Doubek, Wien

Der Name Stefan Doubek dürfte außerhalb Österreichs nicht vielen etwas sagen. Und doch ist der Start seines eigenen Restaurants „Doubek“ im achten Wiener Bezirk Ende Oktober vermutlich nicht nur bei unseren Nachbarn eine der spannendsten Neueröffnungen überhaupt, sondern auch weit darüber hinaus.

Auch wir sind zunächst nur wegen einer sehr euphorischen Kritik über ein Essen an seiner früheren Wirkungsstätte, der „Umar Fisch Bar“ am Naschmarkt auf ihn aufmerksam geworden. Als im Sommer klar war, dass wir im November nach Wien reisen wollten, war also eine Reservierung fest vorgesehen, aber zu dem Zeitpunkt nicht mehr möglich, weil Stefan Doubek zusammen mit seiner Partnerin Nora Pein da schon nicht mehr dort tätig waren und bereits mitten in der Umsetzung ihres eigenen Projekts. Mit etwas Geduld war dann ab Mitte September eine Reservierung möglich und so sind wir nun, nur wenige Wochen nach dem offiziellen Start, vor dem Eckhaus, das von außen keinerlei Blick nach innen erlaubt.

Außenansicht
Außenansicht

Am Eingang steht ein soignierter, älterer Herr im langen, dunklen Mantel, der für den Empfang zuständig ist. Er geleitet uns nach innen, nimmt uns die Jacken ab, führt uns in die Lounge und wünscht uns einen angenehmen Abend. Namen werden keine abgefragt. Alles atmet etwas sehr vornehm Gediegenes, wäre da nicht das ultra-moderne Interieur, in dem schwarz die dominierende Farbe ist. Die Lounge befindet sich einige Stufen herauf, während es später in den Speisesaal ins Untergeschoss gehen wird. Das hat von der Gestaltung und wie es inszeniert wird, durchaus etwas Spektakuläres.

Im ersten Moment kommt etwas „Frantzén“-Feeling auf, wenngleich es außer dem Apéritif nur ein Handtuch zur Erfrischung und etwas luftiges Knabbergebäck gibt, das etwas undefinierbar bleibt, aber einen angenehmen Fischgeschmack, eventuell von gepuffter Haut, hat. Aber durch den Smalltalk, mit dem die Gäste von Nora Pein begrüßt werden, fühlt man sich gleich sehr willkommen.

Der eigentliche Restaurantraum ist sehr geradlinig gestaltet mit einer offenen Küche am Kopf, die ausschließlich von einem Holzofen beheizt wird. Elektrische Herdplatten wird man hier vergeblich suchen, auch der Herd speist sich aus dieser Hitze, ganz so, wie zu Großmutters Zeiten also.

Es gibt ein Menü (235€), das heute 19 Positionen aufweist mit Schwerpunkt auf Fisch und Meeresfrüchten.

Küche
Küche

Die ersten Kleinigkeiten sind als Fingersnacks gearbeitet und werden recht zügig hintereinander serviert. Den Auftakt macht eine Tartelette von Auster und Sellerie, über die am Tisch noch frisch Sudachi gerieben wird. Das ist vor allem weich, cremig und sehr mild. Der Austerngeschmack tritt hier sehr in den Hintergrund, so dass dies auch für Nicht-Austernesser problemlos zu genießen wäre.

Deutlich prägnanter wird es mit dem Knusperröllchen, in dem sich ein Tatar von der Rotgarnele findet, das durch Senfgurke einen säuerlichen Einschlag bekommt. Obenauf eine Scheibe geräucherten Schinkens von der Txogitxu-Kuh. Ein leichtes Raucharoma zieht sich durch diesen sehr schönen Happen.

Weiter geht es mit einer weiteren Tartelette, die ihre dunkle Farbe durch die Verwendung von Blut erhalten hat, was sich aber geschmacklich nicht auswirkt. Von typisch süßlichem Ton hingegen die Füllung von Taschenkrebs und Kren, eine durch und durch klassische Kombination. Der Dill ist etwas grob gezupft und bleibt etwas lange und unangenehm am Gaumen, so dass ich viel Wasser benötige, um ihn freizubekommen.

