Geschwister Rauch, Trautmannsdorf

Richard Rauch gehört zu den besten Köchen in Österreich. Sein Restaurant, in der kleinen Gemeinde Trautmannsdorf im Vulkanland der Oststeiermark gelegen, ist im Gault Millau mit 18 Punkten ausgezeichnet, „À la Carte“ steuert 95 Punkte bei, der Falstaff 93 Punkte. Dazu kommen regelmäßige Auftritte im Fernsehen. Und auch in Deutschland ist er kein gänzlich Unbekannter als Juror in der ZDF-„Küchenschlacht“ oder seit Tim Mälzer bei ihm in „Kitchen Impossible“ ein Gericht mit Stierhoden nachkochen musste.

Wir sind heuer zum zweiten Mal hier und da man mittlerweile auch über ein Boutique-Hotel verfügt, bleiben wir zwei Nächte, um diesmal beide Küchen probieren zu können. Denn neben dem Gourmet-Restaurant, in dem es ausschließlich ein Carte Blanche-Menü gibt, bei dem man die Anzahl der Gänge bestimmen kann, gibt es auch noch das Wirtshaus, mit dem hier alles begann. Und auch diese Traditionen pflegt man bewusst weiter. Von Hochzeitssuppe über Rindsrouladen, Wiener Schnitzel bis zu moderneren Interpretationen gibt es ein weitgefächertes Angebot, in dem auch Innereiengerichte ihren festen Platz haben. Es müssen ja nicht immer gleich Stierhoden sein.

Am ersten Abend nehmen wir auf der schönen Terrasse Platz und widmen uns der Wirtshauskarte. Ich entscheide mich für das Menü, mein Mann wählt à la Carte.

Als Gedeck serviert die Küche Zwiebelbrot, würzige Polentachips, eine Auswahl fabelhafter Tomaten in Basilikumöl sowie einen Gemüse-Topfen-Aufstrich und einen noch besseren Kartoffel-Trüffel-Aufstrich.

Gedeck
Gedeck

Schon dieser Auftakt macht deutlich, dass man hier Wirtshaus durchaus auch moderner denkt. Das gilt auch für das Amuse Bouche in Form eines Gelbe Rüben-Kürbis-Currys mit gepufftem Reis und Kokosschaum. Das ist Regionalität mit einem weiten Blick über die Grenzen und sehr gekonnt.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Betrachtet man die Vorspeisen, mit denen wir dann richtig in den Abend starten, ist Wirtshausküche vermutlich die letzte Assoziation, die einem in den Sinn kommt. Schon die marinierte Lachsforelle, die wie eine Ceviche kurz gebeizt ist und von diversen Gurken (Senf-, Essig-, Mini- und Salatgurke) und Tomaten in einem frischen, säuerlichen und intensiven Sud sehr sommerlich begleitet ist, würde auch in einem besternten Restaurant eine gute Figur machen.

Marinierte Lachsforelle / Gurkenvielfalt / Paradeiser / Tomatillos
Marinierte Lachsforelle / Gurkenvielfalt / Paradeiser / Tomatillos

Gleiches gilt auch für die marinierten Romana-Salatherzen mit gehobeltem Fenchel. Forellenstücke, Currycreme und Käsechips komplettieren das Gericht, wobei die Chips zwar nicht so gut zum Fisch, dafür umso besser zum Salat passen. Das ist frisch, dennoch von einer gewissen Fülligkeit und bietet ein schönes Texturspiel.

Marinierte Salatherzen / Fenchel / Curry / Bergkäse / Forelle
Marinierte Salatherzen / Fenchel / Curry / Bergkäse / Forelle

Ich gönne mir mit dem gebackenen Kalbsbries einen zusätzlichen Gang und bin damit sehr zufrieden. Das Bries ist perfekt knusprig, der Gurkensalat dazu mit Yuzu und Kürbiskernöl originell abgeschmeckt und auch die Sauce Tartar bekommt mit Kürbiskernen ebenfalls einen sehr regionalen Twist.

