Haricot, Maastricht
Am 5. September 2025 in Niederlande | 250 Aufrufe | 1 Kommentar
Es gibt ja gute Gründe zu behaupten, dass einen die Deutsche Bahn gerne mal hängen lässt. Bei einem kürzlichen Ausflug nach Maastricht durften wir allerdings erleben, dass die niederländische Bahn das genauso gut beherrscht. Ausgefallene Züge, solche, die nicht dahin fahren, was außen und innen angezeigt wird und Züge, die einfach weiterfahren, auch wenn noch nicht alle Fahrgäste ausgestiegen sind. So wird aus einem entspannten Gang über den bunten und eindrucksvollen Wochenmarkt ein eher hektisches Gerenne, damit wir unsere Reservierung zum Mittagessen noch einigermaßen pünktlich einhalten.
Ein kurzer Anruf, dass wir uns etwas verspäten werden, nimmt aber zumindest schon mal etwas Stress und spätestens, als wir ankommen, wird vom herzlichen Serviceleiter und Sommelier Shiva Brugge jeglicher Druck von uns genommen. Das Restaurant, unweit des Bahnhofs und in Nähe der Maas gelegen, strahlt mit Holzvertäfelungen und Blick in die offene Küche durchaus Gemütlichkeit aus.
Chef in der Küche ist der erst 28-jährige Mathijs van der Boon, der obwohl noch jung an Jahren bereits über beeindruckende Stationen in seiner Vita verfügt. Vom heimischen „Atelier“ in Gulpen über das zweifach besternte „AOC“ in Kopenhagen, das spektakuläre Unterwasserrestaurant „Under“ in Norwegen bis zum „De Librije“ des erst vor kurzem plötzlich verstorbenen Jonnie Boer hat er zahlreiche Erfahrungen, auch in unterschiedlichsten Stilistiken, sammeln können.
Im „Haricot“, seinem ersten eigenen Restaurant, bietet er ein Menü in sechs Gängen (95€) an, das um zwei Gänge und Käse ergänzt werden kann. Uns ist das reguläre Menü heute ausreichend.
Und das startet mit drei vegetarischen Snacks als Fingerfood. Ein knackiges Kopfsalatblatt mit einer Dillcreme und Kapuzinerkresse strotzt vor Frische, während eine Croustade mit Frühlingszwiebeln und ebenfalls einer Creme vor allem markante Zitrusnoten aufweist. Pimientos wiederum sind mit einer Meerrettichcreme gefüllt, die eine schöne pikante Schärfe zeigt.
Auch ein warmes Amuse Bouche folgt noch in Form eines Ragouts von Flusskrebsen, das durch Lorbeeröl und Sambal leicht pikant gerät. Etwas Crunch findet sich auch darin und macht dies zu einem süffigen und abwechslungsreichen Löffelgericht.
Zum krossen und saftigen Sauerteigbrot wird aufgeschlagene Butter mit Algen und mit Sauerrahm gereicht, über die noch gepickeltes Eigelb gehobelt wird. Abgesehen davon, dass ich bekanntermaßen immer weniger ein Fan von aufgeschlagener Butter bin, ist diese zwar schmackhaft und kreativ, aber eben auch etwas speziell. Da das Brot zudem sehr sättigend ist, halte ich mich damit eh zurück.
Der erste Gang des Menüs stellt Hamachi aus Zeeland in den Mittelpunkt als Tatar und Ceviche. Eine Salsa aus Mais und Ananas steuert nur dezente Fruchtigkeit bei, dafür etwas Textur. Ein prägnanter Sud von grünen Tomaten rundet das Ganze sehr ausgewogen ab. Im Nachgang macht sich noch eine ganz leichte Schärfe breit, die aber überhaupt nicht unangenehm ist. Ein runder und guter Auftakt.
Weiter geht es mit einem Rindertatar von einem Züchter aus der ganz nahen Region. Unter einem besonders gelungenen Chip mit gehobelter Gänseleber findet sich noch Aal, was insgesamt einen kräftigen, aber harmonischen Akkord gibt. Die Marinade bleibt eher zurückhaltend, was ich in diesem Fall vorteilhaft finde, weil so die Einzelkomponenten nicht überdeckt werden. Eine sehr gelungene Kombination.
Im Anschluss wird noch ein warmer Beignet mit Pulpofüllung serviert. Die findet sich in einer Creme, in der ein Auszug von Kopf und Gräten des Aals verarbeitet wurden. So würzig und schmackhaft das ist, so empfehlenswert ist es, den Krapfen im Ganzen zu verspeisen. Sonst kann es wie mir passieren, dass ein fetter, weißer Klecks einen wunderbaren Kontrast zum dunkelblauem Oberteil produziert. Das Schicksal eines begnadeten Profikleckerers halt…
Auch wenn ich, abgesehen von der Verarbeitung der Aalkarkassen, den geschmacklichen Kontext zum Hauptteller nicht nachvollziehen kann, ist der Beignet natürlich lecker.
Aromatisch legt der nächste Gang noch mal einen Zahn zu. In einem Sud aus Pilzen und Algen finden sich Scheiben von roher Jakobsmuschel und gebackene Entenleber. Dazu gibt es einen salzigen Salat von vor allem Trüffelseetang, einer Rotalgenart, die tatsächlich einen Hauch von Trüffelgeschmack mitbringt. Optisch vielleicht nicht auf den ersten Blick ein Gewinner, ist der Salat wirklich großartig und unterstützt den vollen Umami-Charakter ganz ausgezeichnet.
