
irori, Knittelsheim
Am 10. Februar 2025 in Deutschland | 1033 Aufrufe | 2 Kommentare
Manchmal ist der Weg das Ziel, auch wenn es dafür einige Umwege braucht. So könnte man vielleicht die Zeit beschreiben, die Max Goldberg und Kerstin Bauer verbrachten, um jetzt hier an diesem Ort, dem Isenhof in Knittelsheim anzukommen. Was als „Oxalis“ in der Mühle Schluchsee begann und dort sofort mit einem Michelinstern ausgezeichnet wurde, endete mit Corona Anfang 2021 recht abrupt und führte dann über diverse Pop Ups und eine Station in Diedesfeld, wo ebenfalls ein Stern folgte, nun hier in den Isenhof, der über viele Jahrzehnte bereits als Gastronomie geführt wurde.
Der Gastraum im alten Fachwerkhaus bietet an großzügigen Tischen Platz für eine überschaubare Anzahl von Gästen. Da Max Goldberg alleine in der Küche tätig ist, ist hier Selbstbeschränkung, was die Kapazitäten angeht, eine kluge Entscheidung.
Was geblieben ist, ist der Faible für das Japanische in Verbindung mit regionalen Zutaten. Das Menü (140€), das für alle Gäste zeitgleich startet, beginnt mit einer Abfolge von mehreren Grüßen, nach japanischer Tradition Sakizuke betitelt.
Den Auftakt macht ein Shot von Apfel und Petersilie mit gelber Bete und Basilikumöl, der mit herb-fülligem Mundgefühl überzeugt. Gleichzeitig gibt es einen Cracker mit Sesam und Chili sowie zum Dippen Kimizu, eine japanische Mayonnaise.
Der nächste Happen ist ein Türmchen aus Roter Bete, Kirsche, Hühnerleber, schwarzer Nuss und Zwiebel und damit bereits schon deutlich komplexer.

Auf einem Löffel serviert kommt geschmorter und gegrillter Ochsenschwanz mit Austernseitling. Vor allem durch das Grillen ist hier eine rauchige Note deutlich spürbar, was dem Herzhaften gut steht.

Ganz großartig dann das Schälchen mit Dorade, Seeigel, Topinambur, Ingwer, Sojasauce und Alge. Das ist cremig, buttrig und jodig. Dazu gesellt sich Crunch von geraspelter Maniokwurzel. Das könnte durchaus auch als größerer eigenständiger Gang bestehen.

Eine Creme von oxidierten Champignons, eingefasst in Chips von Zwiebel und Zwiebelcreme spielt dann ganz den Umamicharakter aus.

Das ist aber noch nichts gegen die Aromenbombe, die die Grüße beendet. Auf einem Chawanmushi findet sich ein Aalfond mit Stückchen vom Hummer und Buchweizen aus Japan. Sehr gut!

Der erste offizielle Gang des Menüs stellt Saibling in den Mittelpunkt. Mit fester Struktur, nur ganz minimal temperiert und begleitet von mariniertem Kohlrabi mit fränkischen Chiasamen, Kopfsalatstreifen, Kiwi aus der Pfalz mit Quitte gart der Fisch ganz leicht im Sud von entsafteten, eingelegten Gurken aus dem Sommer. Das Ganze zeigt eine präsente, aber komplexe Säure. Spannend und überraschend.

Weiter geht es mit Rheinzander, Abschnitten als Farce auf Noriblatt und dann gegart. Die Textur ist sehr weich, was zusammen mit dem geriebenen Rettich und Meerrettich am Boden eine nahezu durchgängig cremige Konsistenz ergibt, die nicht wirklich passt. Eingelegte Radieschen, mit Chili mariniert, Ponzu mit Mikan, also japanischer Mandarine und Öl von verbranntem Lauch versprechen eigentlich ein komplexes Vergnügen, das in diesem Fall allerdings unter der unglücklichen Konsistenz vor allem des Fisches leidet.

Deutlich besser gerät da das Gericht rund um Sellerie. Als Creme und in Scheiben ist das geschichtet mit Schalotten und Shiitake in einem Kartoffelfond mit Miso. Crunch liefern fränkische Haselnüsse. Das hat viel Power und Umami. Durch die Schichtung in der Schale ergibt sich ein abwechslungsreiches und sehr vielfältiges Mundgefühl.

Aromatisch ähnlich stark dann das Kaninchen, das Max Goldberg als Ragout in einen Ravioli arbeitet. Dieser wurde dann in einem Krustentierfond gegart, der anschließend weiter eingekocht als Basis für die sehr dichte Sauce dient. Spinat, Kapern und geröstete Mandeln runden diesen sehr intensiven und ausgezeichneten Gang ab.

