Pramerl & the Wolf, Wien

Von außen betrachtet könnte man dieses Lokal im Servitenviertel auch leicht für eine etwas  in die Jahre gekommene Studentenkneipe halten – wäre da nicht die rote Michelinplakette mit dem Stern neben dem Eingang.

Betritt man dann das kleine Restaurant, ist man auch gleich mitten im Geschehen. Der Raum verfügt nur über fünf Tische und zwei Plätze direkt an der Bar. Es kommt also sofort eine sehr intime Atmosphäre auf, in der wir uns gleich wohlfühlen.

Viel auszuwählen gibt es nicht, denn es wird nur ein Menü serviert. Art und Umfang bleiben zunächst offen. Die Menükarte gibt es erst am Ende des Abends. Das Menü kostet unter der Woche 150€, am Wochenende 170€. Auch die Weinbegleitung ist mit 90€ bzw. 110€ abhängig vom Wochentag.

Da man sich hier vor allem auch naturbelassenen Weinen widmet, wählen wir aus der gut sortierten Weinkarte, die auch konventionellere Flaschen enthält und werden dort, auch mit Hilfe von Simone Andreoli, der als Sommelier und Maitre fungiert, gut fündig.

Die ersten Snacks erreichen uns in zügiger Reihenfolge. Es beginnt mit einer Tartelette von Knollensellerie und Jakobsmuschel mit gehobelter Gänseleber. Ich meine, auch einen Hauch Soja zu schmecken. Das ist in jedem Fall sehr süffig und hallt lange nach.

Beeindruckend auch das Rote Bete-Röllchen, das mit Otoro, Shiso und Himbeer-Ponzu gefüllt ist. Das changiert zwischen erdigen und fruchtigen Noten und ist ebenso gelungen.

Die nächste Tartelette kombiniert Beef Tatar und Kaviar, also einen durchaus gängigen Geschmacksakkord, der hier aber durch Auster und Estragon noch eine zusätzliche Ebene erhält. Es entsteht ein wunderbar jodiger Touch, der ebenfalls lange anhält, ohne den Fleischgeschmack zu überdecken.

Amuse Bouche III
Amuse Bouche III

Weiter geht es mit gegrillten Pimientos, gefüllt mit Gouda. Dabei ist der Käse zwar präsent, aber nicht aufdringlich. Es ist cremig und originell.

Den Abschluss der Grüße markiert eine pochierte, vorgeschnittene Auster mit Kapernblättern, Zitrone und Mandeln. Das zeigt einen klaren und typischen Austerngeschmack, der aber auch mit der mild-säuerlichen Umspielung noch gut für Puristen geeignet ist.

So exzellent und kreativ bereits diese ersten Grüße ausfallen, so eigenständig wird hier auch der Brotgang inszeniert. Der kommt in Form eines mit Knochenmark gearbeiteten Brandteigs, zu dem Crème fraîche mit Salat, Thymian und Trüffel gereicht wird. Das ist ein schlotziges Vergnügen, süffig und lecker, aber welches Fettgebackene ist das nicht? Nur der Trüffel geht hier ein wenig unter.

Wenn man so will, startet das Menü mit dem ersten regulären Gang, einem Stör vom Grill. Die Beurre Blanc weist eine schöne Säure auf, die Gurkenkügelchen geben einen wunderbaren frischen, leicht säuerlichen Ton. Der Kaviar dazu ist gut, aber nicht zwingend notwendig. Ein sehr guter Auftakt.

Stör / Gurke / Zitronenverbene
Stör / Gurke / Zitronenverbene

Es folgt ein Signature Dish im „Pramerl & the Wolf“, die „Carbonara“ von Tintenfisch. Die Stücke von Calamari sind super zart, getrocknetes Eigelb, fermentierter Pfeffer variieren das Carbonara-Thema sehr schön. Geräucherter Aal statt Speck sorgt für Tiefe und setzt schöne Akzente. Das ist insgesamt sehr schlotzig und cremig. Das Upgrade mit weißem Trüffel hat für meinen Geschmack nicht viel Mehrwert gebracht, da er mir nicht sehr intensiv scheint.

Calamari / Räucheraal / Parmesan
Calamari / Räucheraal / Parmesan

Weiter geht es mit bretonischem Steinbutt, Artischocke auf zweierlei Art und Haselnüssen. Letztere geben einen schönen Crunch. Dazu gibt es einen Schaum von Vin Jaune, der etwas blass bleibt. Dafür sorgt die Iberico-Sauce für einen sehr fleischigen, kräftigen Kontrast zum feinen Fisch. Trotz der Einschränkung beim Vin Jaune-Schaum ist dies ein toller Gang.