Der letzte Snack ist ein Takoyaki, also ein heiß ausgebackenes Bällchen, das in diesem Fall mit Otoro, dem fetten Teil des Thunfischbauchs, gefüllt ist und ein Topping von Ingwer erhält. Heiß und fettig geht sowieso immer. Ob es dafür allerdings dieses edle Teil vom Thunfisch benötigt hätte, das kaum als solches erkennbar ist, lasse ich mal dahingestellt.

Das nun servierte Haferflockenbrot mit locker aufgeschlagener, gereifter Butter ist luftig und lecker, aber nicht spektakulär.

Haferflockenbrot · Gesalzene Butter
Haferflockenbrot · Gesalzene Butter

Der, wenn man so will, erste richtige Gang liefert dann auch das erste richtige Highlight. Dry aged Hamachi serviert Stefan Doubek in einem mit Kaffirlimette aromatisierten Sud. Dazu gibt es in Soja eingelegte Bärlauchblätter, die dadurch eine Anmutung von Algen bekommen. Dies alleine ist schon hervorragend, aber den besonderen Kick erhält das Gericht durch die am Tisch zugegebene XO-Sauce, die außerordentlich kräftig ausfällt, aber auch eine ungeahnte aromatische Tiefe zeigt. So beliebig Hamachi mittlerweile auf allen Speisekarten der Welt geworden ist, so außergewöhnlich gut ist dieses Gericht geraten.

Hamachi · XO · Bärlauch
Hamachi · XO · Bärlauch

Das hervorragende Niveau setzt sich auch mit dem argentinischen Carabinero fort, der nahezu vollständig verarbeitet wurde. Die knusprige Auflage basiert auf den gemörserten, getrockneten Füßen, die Sauce auf dem aromatischen Inneren der gerösteten Köpfe. Dazu gibt es eine Hollandaise basierend auf Tamari, einer glutenfreien Sojasauce. Der Eigengeschmack des Carabineros ist großartig herausgearbeitet, was diesen Gang zu einer formidablen Produktpräsentation macht.

Carabinero · Tamari · Zitrone
Carabinero · Tamari · Zitrone

Die über Holzkohle gegrillte Jakobsmuschel ist ebenfalls und wie kaum anders zu erwarten von exzellenter Qualität. Aber die Hauptrolle spielen hier eigentlich vor allem die begleitenden Komponenten, das Topinamburpüree und vor allem die Sauce auf Basis einer klassischen französischen Zwiebelsuppe. Die ist einfach zum Reinknien gut. Zusammen mit der Auflage aus Zwiebelringen und knusprigen Elementen ist das ganz großartig.

Jakobsmuschel · Topinambur · Sherry
Jakobsmuschel · Topinambur · Sherry

Weiter geht es mit in dünne Streifen geschnittene zarte Calamari in einer würzigen, sahnigen Wurzelspecksauce. Der Speck ist zwar nicht dezidiert zu schmecken, aber die Sauce hat gute Power und Fülle. Im Petersilienöl sind die Stängel verarbeitet, was das Gericht wunderbar abrundet. Erneut ganz toll.

Calamari · Wurzelspeck · Petersilie
Calamari · Wurzelspeck · Petersilie

Eine wahre Umamibombe folgt mit dem Eierstich und Morning Glory, also thailändischem Wasserspinat. Dazu gibt es Faschiertes vom Huhn mit Nüssen, außerordentlich würzig angemacht. Angegossen wird dann noch eine Brühe aus Hühnerfüßen. Das hat alles mächtig Wumms und eine ordentliche Schärfe, ist aber von großer Komplexität und Tiefgründigkeit. Meiner besseren Hälfte ist das zwar grenzwertig scharf, aber für mich das nächste Highlight in einem an herausragenden Gerichten schon jetzt nicht armen Menü.

Eistich · Maishuhn · Wasserspinat
Eistich · Maishuhn · Wasserspinat

Nach diesem aromatischen Paukenschlag schaltet die Küche jetzt zwei Gänge zurück. Der Wolfsbarsch wird von einer milden Mandelsauce weich umspielt. Rousong, eine Zubereitung aus getrocknetem Fleisch, in diesem Fall aus Schweinebauch, ähnelt etwas Wolle und liefert hier mehr Crunch, als dass es wirklich Geschmack beisteuert. In Summe ist das immer noch sehr gut, aber die Erwartungshaltung war ein wenig höher.

