
Johanns Living, Bruck an der Mur
Am 12. Juli 2025 in Österreich | 253 Aufrufe | 1 Kommentar
Unser Weg in die Steiermark führt uns dieses Mal nicht auf dem geraden Weg über die Autobahn, sondern kurvenreich durch die Berglandschaft. Da unser gebuchtes Arrangement in der Südsteiermark erst am Sonntag beginnt, planen wir also eine weitere Nacht in Bruck an der Mur an, mit knapp 16.000 Einwohnern zwar auch noch keine Großstadt, aber zumindest die viertgrößte Gemeinde in der Steiermark.
Der Michelin listet hier aber tatsächlich nur ein einziges Restaurant, nämlich das „Johanns Living“, der Gault Millau vergibt konstant drei Hauben.
Das Restaurant wird von Mike Johann und seiner Frau Emilia geführt und ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. In einer Eckvilla bietet man einige Zimmer an, die diesen Namen nicht wirklich verdienen, denn es sind großzügige Suiten, die eigentlich veritable Wohnungen sind. Mit viel Designstücken eingerichtet, hat man sich den Zusatz Boutiquehotel redlich verdient.
Bemerkenswert auch, dass man das Restaurant ohne weitere Hilfen betreibt. Dafür hat man aber auch ein mehr als intimes Ambiente mit nur vier Tischen zu bespielen.
Bei unserem Besuch schmeißt Mike Johann den Betrieb komplett alleine, da sich seine Frau aus gesundheitlichen Gründen schonen muss. Dafür sind es mit uns insgesamt nur vier Gäste plus zwischendurch noch einige Bekannte, die in der Küche im Eingangsbereich, die offenbar für Kochkurse genutzt wird, auch noch nebenbei bespaßt werden.
Dort nehmen wir auch den Apéritif und den ersten Snack ein, eine Tartelette mit Paprika aus dem eigenen Garten und Schafskäse.

Dass Mike Johann überhaupt ein engagierter Gärtner ist, der einen Gutteil seines Gemüses und seiner Kräuter selbst anbaut, werden wir im Laufe des Abends noch erleben.
Am Tisch serviert er uns zum Einstieg „Johanns Abendmahl“. Zweierlei Brot, Natursauerteig und Roggensauerteig, viererlei Butter (Paradeiser, Kurkuma, Brennessel und Kornblume) gesellen sich zu diversen Aufstrichen (Topfen, Kräuter, Linse und Kalbsleber) und zweierlei Hauswurst. Ein famoser Beginn, der lediglich die Gefahr birgt, dass man sich schon zu Beginn komplett satt isst.

Das Menü startet dann mit einem Paradeisergelee als Guglhupf mit einer Creme von steirischem Burrata, Liebstöckelöl, Johannisbeeren und zweierlei sehr aromatischem Basilikum. Das ist so sommerlich, wie es klingt und aussieht und variiert gekonnt das Thema Tomate, Mozzarella und Basilikum.

Der nächste Gang ist dann angekündigt als geeiste Kartoffel. Na ja, von Eis ist nicht viel zu spüren, es ist bestenfalls kühl, aber trotzdem lecker gemacht mit krossen Würfeln von der Wagyu-Wange. Knusprig frittierte Shisoblätter und Liebstöckel runden das sehr aromatische Ensemble ab, das vor allem durch die heißen Fleischwürfel einen schönen Kontrast erfährt.

Als kleinen Einschub serviert Mike Johann einen Cevapcici vom Reh aus der eigenen Jagd. Fein gewolft und kräftig gewürzt kommt es mit BBQ- und Sauerrahmsauce. Das macht richtig Spaß.

Weiter geht es im Menü mit Gurke in Variationen, als kühle, gelierte Mousse im Ring, als Sorbet und als eingelegte Minigurke. Dazu gibt es marinierte Forelle mit gepufftem Buchweizen für den Crunch und eine Kugel von Räucherforellenmousse. Das ist angenehm kühl und frisch, abwechslungsreich und sehr lecker.