Milchkalbsbries gebacken / Kürbiskern-Sauce Tatar / Gurke / Yuzu
Milchkalbsbries gebacken / Kürbiskern-Sauce Tatar / Gurke / Yuzu

Für meinen Mann gibt es im Hauptgang ganz traditionell einen Zwiebelrostbraten. Der ist selbstverständlich auf den Punkt gebraten und bekommt mit Pfifferlingen und knusprig frittierten Zwiebeln eine üppige Auflage. Sehr gelungen auch die wunderbar gebackenen Kartoffelknöpfle und das Senfgurken-Gemüse. Das alles ist tolle, klassische Wirtshausküche, wie man sie sich nicht viel besser wünschen kann.

Geschmorter Rostbraten vom steirischen Vulkanlandochsen / Röstzwiebel / Gurkerl-Senf / gebackene Erdäpfelnockerl
Geschmorter Rostbraten vom steirischen Vulkanlandochsen / Röstzwiebel / Gurkerl-Senf / gebackene Erdäpfelnockerl

Auch ich bin mit meinem Hauptgang aus dem Menü nicht weniger zufrieden. Der Hirschkalbrücken ist rosa gebraten, die Schlangenbohnen dazu passend, die Polenta vielleicht etwas arg großzügig bemessen. In einer separaten Cocotte gibt es als geschmortes Stück zartes Osso Bucco mit Pfefferonis und einer würzigen Chimichurri. Im Grunde sind dies zwei sehr unterschiedliche Gerichte, beide sehr gut, wobei ich eine leichte Präferenz für das Schmorstück habe.

Die Portionen sind üppig bemessen, weshalb sich mein Mann nur noch für Sorbets begeistern kann. Die Auswahl umfasst allerdings auch fünf Sorten und die Nocken, elegant auf einem Eisblock platziert, sind auch nicht gerade klein geraten. Der Service lässt uns hingegen raten, um welche Sorten es sich handelt, was sich als gar nicht so leicht erweist. Unsere Trefferquote liegt mit eins zu vier zwar erschreckend schlecht, dafür sind die Sorbets (Apfel-Anis, Kornellkirsche, Kiwi, Heidelbeere und Erdbeere) ausgesprochen köstlich.

Die Sorbetvariation
Die Sorbetvariation

Mein Teller bietet ein vielfältiges Potpourri von Waldmeisterparfait mit karamellisierter Hülle, gebackenem Grießknödel, Schokoladenmousse und diversen Früchten. Alles für sich gut, aber mir insgesamt ein bisschen zu bunt, sprich: weniger hätte es auch getan. Aber ich bin nicht unzufrieden.

Karamellisiertes Waldmeisterparfait / Weißes Schokoladenmousse / Grießknöderl / Wassermelone / Ribisel
Karamellisiertes Waldmeisterparfait / Weißes Schokoladenmousse / Grießknöderl / Wassermelone / Ribisel

Da ich das Menü bestellt habe, komme ich noch in den Genuss von zwei Petits Fours in Form eines Mandelfinanciers mit Orangencreme und Zitronengel sowie einem frisch gebackenem Churro.

Etwas eigenartig finde ich es schon, dass nur ich am Tisch das bekomme, auch wenn es im Menü so vorgesehen ist. Aber geteilte Freude ist ja bekanntlich doppelte Freude und so darf meine bessere Hälfte natürlich abbeißen.

Petit Fours
Petit Fours

Mittlerweile ist es spät geworden, nur noch ein weiterer Tisch ist besetzt und wir sind schon mit dem ersten Abend sehr zufrieden.

Terrasse
Terrasse

Übernachtet man im Hotel, beginnt man den Tag bei schönem Wetter im Garten mit einem hervorragenden servierten Frühstück, das zu den besten gehört, das wir in diesem Urlaub genießen durften.

Am Abend soll es für uns die Gourmetküche sein und so nehmen wir im linken Teil des Restaurants Platz, der auch vom Interieur her den Fine Dining-Anspruch deutlich macht.

Interieur Restaurant
Interieur Restaurant

Es beginnt mit vier Snacks, die ein Spektrum von erdig bis fruchtig abdecken. Besonders gut gefällt mir die mit reichlich Umami punktende Buchweizen-Tartelette mit Trüffelbutter, mariniertem Kohlrabi und frisch geriebenem Trüffel. Aber auch der Leinsamencracker mit Steinpilzcreme und Bärlauchblüten, der Heidelbeer-Burger und das Teigkörbchen mit luftig-schaumiger Tomatenmousse machen durchgehend Spaß.