Wolfsbarsch · Mandel · Rousong
Wolfsbarsch · Mandel · Rousong

Auch im nächsten Gang geht es mehr um einen Geschmacksakkord als um einzeln erkennbare Zutaten. Auf einer Creme von Entenleber findet sich ein Ragout von Entenleber und Aal in einer Liebstöckelsauce. Das ist alles sehr süffig und das dazu gereichte Bao Bun ist demnach auch zum Aufwischen der Sauce gedacht.

Aal · Entenleber · Liebstöckel
Aal · Entenleber · Liebstöckel

Die dry aged Challans-Ente, die die herzhaften Gerichte beendet, wurde im Ganzen bereits vor einigen Gängen an allen Tischen präsentiert. Gegart wurde sie über einen langen Zeitraum den gesamten Tag über und final mit Honiglack glasiert. Das Ergebnis kann sich sehen und schmecken lassen. Die Ente ist auf den Punkt rosa und vor allem mit der Szechuan-Pfeffer-Kruste sehr aromatisch. Dazu gibt es eingelegten Rettich und eine kräftige, klassisch reduzierte Jus. In dieser Konzentration, die ganz das Hauptprodukt in den Mittelpunkt stellt, ist das sehr überzeugend.

Mit von Klebreis ummanteltem Sesam geht es weiter. Der Sud von Powidl, reichlich brauner Butter und Muscovadozucker ist für mich in erster Linie ziemlich süß und mit dem Klebreisbällchen dann auch etwas mächtig.

Deutlich mehr nach meinem Geschmack ist da das Johannisbeerragout mit Tahitivanilleeis und Crème Chantilly. Das ist sehr klassisch, mit schöner Säure und sehr gut.

Noch besser gerät das weiße Schokotörtchen mit Luftschokolade in einer ausgezeichneten Salzkaramellsauce. Das Blattsilber als Deko ist hübsch anzuschauen, aber ebenso wie bei der Goldvariante geschmacklich entbehrlich.

Schokolade · Salzkaramell · Malz
Schokolade · Salzkaramell · Malz

Auch der mit einer sehr luftig leichten Mascarpone-Kardamom-Crème gefüllte Windbeutel weiß sehr zu gefallen. Der Baiser wird am Tisch mit Holzkohle abgeflämmt. Etwas Show muss halt auch hier sein, vor allem wenn offenes Feuer in der Küche eh so eine zentrale Rolle spielt.

Choux · Mascarpone · Kardamom
Choux · Mascarpone · Kardamom

Die letzten Positionen auf der Menükarte sind den Petits Fours gewidmet, als da wären Brombeergelee, Nougat de Montélimar und Cannelé. Letzteres ist ja eh meine Lieblingssüßigkeit und so bin ich immer gespannt darauf, wie sie ausfallen. Hier wurde 10-jähriger Rum und Bora Bora-Vanille verarbeitet, was zwangsläufig zu vollem Geschmack führt. Auch die Kruste ist schön krachend geraten. Nur innen hätte es für meinen Geschmack noch etwas mehr gebacken sein können. Aber lecker bleibt es natürlich trotzdem.

Was Stefan Doubek und Nora Pein hier geschaffen haben, ist schon durch und durch beeindruckend. Von der Gestaltung des Restaurants mit seinen verschiedenen Bereichen, dem sehr zugewandten und kommunikativen Service zu der aromenstarken Küche atmet alles hier den Anspruch, in der Spitze mitzuspielen. Das mag im Moment noch etwas (über-)inszeniert wirken, aber ich denke, dass sich da im Laufe der Zeit noch eine größere Selbstverständlichkeit einspielen wird.

Dass man bei einem neuen Konzept nicht das Rad komplett neu erfinden kann, versteht sich von selbst. So sind Assoziationen an Konstantin Filippous Restaurant oder an die Küche vom „Jordnaer“, auch angesichts dessen, dass dies auch Stationen in Doubeks Vita sind, kaum verwunderlich. Aber was spricht dagegen, sich an solchen Adressen zu orientieren?

Stefan Doubek macht mit seiner Küche jedenfalls deutlich, dass ihm ein Stern, der eh sicher sein dürfte, kaum reichen wird.

Details

Restaurant: Doubek
Adresse: Kochgasse 13, 1080 Wien
Öffnungszeiten: Mittwoch - Samstag & Feiertags: ab 17.00 Uhr
Jeder 1. Sonntag im Monat: ab 15.00 Uhr
Sonntag - Dienstag: Ruhetag
Website: www.restaurantdoubek.at/

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