Auch die Zutaten des folgenden Gerichts lassen eher einen Geschmacksoverkill erwarten. Der Zander mit einem Ragout von Muscheln, Chorizo, Kräutern und Schneckenbutter sowie die am Tisch auf den Fisch gegebene Pernodsauce sind zwar hocharomatisch, aber nichts wirkt hier überpowert. Dafür passiert hier eine Menge im Mund und erneut ist das überraschend harmonisch. Ebenfalls sehr gut.
Im Hauptgang gibt es Rücken vom Rehbock, dazu ein sehr weichgekochtes Stew mit Haselnüssen. Zur sehr guten Jus wird noch ein Konzentrat von Kohlrabi angegossen. Das schmeckt alles nicht schlecht, aber dass es dennoch hinter den Erwartungen, vor allem nach den vorherigen Gängen, zurückbleibt, liegt vor allem an der Konsistenz des Rückens. Das Fleisch weist eine unangenehm weiche Konsistenz auf, die nach meinem Eindruck auf Sous Vide-Garung schließen lässt, was aber nach Rückfrage beim Service verneint wird. Dennoch schmälert das, zumindest für uns, den Genuss doch ziemlich.
Dafür fällt das anschließende Dessert umso überzeugender aus. Ein Eis von Mädesüß auf einer Creme von Buchweizen harmoniert perfekt mit den in Amaretto marinierten Beeren und Umeboshi. Für ein bisschen Show wird noch frisch in Stickstoff geeister Joghurt über das Ensemble gegeben. So ist dies zwar ein recht einfach konzipiertes, aber auch effektvolles und vor allem geschmacksintensives Dessert.
Zum Kaffee gibt es dann noch eine Praline von Vanille und Tonkabohne sowie ein Baba au Rhum. Der ist in einem Weckglas bereits eingelegt und entsprechend vollgesogen. Mit etwas Kardamomsahne ist das nicht nur lecker, sondern ersetzt auch problemlos den Digestif.
Was Mathijs van der Boon und sein Team aus der kleinen Küche schickt, hat uns ein ums andere Mal überrascht. Auch wenn es mit dem Rehbock zumindest für uns einen kleinen Durchhänger gab, haben uns alle anderen Gänge sehr überzeugt. Hier wird kreativ und spannend kombiniert, munter französische mit nordischer Küche verbunden. Und es geht fabelhaft auf. Einmal mehr haben wir hier, jenseits der Grenze, eine Küche, die mit einer unkonventionellen und eigenen Handschrift aufwartet. Dass das Ambitionen auf höhere Weihen hat, ist offensichtlich und ich wäre nicht überrascht, wenn es nicht bei einer Erwähnung im roten Guide bliebe.
Bei der Rückfahrt nach Köln ist unser Zug übrigens wieder ausgefallen und auch der angekündigte Ersatzbus ist nirgendwo zu finden gewesen. Ein anderer Bus hat uns dann freundlicherweise mitgenommen. Aber angesichts des mehr als gelungenen und angenehmen Mittags spielt das auch schon keine Rolle mehr.
Details
| Restaurant: | Haricot |
| Adresse: | Rechtstraat 88a, 6221 EL Maastricht |
| Öffnungszeiten: | Mittwoch + Donnerstag: 19.00 - 23.00 Uhr Freitag + Samstag: 12.00 - 16.00 Uhr & 19.00 - 23.00 Uhr Sonntag: 12.00 - 16.00 Uhr Montag + Dienstag: Ruhetag |
| Website: | www.haricotmaastricht.nl |
Schlagworte
Gault Millau, Haricot, kreativ, Maastricht, Mathijs van der Boon
Verwandte Artikel
Atelier, Gulpen
18. Apr. 2025Feiertage in Deutschland können oft eine ziemlich trostlose Angelegenheit sein, zumal das öffentliche ... Weiterlesen
Beluga Loves You, Maastricht
8. Nov. 2024Wir waren schon einmal hier. Das ist allerdings mehr als neun Jahre her. ... Weiterlesen
Au Coin des Bons Enfants, Maastricht
7. Nov. 2024Geburtstagswünsche soll man ja ernst nehmen und, wenn möglich, auch erfüllen. Also war ... Weiterlesen
De Leuf, Ubachsberg
2. Nov. 2024In den letzten Jahren haben wir immer mehr die Vorzüge eines ausgedehnten Mittagessens ... Weiterlesen
Noor, Groningen
18. Sep. 2024Letzter Abend in Groningen und für das Abendessen müssen wir diesmal etwas weiter ... Weiterlesen
Nassau, Groningen
17. Sep. 2024In einem der eindrucksvollsten Gebäude Groningens, dem Prinsenhof, haben Gäste die Möglichkeit, in ... Weiterlesen













Abseits der üblichen ÖPNV Probleme war das ein genussvoller Trip bei dem ich gerne dabei gewesen wäre. Schöne Gerichte. Möge die Anreise in zwei Wochen nach Osnabrück besser gelingen. Ich freue mich auf ein Wiedersehen.