Ein Signature-Dish in Mike Johanns Küche ist seit vielen Jahren offenbar die gebratene Gänseleber mit Apfel und kross gebratener Blunz’n, der als Zusatzgang bestellt werden kann. Für meine bessere Hälfte ist das genau die richtige Kombination, so dass er davon Gebrauch macht. Der Gang ist sehr klassisch und gut ausgeführt, changiert gekonnt zwischen süß und herzhaft. Meine bessere Hälfte ist sehr zufrieden.

Ich liebe Gänseleber auch, mag sie allerdings lieber in der kühlen Variante. Kein Problem für Mike Johann, der kurzerhand eine Praline daraus bastelt mit einem Kern aus fester Creme aus Mirabelle und Traube, gehüllt in einen Mantel aus Mandelblättern, was ihr einen spannenden Marzipantouch gibt. Insgesamt ist auch diese Version mit Apfelsegmenten und einer fruchtigen Sauce recht süß, aber ebenso klassisch und gut.

Es folgt noch ein weiterer Zusatzgang in Form einer Sauce mit Duftgeranie, selbst gemachten Backerbsen, geräuchertem Eidotter und gehobeltem, ebenfalls geräuchertem Schottenkäse.
Ein süffiges, schlotziges und köstliches Löffelvergnügen.

Im Hauptgang gibt es ein sehr gut gebratenes Stück vom Wagyurind mit gebratener Wassermelone und Tomatennocken. Vor allem letztere finde ich sehr geschmackvoll und originell. Das ist puristisch und sehr auf die Fleischqualität konzentriert.

Das Dessert variiert dann Maracuja als Panna Cotta in Guglhupfform und einer Crème brûlée mit sehr säuerlichem Sorbet. Dazu gibt es erste Walderdbeeren. Das ist zwar durchaus üppig, aber eben auch recht frisch und handwerklich gut gemacht.

Angesichts der Tatsache, dass Mike Johann den gesamten Abend alleine bestritten hat, Weine ausgewählt und präsentiert hat, auf- und abgetragen hat und zudem am anderen Tisch auch noch eine vegetarische Version gekocht hat, ist die Leistung, die wir hier erlebt haben, umso bemerkenswerter. Hier ist einer am Werken, der sein Handwerk beherrscht, gut vorbereitet ist und scheinbar über unbändige Energie verfügt. Und das alles dabei mit viel Spaß und Charme.
Der spiegelt sich auch in seiner Leidenschaft für Wein wider. Die Weinkarte ist per se schon bemerkenswert, aber dass man auch über ein eigenes Weingut in der Wachau verfügt und zahlreiche Kontakte hat, die ihm – und damit auch uns – spannende Entdeckungen beschert, erhöht den Spaßfaktor noch zusätzlich.
Am nächsten Morgen serviert er uns ein Frühstück, das vieles in den Schatten stellt, das wir anderswo erlebt haben. Insgesamt also ein durch und durch lohnender Zwischenstopp, den wir gerne weiter empfehlen.
Details
Restaurant: | Johanns Living |
Adresse: | Hugo von Montfortgasse 2, 8600 Bruck an der Mur |
Öffnungszeiten: | Montag - Samstag mit Reservierung Sonntag + Feiertag: Ruhetag |
Website: | www.johanns.at/ |
Schlagworte
Boutiquehotel, Bruck an der Mur, Johanns Living, kreativ, Mike Johann, regional, Steiermark
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Wow, DER Zwischenstopp hat sich wirklich gelohnt! Was für eine Leistung; vermutlich hat das Energiebündel noch gespült, durchgewischt und in den reichlichen Pausen die Buchhaltung gemacht…
Ganz tolle Wohlfühl-Küche, die sogar noch mit Wunsch-Praline ergänzt wurde. Bei Gurken-Variationen bin ich gerne dabei, ein etwas unterschätzter Frischekick.