
Main Tower Restaurant & Lounge, Frankfurt a.M.
Am 8. Mai 2024 in Deutschland | 2211 Aufrufe | 1 Kommentar
Es geht hoch hinaus – sehr hoch hinaus. In den 53. Stock auf fast 200 Meter, um genau zu sein. Aber die spektakuläre Aussicht auf die Frankfurter Skyline ist nicht der einzige Grund, der Gäste hierher treibt. Dafür könnte man gegen Eintritt auch eine Etage höher auf die Aussichtsplattform fahren. Nein, hierhin kommt man vor allem wegen der Küche von Martin Weghofer, für den das Motto „Hoch hinaus“ auch gelten könnte. Mit bereits 22 Jahren übernahm er die Küchenleitung in Deutschlands vermutlich höchst gelegenem Restaurant, nur zwei Jahre später holte er den Michelin-Stern ins Haus. Hier ist offenbar jemand am Werk, der Ambitionen und das Können hat für höhere Weihen.
Ein Besuch war eigentlich schon vor zwei Jahren fest geplant, fiel aber einer Corona-Infektion zum Opfer. Jetzt bot eine Ausstellung in Frankfurts Caricatura-Museum zu Loriots 100. Geburtstag den geeigneten Anlass, den Besuch nachzuholen.
Und es wäre gelogen, wenn nicht auch mich die Location faszinieren würde. Die Tische im Halbrund des Turms haben alle Logenblick auf den Main, jene an der Bar zudem auf die offene Küche.

Es gibt ein Menü, das in fünf bis sieben Gängen (169€ / 198€ / 212€) geordert werden kann, dazu einige Supplements bzw. Upgrades.
Den Auftakt machen zwei Fingerfood-Snacks. Die Croustade von Hamachi und Forellenkaviar spielt ganz den jodigen Charakter aus und gefällt mir sehr gut. Problematischer fällt hingegen der gebeizte portugiesische Carabinero aus, ein für sich genommen wunderbares Produkt. Hier allerdings gehen die in Scheiben geschnittenen Stücke und die übrigen Zutaten unter der üppigen Menge Brioche unter, so dass im Mund vor allem das Teigige präsent ist. Mit etwas anderer Portionierung oder einer festeren, knusprigeren Unterlage könnte das Krustentier meines Erachtens wesentlich besser glänzen.

Der nächste Gruß variiert das Thema Aal und weißen Spargel in Form einer Tartelette mit warmen Stücken vom Aal mit Spargel und Hollandaise sowie einer Spargelvelouté mit Aalstücken. Beides ist durchaus traditionell gearbeitet, sehr präzise und lecker.

Zum Abschluss der Einstimmungen gibt es noch einmal Fingerfood. Und die Kombination aus Balfégo Thunfisch, Rettich, Kaviar liest sich auch verführerisch. Aber letztlich ist es wieder eine recht weiche Unterlage in Form eines japanischen Pfannkuchens, mit dem sich das fragil zusammengebaute Ensemble nicht unfallfrei und nur in Einzelteilen zum Mund transportieren lässt. Das schmälert leider den Gesamteindruck etwas, ändert aber natürlich nichts daran, dass hier beste Zutaten zusammen kommen.

Zum guten und knusprigen Sauerteigbrot gibt es wunderbare Bordier-Butter, die lediglich etwas zu weich ist sowie eine schöne Gemüsecreme, die mit Parmesan und Colatura di Alici, einer Sardellenwürzsauce, aromatisiert ist.

Mit Scheiben von der leicht gebeizten Makrele aus der Vendée startet das eigentliche Menü. Der Fisch weist eine exzellente Qualität auf und findet sich auf einer Creme von Avocados und Kapern. Die Säure des Suds aus den Karkassen wird davon gut abgepuffert. Den Royal Belgian Kaviar, den es als Upgrade gibt, bräuchte es nicht unbedingt, damit der Gang gut funktioniert. Aber hier macht er schon viel Sinn, da die jodigen und salzigen Noten dem Gericht gut stehen. Ansonsten herrscht hier ein schöner, frischer Charakter vor. Ein sehr guter Auftakt.

Entenleber setzt Martin Weghofer relativ klassisch in Szene. Die Terrine ist traditionell gearbeitet mit leicht karamellisierter Oberfläche. Darunter eine Scheibe etwas kompakter Mousse. Brombeeren, auch als Eis, sorgen für Säure und einen fruchtigen Kontrapunkt, Piemonteser Haselnuss unterstreicht den nussigen Charakter. Auch das separat servierte Brioche ist makellos. Das erfindet das Thema Entenleber zwar nicht neu, ist aber alles äußerst aromatisch und schmeckt einfach gut.
Mit Kohlrabi, der im Salzteig gegart wurde, geht es weiter. Er kommt in unterschiedlichen Konsistenzen, dünn aufgeschnitten, gewürfelt und als dickere Scheibe, was das Gemüse sehr vielfältig präsentiert. Dazu gibt es mit Lachsbauch ein fetteres Stück, das auch sehr gut mit dem umami-lastigen Sud aus Pilzen harmoniert. Die Wasabi-Schärfe, die das Gericht begleitet, ist ausgesprochen gut ausbalanciert, denn sie ist dominant, aber überpowert die übrigen Zutaten auch nicht.

