittag die Sechsgang-Version sein.
Und die beginnt mit drei nacheinander servierten Grüßen. Den Start macht ein Löffel mit Kimchi, Piccalilly und Rote Bete-Espuma mit gepufftem Reis. Das eingelegte Gemüse gibt den säuerlichen Grundton vor, die Bete überzeugt mit federleichtem Schaum.

Als nächstes folgt eine Tartelette mit Thunfisch, knuspriger Artischocke und Lardo. Hier zieht sich eine feine Zitrusnote durch den Happen, der zudem ein schönes Texturspiel bietet.

Den letzten Gruß bilden zwei gegrillte Miesmuscheln mit einem Espuma von Sauce Choron. So würzig das ist, stellt dies auch den kräftigsten Gruß dar.

Das Menü beginnt dann mit Wolfsbarsch in marinierten Stücken, darauf ein Potpourri von kleinen Würfeln Gänseleber für Schmelz, Sesamknusperblätter, Garnelen und Radicchio. Das Ganze findet sich in einem Sud von grünem Curry und Bergamotte, der in Kombination mit den übrigen Zutaten nur eine dezente Schärfe zeigt, alleine genossen aber schon merklich Kraft zeigt. Alles ist sehr geschickt und überlegt zusammengestellt, elegant und mit sehr abwechslungsreichen Konsistenzen. Ein starker Auftakt.

Beim Brot beschränkt man sich klugerweise auf je eine Scheibe Sauerteigbrot, das dafür ganz exzellent ist. Die Butter ist auch hier – leider – aufgeschlagen, wobei in der salzigen Ausführung genau eben jenes kaum zu schmecken ist. Dafür gefällt uns die Version mit karamellisierten Zwiebeln ausgesprochen gut.

Weiter geht es mit Jakobsmuschel auf Pak Choi mit Sauerkraut in verfremdeter Form. Zumindest ist die ursprüngliche Konsistenz nicht mehr wirklich erkennbar, aber der Eigengeschmack ist doch sehr präsent. Getoppt wird das mit Kräutern und Lachskaviar. Von säuerlich über cremig bis kräutrig und salzig ist hier alles dabei für einen spannenden Geschmacksakkord.

Mit dem Seeteufel schaltet die Küche aromatisch gleich zwei Gänge rauf. Zum Fisch auf Artischockenkompott und einer Auflage aus Messermuscheln gibt es einen Schaum von Nduja, der erwartungsgemäß eine pikante Paprikaschärfe mitbringt. Angegossen wird noch eine kräftige Bouillon vom Ochsenschwanz mit Sesam, sehr konzentriert und leicht geliert. Heissa, mit viel Power passiert auf diesem Teller aber wirklich eine Menge. Sehr gewagt und ganz fabelhaft!

In der Menüdramaturgie ist es ratsam, nach so einem Kraftpaket wieder etwas leisere Töne anzuschlagen. Der Skrei, gut gebraten, mit festem, schön aufblätterndem Fleisch auf einem Ragout von Morcheln und Spargel in Misorahm ist zwar immer noch kräftig, aber schlägt nicht mehr die ganz große Pauke. Vielmehr werden hier vor allem die Frühlingsgemüse schön eingefangen, auch wenn der Gang nicht mehr ganz so überraschend daherkommt wie die vorherigen.

Im Hauptgang folgt rosa gegarter Lammrücken aus der Region in einer Kombination, die man nicht unbedingt erwarten würde. Auf dem Fleisch findet sich nämlich ein Schaum von Räucheraal-Beurre Blanc und Aal gibt es auch noch als Stück auf einem Auberginenpüree. Begleitet wird das von einer Morchel, die mit einer etwas undefinierbaren Farce gefüllt ist und einer Creme, die entfernt an Leber erinnert. Eine intensive, gebundene Sauce rundet das facettenreiche und mutig kombinierte Gericht ab.

Ähnlich abwechslungsreich gestaltet sich auch das Dessert um Rhabarberragout auf einer Creme von weißer Schokolade und Ziegenjoghurt mit einem Eis von Thai-Basilikum und Shiso. Letzteres fällt weniger kräutrig als säuerlich erfrischend aus. Crunch liefern gebackene Schokolade und Baiserplättchen. Insgesamt ist dies ein Dessert, das einen erfreulich leichten Abschluss darstellt und gleichzeitig viel Spaß macht.

Zum Kaffee wird noch eine eindrucksvolle Auswahl an Petits Fours an den Tisch gebracht. Von Madeleines über Financiers, Eclairs bis zu Macarons ist alles dabei, was Süßmäuler gerne haben.

Das war ein sehr überzeugendes Menü, das Hans Kinkartz und seine junge Crew hier abgeliefert haben: kreativ, überraschend, mit Mut zu kräftigen Aromen und handwerklich auf hohem Niveau. Wir waren zwar zum ersten Mal hier, aber es ist schwer vorstellbar, dass hier vorher weniger gut gekocht wurde. Warum der Stern erst so spät kam, ist daher nicht wirklich nachvollziehbar.
Aber dass wir uns ausgesprochen wohl gefühlt haben, lag nicht nur am sehr guten Essen, sondern auch an dem fabelhaften Service, den Ellen Kinkartz mit zwei jungen Damen charmant und mit sehr persönlichem Touch führt. Darüber hinaus weiß auch die Getränkebegleitung sehr zu überzeugen. Zu sehr akkuratem Kurs serviert Ellen Kinkartz eine Weinauswahl, die mit Kreszenzen aus Kanada, Südtirol, dem Elsaß, Südfrankreich und Deutschland teils klassische und teils unkonventionelle Flaschen präsentiert. Auch die alkoholfreie Begleitung mit Saftauszügen aus Gemüsen und Kräutern, die ich wähle, kann durch die Bank überzeugen und ist passend auf die Gerichte abgestimmt.
Einmal mehr haben wir also ein Restaurant gefunden, das in jeder Hinsicht Spaß gemacht hat und definitiv auch einen erneuten Besuch verdient. Mittlerweile wird die Liste jenseits der Grenze dafür länger und länger. Schönes Luxusproblem…
Details
Restaurant: | Atelier |
Adresse: | Markt 9, 6271 BD Gulpen |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Donnerstag: ab 18.30 Uhr Freitag & Samstag: 12.00 - 12.30 Uhr (Ankunft) & ab 18.30 Uhr Sonntag & Montag: Ruhetag |
Website: | www.restaurantatelier.nl |
Schlagworte
Atelier, Ellen Kinkartz, französisch, Gulpen, Hans Kinkartz, Jeunes Restaurateurs, kreativ, Michelin
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Vielen Dank für den (wieder mal) schönen Bericht. Das Limburger Heuvelland ist wirklich eine Genußecke für spanende Entdeckungen. Wir waren vor ein paar Wochen im Ambrozijn in Valkenburg und sehr zufrieden: Geschmack, Speisenfolge, Gesamterlebnis klar auf 1* Niveau. LG
Zu den Feiertagen in Deutschland:
für viele Betriebe der Gastronomie lohnt es nicht, am Feiertag zu öffnen:
die (deutschen) Gäste wollen am Feiertag ein besseres Essen zum niedrigeren Preis und am Feiertag besseren Service ohne dass sie bereit sind, einen Feiertagsaufschlag zu zahlen.
Ich kenne viele Betriebe, die aus diesem Grund sonntags das Restaurant geschlossen haben.
Eine feine Lunch Rallye, die ihr da gerade absolviert.