Es folgt bretonischer Rochen, der zunächst geflämmt und dann mit Nussbutter arosiert wird. Auch hier sind die Beilagen wieder recht vielfältig gestaltet in Form von mit Kimchi gefülltem Chinakohl, Blumenkohl mit Tonkabohne sowie einer Karottencreme, die mit Corail von Jakobsmuschel abgeschmeckt ist. Dazu eine Beurre Blanc auf Basis von Tomatenwasser vom Sommer. Trotz dezenter Säurespitzen ist das Gericht füllig, stimmig und aromatisch komplex.

Das Lamm präsentiert Max Goldberg gleich auf dreierlei Art als Bauch, Filet und Rücken. Das Fleisch ist von guter Qualität, wobei mir vor allem der Bauch fabelhaft gefällt. Allerdings lässt sich der Rücken, obgleich gut gegart, am Fettrand etwas schwer schneiden. Das soll den Gesamteindruck aber nicht schmälern. Dazu gibt es mit Paprika gekochten Quinoa sowie eine intensive, reduzierte und ungemein köstliche Lammjus mit Safran.

Käse bezieht man von einem tatsächlich auch noch so genannten Kolonialwarenladen in Burrweiler, wo Hanns Stähle Rohmilchkäse affiniert. Im Menü sind dies heute ein St. Felicien, Soumaintrain und ein Bergkäse aus dem Schweizer Jura. Die Sorten sind wunderbar gereift und in perfekter Temperatur. Steinobstmarmelade sowie eingelegte Dörrpflaume benötige ich zwar zum Käse nicht, probiere sie aber natürlich. Ausgezeichnet ist das dazu gereichte warme Sauerteigbrot mit leichter Anisnote.

Den süßen Teil leitet ein Pré-Dessert mit Creme von Zitrusfrüchten, Zitrone, Orange und Buddhas Hand aus der Pfalz, ein. Ein Sorbet von Basilikum und Sauerampfer mit Kombualge und ein Baiser von Kaffirlimette unterstützen den herb-säuerlichen und frischen Charakter.

Den Abschluss des Menüs, nach Kaiseki-Art Mizumono genannt, bildet ein luftig-fluffiges Feuilleté aus Hefeteig mit Karamell auf Basis von 12-jährigem Weinbrand vom Weingut Rebholz mit Gewürzen und Apfelsaft. Dazu gibt es ein Eis von gebranntem Topinambur. Wer bis jetzt noch nicht satt ist, was schwer zu glauben wäre, wäre es nach diesem üppig-fülligen, süßen und leckeren Nachtisch auf jeden Fall.

Dies war ein ausgesprochen kurzweiliger Abend. Dafür, dass Max Goldberg alles in der Küche alleine bewältigt und auch Kerstin Bauer nur mit einer weiteren Kraft den Service stemmt, war das Timing perfekt. So wie wir es auch noch aus der Zeit in der Mühle Schluchsee in Erinnerung haben, bleibt sich Goldberg auch weiterhin treu, regionale Zutaten in einen japanischen Kontext zu bringen und setzt dabei weiterhin auf eine kompakte Anrichteweise. Dabei gelingen ihm oft überraschende Geschmacksbilder von erstaunlicher Tiefe. Herausragend zum Beispiel Dorade und Seeigel bei den Grüßen oder der Kaninchenravioli. Angesichts der zahlreichen Gänge fällt dann auch ein Downer wie der Rheinzander nicht entscheidend ins Gewicht.
Die Größe des Restaurants erlaubt es Kerstin Bauer und ihrer Mitstreiterin im Service, sich auf fast schon familiäre Art den Gästen zu widmen, was eine Menge zum Wohlbefinden beiträgt.
Noch schöner übrigens, dass es nun auch die Möglichkeit gibt, im Haus zu übernachten. Auf Fernsehen und ein reguläres Frühstück muss man zwar verzichten, aber für den Morgen ist eine Kleinigkeit vorbereitet, so dass man das Haus nicht nüchtern verlassen muss. Und was die Medienberieselung angeht, tut ja etwas Entschleunigung ab und zu durchaus auch gut. Ansonsten fehlt es an nichts.
In jedem Fall hat man das Gefühl, dass das hier tatsächlich der Ort sein könnte, der für Max Goldberg und Kerstin Bauer das Ziel eines langen Weges ist.
Details
Restaurant: | irori |
Adresse: | Hauptstraße 15, 76879 Knittelsheim |
Öffnungszeiten: | Freitag + Samstag: ab 18.30 Uhr Sonntag + Feiertag: Late Lunch ab 14.00 Uhr Montag + Donnerstag (im Wechsel): ab 18.30 Uhr Dienstag + Mittwoch: Ruhetag |
Website: | www.irori.restaurant/irori-im-isenhof/ |
Schlagworte
irori, japanisch, Kerstin Bauer, Knittelsheim, kreativ, Max Goldberg, Pfalz, regional
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Lieber TiNo,
was ein fantastischer Bericht aus meiner Heimat. Vielen Dank dafür. Ich habe ihn sehr genossen.
LG aus Wörth
Marco
Tja, noch ein verlockender Ort in der Südpfalz. Toller Bericht.