Das prächtige Exemplar vom norwegischen Kaisergranat wird mit Tamarinde und Honig lackiert, abgeflämmt und dann auf den Punkt saftig gegart. Am Boden des Tellers findet sich eine Creme, die mit Mandarine fruchtig abgeschmeckt ist, während die prägnante Krustentiersauce eine feine Säure beisteuert. Dass Martin Weghofer hier als Beilagen lediglich zwei Pak Choi-Röllchen mit Fenchel auf den Teller bringt, zeugt von kluger Beschränkung, um dem Kaisergranat nicht die Schau zu stehlen. Zudem liefern die Gemüse passende herbe Säureakzente. Ein sehr guter Gang.

Es folgt schön rösch und saftig gebratenes Kalbsbries auf einer Version der Frankfurter Grünen Sauce, kräftiger Jus und frischen Erbsen. Die Morchel dazu ist mit Farce gefüllt, möglicherweise mit der angekündigten Kalbszunge, die aber ansonsten etwas undefinierbar bleibt. Das ist ansonsten makellos gearbeitet und legt aromatisch einen deutlichen Gang zu.

Auf den Hauptgang freue ich mich besonders, zum einen, weil es mit Wachtel ein Fleisch gibt, das an dieser Stelle des Menüs nicht so häufig auftaucht und das ich ohnehin sehr schätze. Und zum anderen, weil es mit der Crépinette eine wunderbare traditionelle Zubereitungsart gibt, die feinstes Handwerk verspricht. Und in der Tat kann der Teller das einlösen. Die Crépinette mit einer Kruste von Pinienkernen ist sehr sauber gearbeitet und geschmacksintensiv. Der Couscous mit Salzzitrone ist von lockerer Konsistenz und geht sehr gut zusammen mit den Artischocken, die auch im Espuma verarbeitet sind. Die kräftige Jus rundet diesen sehr abwechslungsreichen Gang gekonnt ab.

Den süßen Teil leitet ein Pré-Dessert ein, das sich ganz der Exotik widmet. Eine Joghurtmousse ist gefüllt mit Nashibirne, Fingerlimes und Maracuja. Dazu gibt es einen Sud von Maracuja sowie ein Sorbet von der Kokosnuss. Das ist säuerlich und extrem frisch, zudem handwerklich ganz vorzüglich gemacht und erfüllt damit alles perfekt, was ich mir von einem Pré-Dessert erwarte.

Ganz vorzüglich gerät auch das Hauptdessert, das in zwei Teilen auf den Tisch kommt. Auf dem Hauptteller spielt ein Pistazien-Namelaka die Hauptrolle. Dazu gibt es Malaga-Erdbeeren, die für mich die besten überhaupt sind. Daraus ist auch noch ein Sorbet gearbeitet. Pistazien und kleine Rhabarberstücke, etwas Gel sowie eine knusprige Pistazienhippe runden dieses bildschöne und extrem aromatische Ensemble ab. Separat gibt es eine Rhabarbergrütze, einen kühlen Schaum von roten Früchten sowie ein Himbeer-Rhabarber-Sorbet. Die Vanille-Miso-Sauce habe ich nicht explizit herausgeschmeckt, aber in jedem Fall ist auch dies angenehm fruchtig und eine schöne Ergänzung zum Hauptteller. War bereits das Pré-Dessert ganz nach meinem Geschmack, kratzt dieses Dessert definitiv an der Zweisterne-Marke.
Auch die Petits Fours können das hohe Niveau halten. Sowohl der Karottenkuchen mit Frischkäse, die Sanddorn-Kondensmilch-Praline als auch der Mürbeteig mit Kombu-Alge und Apfel sowie die gesalzene Erdnusscreme sind allesamt sehr gelungen.
Durften wir uns tagsüber an Loriots unsterblichen Rezepten für Nilpferd in Burgunder oder Walfisch Tiroler Art erfreuen, hat uns dieses Menü von Martin Weghofer und seinem kleinen Team außerordentlich viel Spaß gemacht.
Wie viele andere Köche seiner Generation finden sich auch in seinen Gängen japanische oder asiatische Einflüsse, aber sie sind so pointiert eingesetzt, dass es nie plakativ oder vordergründig wirkt. Die europäische Basis und traditionelles Kochhandwerk stehen hier weiterhin im Vordergrund.
Die Gerichte sind stimmig komponiert und sollen vor allem harmonisch schmecken, was auch durchgehend gelingt. Handwerklich ist das ebenfalls auf eindrucksvollem Niveau. Die minimalen Einschränkungen, vor allem bei den Grüßen, lassen sich meines Erachtens mit kleinen Anpassungen schnell korrigieren. Eine besondere Erwähnung verdient für mich die Patisserie, die das schon hohe Niveau noch ein wenig zu steigern vermochte.
Martin Weghofer ist noch jung an Jahren und er beweist hier bereits ein beeindruckendes Können, das noch einiges erwarten lässt. Und ganz offensichtlich hat er einen Plan, wohin sein Weg noch gehen soll: Hoch hinaus.
Details
Restaurant: | Main Tower Restaurant & Lounge |
Adresse: | Neue Mainzer Str. 52-58, 60311 Frankfurt am Main |
Öffnungszeiten: | Dienstag bis Donnerstag: 18.00 - 24.00 Uhr Freitag & Samstag: 18.00 - 01.00 Uhr Sonntag & Montag: Ruhetag |
Website: | www.maintower-restaurant.de/ |
Schlagworte
Crossover, Frankfurt, japanisch, kreativ, Main Tower, Martin Weghofer, Michelin
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Interessant, wir hatten das exakt gleiche Menü, aber außer den Amuses und den wirklich großartigen Desserts konnte uns nichts überzeugen. (Auch die Atmosphäre/das Interieur des Restaurants nicht).