Sommerlich frisch wird es auch mit dem Amuse Bouche, in dem Richard Rauch marinierte Tomaten mit einem Joghurtespuma und Basilikum-Szechuan-Eis kombiniert, was in Summe ein ausgewogenes Süße-Säure-Spiel liefert.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Statt Brot kommen Köche, die auch im Laufe des Abends die Gänge an den Tisch bringen, mit einer Backform, in der frisch gebackene und noch warme Zwiebelbuchteln verlockend duften. Dazu wird Ziegenbutter auf Petersilienöl und Kapuzinerkresse-Limetten-Salz serviert. Die Buchteln sind warm, fluffig und von prägnantem Zwiebelgeschmack. Davon hätte es gerne auch noch eine zweite sein dürfen.

Zwiebelbuchtel / Ziegenbutter / Salz
Zwiebelbuchtel / Ziegenbutter / Salz

Im Gourmetrestaurant gibt man sich ganz in die Hände der Küche. Abneigungen und Allergien werden natürlich abgefragt, aber ansonsten gibt es ein Überraschungsmenü in drei, fünf oder sieben Gängen (95,-€ / 135,-€ / 165,-€). Wir wählen die mittlere Version und starten mit einer Vorspeise, die das Thema Zucchini in den Mittelpunkt stellt. Auf einem Johannisbeer-Paprika-Gelee befinden sich Zucchiniblüte, -schaum- und scheiben. Fruchtig, säuerliches Gelee trifft auf cremige Füllung, in der ich Kartoffel und Frischkäse ausmache. Feine Crumbles bringen Textur, die Chimichurri hätte durchaus deutlichere Schärfenoten beisteuern können, aber insgesamt ist das sehr abwechslungsreich.

Zucchini / Johannisbeer-Paprika-Gelee / Chimichurri
Zucchini / Johannisbeer-Paprika-Gelee / Chimichurri

Vegetarisch bleibt es auch im folgenden Gang. Die Steinpilzsaison hat gerade begonnen und die ersten Exemplare werden hier gebraten, als Schaum und roh gehobelt ganz in den Vordergrund gestellt. Ein Miso-Yuzu-Schaum unterstützt den Umami-Charakter und fasst das Ganze nur marginal asiatisch ein. In jedem Fall eine schöne Produktpräsentation.

Steinpilz / Miso-Yuzu-Schaum
Steinpilz / Miso-Yuzu-Schaum

Aromatisch schaltet die Küche jetzt wieder einen Gang zurück und das, obwohl jetzt die erste fleischliche Komponente des Abends ins Spiel kommt. Aber die Blunzen, also Blutwurst, ist zurückhaltend gewürzt und fügt sich harmonisch in das kunstvolle Arrangement aus Kartoffel-Flan, Gurkenkügelchen und burgenländischem Wasabi ein. Letzterer ist so punktuell eingesetzt, dass Schärfe kaum spürbar ist. Würde es nicht angesagt, wären auch die Grammeln, aus der die Hippe gemacht wurde, als solche nicht zu erkennen. Das Ganze badet in einer schaumigen, milden Beurre Blanc und könnte, wären da nicht die Blutwurst und Grammeln, auch fast als vegetarisch durchgehen.

Kartoffelflan / Blunzen / Wasabi
Kartoffelflan / Blunzen / Wasabi

Schweinerücken, mager und saftig, spielt die Hauptrolle im Hauptgang. Dazu gibt es mit Faschiertem, also Gehacktem gefüllte Spitzpaprika. In der Fülle mache ich noch Buchweizen aus, würde es aber nicht beschwören. Eines der Probleme bei Überraschungsmenüs: Wenn man nicht permanent alles nachfragen will, was entweder nicht angesagt wurde oder man bei der Fülle an Zutaten wieder vergessen hat, muss man sich halt auf seinen Geschmack verlassen. Kräuterschaum, eine pointierte Sauce sowie ein Chip mit Kümmel unterstreichen den kräftigen und aromatisch dichten Charakter des Gerichtes, das aber überhaupt nicht mächtig daherkommt. Sehr gut.