Steinbutt / Artischocke / Vin Jaune
Steinbutt / Artischocke / Vin Jaune

Das hohe Niveau hält auch die Wachtel mit Sonnenblumenpanade. Das Fleisch ist perfekt rosa gebraten und sehr zart, die gerösteten und geräucherten Brokkolitriebe steuern kräftige Aromen bei. Trüffelbutter und Trüffel setzen hier gute Akzente, Sonnenblumenkerne einen schönen Crunch und erneut ist die Sauce auf Sake-Basis super-süffig. Ein wunderbarer, sehr eigenständiger Gang.

Wachtel / Brokkoli / Trüffel
Wachtel / Brokkoli / Trüffel

Es folgt Rehrücken, selbstverständlich perfekt gegart und begleitet von Chicoree, Topinambur und Knollenziest. Letztere liefern ein schönes Texturspiel. Die Sauce ist gut reduziert und intensiv. Ohne Frage ist auch dies sehr gut, aber vergleichsweise konventionell.

Reh / Topinambur / Chicorée / Kaffee
Reh / Topinambur / Chicorée / Kaffee

Richtig üppig wird es mit dem Germknödel, der mit Powidl, also Pflaumenmus und schwarzem Knoblauch gefüllt ist. Auf den ersten Blick mutet das wie eine Süßspeise an, aber sehr schnell wird klar, dass wir hier noch im herzhaften Bereich unterwegs sind – und wie! Die Dampfnudel ist bestreut mit getrockneter Morchel und Zwiebeln und die Sauce von geschmolzenem Vacherin Mont d’Or. Das ist nichts für Kalorienzähler und ja, mir ist auch ein bisschen viel Butter im Spiel, selbst wenn es Trüffelbutter ist, aber das ist so verdammt köstlich. Allerdings hätte es die Hälfte an dieser Stelle des Menüs auch getan.

Vacherin / Powidl / Germ
Vacherin / Powidl / Germ

Da kommt das folgende Sorbet von Thai-Basilikum als Pré-Dessert gerade recht, wenngleich es sehr kräutrig und herb ausfällt. Auch wenn die Cashews für ein schönes Texturspiel sorgen, hat es die Ananas gegen das Sorbet arg schwer. Für mich ist das an der Grenze.

Pré-Dessert
Pré-Dessert

Dafür ist das Dessert dann noch mal ein echtes Highlight. Brombeeren und Hollerkoch sowie eine Sauce von Dulce de Leche sind mit den diversen Keks- und Baiserstücken wunderschön präsentiert. Aber vor allem überrascht das Eis vom Langpfeffer mit einer deutlichen Schärfe, die aber durch die Früchte und die Sauce gut abgepuffert wird. Eine tolle und originelle Komposition.

Langer Pfeffer / Brombeere / Dulce de Leche
Langer Pfeffer / Brombeere / Dulce de Leche

Mit dem Petit Four gibt es dann die Menükarte, die aber nur unzureichend wiedergibt, was für ein Feuerwerk in den letzten drei Stunden abgefeuert wurde. Über den gesamten Abend bestimmte Jazz den Soundtrack der Musikbegleitung und in gewisser Weise trifft dies auch auf die Küche von Wolfgang Zankl-Sertl zu. Dies war zwar kein Free Jazz, aber durchaus einer, der kreative Improvisation mit kontrollierter Performance verband.

Petit Four
Petit Four

Nach dem „Doubek“ am Vorabend erleben wir im „Pramerl & the Wolf“ erneut eine sehr eigenständige Küche, die mit überraschenden Kombinationen und herausragendem Handwerk zu begeistern weiß. Die intime Atmosphäre und die kleine Mannschaft aus Service und Küche, die die Gerichte an den Tisch bringt und erläutert, tragen ebenfalls dazu bei, dass sich das alles hier sehr rund und stimmig anfühlt. Ein echter Wohlfühlort sozusagen.

Details

Restaurant: Pramerl & the Wolf
Adresse: Pramergasse 21, 1090 Wien
Öffnungszeiten: Dienstag - Donnerstag: 19.00 - 24.00 Uhr
Freitag & Samstag: 18.00 - 24.00 Uhr
Sonntag & Montag: Ruhetag
Website: www.pramerlandthewolf.com/

Schlagworte

, , ,

Verwandte Artikel


Kommentare

  1. Kasy Fiskalne am 26. Februar, 2024 um 10:16 Uhr.

    Toller Blog! Als ich all diese Bewertungen las, wollte ich das Haus verlassen und in ein Restaurant gehen und etwas wirklich Gutes und Einzigartiges essen

Dein Kommentar