Essig’s, Linz
Am 14. November 2023 in Österreich | 1264 Aufrufe
Wenn Deine Lieblings-Musikgruppe seit mehr als 40 Jahren auf ihrer Weltabschiedstournee nicht nach Deutschland kommt, musst Du eben zu Deiner Lieblings-Musikgruppe kommen. Und wenn es dafür Linz sein muss, dann ist es eben Linz. Der wahre Fan nimmt so etwas auf sich.
Die Suche nach einem passenden Restaurant, mit dem man die Zeit bis zum Konzert überbrückt, gestaltet sich allerdings nicht ganz so leicht. Die gastronomische Szene in der oberösterreichischen Landeshauptstadt ist doch arg überschaubar und die meisten haben dann auch nur abends auf. Eine Ausnahme bietet allerdings das „Essig’s“, das als reines Tagesrestaurant fungiert und in dem man auch am frühen Nachmittag essen kann. Im Gault Millau ist das Restaurant mit 14,5 Punkten gelistet, der Falstaff vergibt stolze 93 Punkte, À la Carte hingegen listet das Haus nur, aber ohne Wertung.
Cornelia und Georg Essig sind seit mehr als 30 Jahren als Gastronomen tätig. Die Entscheidung, die Öffnungszeiten radikal zu verkürzen, war der Erkenntnis geschuldet, dass man eben nicht mehr 20 ist, aber sich auch noch nicht alt genug fühlt für den Ruhestand. Kommt uns in Köln gerade sehr bekannt vor.
Das Restaurant verfügt auch über eine Greißlerei, in der neben kulinarischen Mitbringseln auch allerlei Deko-Artikel gekauft werden können. Und so verwundert es nicht, dass der gesamte, eigentlich geschickt im Halbrund gestaltete Raum einen leichten Deko-Overkill aufweist.
In der Karte beschränkt sich die Küche auf relativ wenige Gerichte, je 2 Vorspeisen, Suppen, Hauptgerichte und Desserts, dazu noch Käse und einige Tagesempfehlungen.
Das obligatorische Gedeck besteht aus zweierlei Brot und ganz fabelhaften Knusperblättern. Aufstriche kann man in Österreich sowieso und da machen auch der Ei-Kren- sowie der Rote Bete-Aufstrich hier keine Ausnahme.
Zum Auftakt serviert der Chef persönlich ein Tässchen Karotten-Ingwersuppe mit einer Blätterteigstange. Letztere ist erfreulich saftig mit einem Hauch Schinken, das Süppchen köstlich und mit feiner Schärfe. Klassisch und gut.
In meiner Vorspeise spielen mit einer Räucherforellenmasse gefüllte Maultaschen die Hauptrolle. Dazu gibt es Creme- und Blattspinat sowie Krensauce. Vor allem der Blattspinat ist herzhaft abgeschmeckt, auch die Krensauce ist von schönem Eigengeschmack. Darüber geht der Räucherforellengeschmack etwas unter, wenngleich die Maultaschen mit schönem Teig zu überzeugen wissen. In Summe ist das eine gute und stimmige Vorspeise.
Mein Mann startet mit einer Steinpilzsuppe mit Ententascherl. Letztere ist wie ein Gyoza angebraten und mit würziger Füllung. Die Suppe selbst weist einen sehr prägnanten Eigengeschmack auf und ist nicht zu stark gebunden. Gefällt mir sehr gut.
Im Hauptgang entscheide ich mich für Hirschrücken, der ganz klassisch mit gebratenen Schupfnudeln und cremigem Speckwirsing serviert wird, Das Fleisch ist auf den Punkt gebraten, die Cassissauce dazu mit nur leicht fruchtigem Einschlag. Dafür liefert ein warmes Wildfrucht-Kompott etwas säuerliche Akzente. Das ist sehr traditionell zubereitet und zeugt gleichzeitig von akkuratem Handwerk.
Aus der Tagesempfehlung wählt mein Mann die halbe Bauernente. Auch die kommt sehr klassisch mit Rotkohl und gebratenen Semmelknödeln. Das Fleisch der Ente ist ausgezeichnet zart und etwas mürbe mit schön knuspriger Haut. Der Rotkohl dazu ist zur Abwechslung mal nicht mit Gewürzen überdeckt, sondern relativ mild gehalten. Auch diese Portion ist überaus großzügig bemessen und nur mit Mühe zu schaffen. Ein paar Semmelknödelscheiben müssen leider wieder den Weg zurück in die Küche antreten.
Nach einer angemessenen Verdauungspause soll es dann aber doch noch Dessert sein. Aus der Tagesempfehlung wird es zum einen ein Dreierlei vom Apfel. Das kommt als Apfel-Tirami Su, Sorbet und Kompott. Vor allem das Tirami Su finde ich besonders originell, denn es hat eigentlich alle Bestandteile der klassischen Version, aber einen deutlichen Apfeltouch. Dazu ist es erstaunlich luftig und leicht. Insgesamt ist das sehr abwechslungsreich und einfach lecker und gut gemacht.
Zum anderen gibt es eine Mascarpone-Creme, die von der Konsistenz ein wenig an Panna Cotta erinnert, aber keinen allzu markanten Eigengeschmack aufweist. Die Stücke vom Kokoskuchen sind knochentrocken und eigentlich nicht zu essen. Das meiste davon bleibt auf dem Teller. Auch das Mangosorbet lässt mich etwas ratlos zurück. Weder die grüne Farbe noch der der Geschmack lassen für mich die Mango erkennen. Irgendwie schmecke ich etwas Banane heraus, mag mich aber auch täuschen, weil es insgesamt etwas undefinierbar bleibt. Mango und Passionsfruchtragout sind hingegen in Ordnung. Aus der eigentlich sicheren Exotiknummer wurde hier meines Erachtens aufgrund zu vieler Schwächen zu wenig gemacht. In Summe ist das zwar hübsch anzuschauen, aber nicht überzeugend.
Besser gelingt da das kleine Nachdessert, das es statt Petits Fours gibt. Ein Joghurttörtchen mit Johannisbeerkompott bietet ein schönes Spiel aus mild und säuerlich. Davon hätte es durchaus etwas mehr sein dürfen.
Georg Essig ist zu lange im Geschäft, als dass er offenbar noch irgend jemandem etwas beweisen muss. Sein Küchenstil ist traditionell, handwerklich sorgfältig – wenn man mal vom Exotikdessert absieht – und geschmacksstark. Dazu gibt es eine Weinkarte, natürlich mit Schwerpunkt auf Österreich, die ausgesprochen gastfreundlich kalkuliert ist.
Den Service bestreitet Cornelia Essig mit ihrem weiblichen Team auf charmante und aufmerksame Weise.
So haben wir die Zeit bis zum abendlichen Konzert auf sehr angenehme Art verbringen können. Und da wir mehr als gut gesättigt sind, war feste Nahrungsaufnahme danach auch nicht mehr notwendig.
Details
Restaurant: | Essig's |
Adresse: | Niederreithstraße 35b, 4020 Linz |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Freitag: 11.00 - 18.00 Uhr Samstag - Montag: Ruhetag |
Website: | www.essigs.at |
Schlagworte
Essig's, Gault Millau, Georg Essig, klassisch, Linz, traditionell
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