Schweinerücken / Spitzpaprika
Schweinerücken / Spitzpaprika

Honig ist derzeit ein beliebtes Thema in den Spitzenküchen. Das mag zum einen daran liegen, dass mittlerweile viele Köche auch eigene Bienenstöcke halten oder zumindest mit regionalen Imkern zusammenarbeiten. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es mittlerweile so schöne Silikonformen in Wabenform gibt, die förmlich dazu einladen, Honig zu inszenieren. Bei Richard Rauch kommt er als Mousse zum Einsatz, gemeinsam mit Joghurteis, Akazienblüten und geeisten Perlen. Zitrusgel am Boden verhindert, dass es zu süß gerät. Ein Hauch Bitterkeit sowie ein säuerlicher Touch sind hier angenehm ausgewogen. Ein schönes und zudem hübsch präsentiertes Dessert.

Bienenhonig / Joghurteis
Bienenhonig / Joghurteis

Mit dreierlei süßen Kleinigkeiten schließt das Menü. Eine Orangen-Safran-Mousse mit Kumquat, ein Kürbiskernküchlein mit Salzkaramell und Kürbiskrokant sowie erneut ein Churro, diesmal mit Vanillecreme und Beeren gefüllt sind allesamt gut gearbeitet und köstlich.

Verglichen mit dem Menü, das wir hier bei unserem letzten Besuch hatten, immerhin auch schon wieder vor vier Jahren, war dieses nicht weniger kreativ, aber in vielen Details schon merklich verfeinert. Auffällig war dann doch, dass vegetarische Gerichte mittlerweile einen deutlich stärkeren Anteil einnehmen. Das mag damit zusammenhängen, dass Richard Rauchs Frau Vegetarierin ist und er sich auch aus diesem Grund stärker mit dem Thema beschäftigt. Aber die Art und Weise, wie er Gemüse einsetzt und kombiniert, wirkt sehr selbstverständlich und absolut gleichberechtigt. Trotzdem hätte ich mir an diesem Abend zumindest einen Fischgang gewünscht. Aber vielleicht hätten wir dafür einfach das große Menü nehmen müssen.

Dass auch Richard Rauchs Küche ganz in der Region verwurzelt ist, überrascht nicht. Faszinierend finde ich, und da ist durchaus auch eine Parallele zu Andreas Döllerer zu erkennen, den wir zuvor besuchten, wie eigenständig sich dieser Stil präsentiert. Hier findet sich eine Handschrift, die kreativ und jenseits des Mainstreams liegt. Dass das aber auch in der abgelegenen Provinz funktioniert, beweist die volle Belegung.

Und noch eine Parallele ist auffällig: Das Konzept einer modernen Gasthausküche, kombiniert mit kreativem Fine Dining funktioniert auch hier prächtig. In Deutschland fallen mir hier nicht allzu viele vergleichbare Häuser ein, als erstes aber natürlich die „Stembergs“. Dass alle drei Mitglieder bei den Jeunes Restaurateurs sind, mag Zufall sein. Auf jeden Fall sind es drei Beispiele, in denen Gäste auf jeden Fall glücklich werden, denn wer hier nicht fündig wird, dem ist nicht zu helfen.

„Geschwister Rauch“, vormals auch als „Steirawirt“ bekannt, ist natürlich nicht nur Richard Rauch in der Küche. Seine Schwester Sonja zeichnet für den Service und vor allem für die beeindruckende Weinauswahl verantwortlich. Die ist so gastfreundlich kalkuliert, dass man sich nicht zurückhalten muss. Und wenn man dann auch noch ein Zimmer im gegenüberliegenden Hotel hat, schon erst recht nicht.

Details

Restaurant: Geschwister Rauch
Adresse: Trautmannsdorf 6, 8343 Bad Gleichenberg
Öffnungszeiten: Dienstag: ab 17.00 Uhr
Mittwoch - Samstag: 11.30 - 15.00 Uhr & 17.30 - 23.00 Uhr
Ruhetage: Sonntag + Montag (April - Oktober), Sonntag - Dienstag (November - März)
Website: www.geschwister-rauch.at/

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Kommentare

  1. Carsten am 18. Oktober, 2022 um 19:52 Uhr.

    Was für eine feine Gaumenreise durch Österreich! Mir gefällt das Wirtshaus Menü fast ein wenig besser……..

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