Madame X im Off Club, Hamburg (geschlossen)

Man kann von Tim Mälzer halten, was man will, aber er ist ein geschäftstüchtiger Unternehmer, der nicht nur mit Kochbüchern und TV-Auftritten erfolgreich ist, sondern der auch ein gutes Gespür für ausgefallene, aber massenkompatible Gastronomiekonzepte hat.

In einem etwas abgelegenen Industriegebiet in Bahrenfeld realisiert er im Off Club gleich zwei Restaurants in einem. Im Off Club selbst werden solide und gar nicht mal unkreative Gerichte serviert. Zumindest sah es so verlockend aus, dass ich auch das Programm in der Woche noch austestete. Für diese Entscheidung wurde ich im Hauptgang mit einem sensationellen Rind vom Josper Grill belohnt, dem als Beigabe einige köstliche mit Meersalz und Öl im Mörser grob gestampfte Kartoffeln genügten. Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, sollte das Menü zu knapp unter 50 Euro pro Person wählen, bei dem einem der Tisch mit allerlei kalten und warmen Vorspeisen voll gestellt wird, dann der Hauptgang und zum Abschluss noch 3 Desserts, alles zum Teilen und in sehr guter Qualität.

Von dem wild zusammen gewürfelten Möbel-Stilmix inklusive Billig-Plastikstühlen, den man noch auf etlichen Bildern im Internet sehen kann, sollte man sich nicht abschrecken lassen. Das wurde mittlerweile durch geschmackvolleres und bequemeres Mobiliar ersetzt.

Madame X_10_außen
Der Off Club - außen

Aber ich will ja eigentlich über das Madame X berichten. Hierbei handelt es sich um einen separaten Raum inmitten des Off Club, komplett in rot und mit Plüschsofas eingerichtet. Das ist so schrill, dass ich mich schon auf dieses spezielle Ambiente freue – und entsprechend enttäuscht bin, dass man mich im Hauptraum platziert. Aber an dem Abend sei ich der einzige Gast, der Madame X essen möchte und da wäre es auch für mich sicher angenehmer, nicht alleine zu sitzen, erklärt man mir vorab am Telefon. Und es soll sich als richtige Entscheidung herausstellen. Dass man dennoch auch nur für mich das Madame X-Menü kochen will, spricht schon mal für sich.

Gab es zu Beginn noch regelmäßig wechselnde Themen-Menüs, ist man hiervon wohl mittlerweile abgegangen. Das Carte Blanche Menü widmet sich mittlerweile schon seit längerem dem Motto „Schlichte Küche – 100°. 200° – In der Einfachheit steckt die Komplexität“. Und das kennzeichnet auch sehr gut den Stil von Küchenchef Thomas Imbusch.

Dabei ist das erste, das ich serviert bekomme, ganz und gar nicht einfach. Die Auster mit Hühnerhaut kommt in einer bereits betörend intensiv duftenden, leicht gelierten Hühnerbouillon. Ich kann die Nase gar nicht davon lassen. Ähnlich wie bei einem guten Wein könnte ich erst mal ewig riechen, bis ich es probiere. Das riecht komplex, schmeckt dann auch so, aber trotzdem unkompliziert und einfach nur sehr, sehr gut. Was für ein Start!

Hühnerhaut / Auster / Gurke / Lardo
Hühnerhaut / Auster / Gurke / Lardo

Der nächste Gang birgt größte Kleckergefahr. Wildkräuter und Salat sind zu einem Bündel zusammengebunden und sollen auch so direkt gegessen werden. In einer Schüssel sind eine gute Vinaigrette und ein paar schwarze Brösel, durch das man die Blätter zieht und dann direkt isst. Das mag ein wenig archaisch anmuten, passt aber und schmeckt. Großen, nachhaltigen Eindruck indes hinterlässt es nicht.

Kräuter / Essig / Öl
Kräuter / Essig / Öl

Nun kommt frisch gebackenes, herausragendes Brot im Blumentopf, sehr gute Butter und noch besserer Katenschinken. Das Brot soll sich später noch als perfekte Ergänzung zu einem Rheingau-Riesling herausstellen, mit dem ich ansonsten nicht so viel anfangen kann, der aber in Kombination beides noch weiter nach vorne holt.

Brot / Butter / Schinken
Brot / Butter / Schinken

Im nächsten Gang gibt es eine gehäutete und gerollte rote Paprika. Klingt schlicht, ist es auch – wenn da nicht die großartige, intensive Sauce aus Paprika und Kürbiskernöl wäre. Erneut wird eine einfache Zutat unglaublich geschmacksintensiv inszeniert. Und das völlig ohne Variation von diesem und jenem, sondern nur durch einen sehr guten Begleiter.

Paprika / Kernöl
Paprika / Kernöl

Ein weiterer vegetarischer Gang folgt, der Kräuterseitlingen durch Rhabarber eine irritierend rosa Farbe verschafft. Geschmacklich bleibt das trotz der fetten Avocado eher auf der frischen Seite. Mehr bleibt allerdings auch nicht hängen.

Saitling / Rhabarber / Avocado
Saitling / Rhabarber / Avocado

Im Gegensatz zur perfekt gegarten Eismeerforelle, die in einem dichten Rotkohlsaft badet und etwas Selleriepüree an die Seite bekommt. Das ist bei aller Reduktion ganz hervorragend, ungewohnt und dennoch unglaublich süffig.

Eismeerforelle / Rotkohl
Eismeerforelle / Rotkohl

Nicht, dass ich Innereien nicht mag, ganz im Gegenteil. Aber aus gesundheitlichen Gründen und weil ich auf meinen Cholesterinspiegel aufpassen muss, habe ich vorab darum gebeten, sie auszuschließen. Thomas Imbusch überredet mich dann doch dazu, weil es nur ein paar kleine, wenige Stücke von der Wallerleber seien. Nun ja, klein ist wohl relativ. Denn im Teller finden sich vier respektable Stücke, in brauner Butter schwimmend und mit Käse bestreut. Cholesterin adieu! Geschmeckt hat es dafür üppig, fettig, lecker.

Wallerleber / Deichkäse / Pfeffer
Wallerleber / Deichkäse / Pfeffer

Auch im Hauptgang bleibt sich die Küche dem Hauptmotto treu. Es gibt sehr gut gebratenen und geschmacksintensiven Bison und eine schöne Jus. Dazu, wenn man mag, etwas Meerettich-Butter. Mehr braucht es in der Tat nicht.

Birkenhof Bison / Bratensaft / Meerettich
Birkenhof Bison / Bratensaft / Meerettich

Richtig opulent wird es dann aber doch noch. Am Tisch wird das Dessert angerichtet. Ananas, bereits kräftig abgeflämmt, wird noch flambiert. Eine schokoladige Kugel fällt unter der Hitze langsam in sich zusammen, auf der Schiefertafel wird noch Pina Colada-Eis und allerlei Dehydriertes angerichtet. Das ist natürlich ordentlich Feuer- und Showspektakel, aber es riecht gut und schmeckt auch sehr ordentlich. Mengenmäßig ist das aber eher für zwei Personen ausgerichtet. Ich kapituliere jedenfalls nach der Hälfte, bin aber zufrieden.

Ananas / Feuer / Pina Colada
Ananas / Feuer / Pina Colada

Wie mir der gesamte Abend ausgesprochen gut gefallen hat. Schon am Telefon pflegt man das direkte Du, was sich vor Ort fortsetzt und auch überhaupt nicht stört, denn man kümmert sich sehr aufmerksam und irgendwie schafft das auch gleich eine Atmosphäre, eher bei Freunden zu sein. Warum mich ausgerechnet die Sommelière, die für das Menü eine sehr eigenständige und spannende Weinbegleitung zusammen gestellt hat, dennoch siezt, wirft in mir die Frage auf, ob ich wohl doch schon in dem Alter bin, in dem man respektvolle Distanz hält. Schade wär’s…

Thomas Imbusch, der in seinem Lebenslauf Stationen bei Alain Ducasse und Christian Bau vorzuweisen hat, hat einen bemerkenswerten Stil im Madame X entwickelt, den ich so bisher in Deutschland noch nicht erlebt habe. Im besten Sinne einfache Küche, die ohne Firlefanz auskommt, aber dennoch ein hohes Maß an Finesse und und Tiefgründigkeit mitbringt. Das ist komplex, kommt aber ganz unkompliziert um die Ecke.

Als ich ein paar Tage später noch einmal im Off Club bin, ist auch der Madame X-Raum gut besucht und ein überregional bekannter Foodblogger, der sich schon früh als Fan geoutet hatte und ein Hamburger Zweisternekoch sitzen dort einträchtig beisammen. Es gibt schlechtere Referenzen in Sachen Geschmackskompetenz.

Details

Restaurant: Madame X im Off Club
Adresse: Leverkusenstr. 54, 22761 Hamburg
Öffnungszeiten: Di - Sa ab 18 Uhr
So + Mo Ruhetage
Website: www.offclub.de/

Schlagworte

, , , , ,

Verwandte Artikel


Dein Kommentar