
Monsieur Jean par Marc Meurin, Lille
Am 28. Oktober 2017 in Frankreich | 1341 Aufrufe
Auf die Empfehlungen des Guide Michelin kann man sich eigentlich immer verlassen, selbst wenn es mal nicht ein besterntes Restaurant oder eines mit einem Bib Gourmand sein soll. Kennt man sich in einer Stadt nicht aus, bietet der rote Guide selbst bei den Erwähnungen oft verlässliche Hilfe.
Und die brauchen wir diesmal, denn wir sind das erste Mal in Lille. Es soll gut, aber nicht zu aufwändig werden und so ist nach gründlicher Recherche die Wahl auf „Monsieur Jean“ gefallen. Umso beruhigender, als eine Kollegin aus Lille, eben dieses Haus auch auf Frage nach einer Restaurantempfehlung benennt.
Erst im Nachhinein erfahre ich durch die Recherche, dass der Zusatz „…par Marc Meurin“ darauf hinweist, dass hier ein Zweisternekoch sein Drittrestaurant betreibt. Das Haupthaus ist im Relais & Chateaux-Hotel „Le Château de Beaulieu“ im nicht allzu weit entfernten Busnes beheimatet. Ein weiteres Lokal, das „L’Atelier“ betreibt er in Lens. Ein gewisses Grundniveau darf man also erwarten im „Monsieur Jean“, das an exponierter Stelle gegenüber der Oper von Lille gelegen ist.
Die Preise sind selbst à la carte noch sehr moderat mit 12-22€ für Vorspeisen, 20-28€ für Hauptgerichte und 10-13€ für Desserts.
Zum Champagner gibt es als Küchengruß ein Parmesan-Sablé mit Frischkäsecreme und ein Süppchen, das irgendwo geschmacklich zwischen Kartoffel und Topinambur angesiedelt ist. Unaufregend, aber die Konsistenz der Suppe ist bemerkenswert seidig.
Ich starte mit einem Tartar vom St. Pierre, das ähnlich einem Ceviche angemacht ist und mit einer schönen säuerlichen Frische zu gefallen weiß. Das recht dominante Kumquats-Gel ist klugerweise nur dezent portioniert. Grapefruit und Orangenfilet unterstützen den Zitruscharakter. Sesam steuert etwas Nussiges bei. Das ist sehr sorgfältig durchdacht und gemacht.
Mein Mann startet mit zwei üppigen und vorbildlich gebratenen Scheiben Foie Gras, die in einer erneut wunderbar weichen Steinpilzcreme baden. Die Karte spricht zwar von einer Bouillon, aber das hier ist definitiv eine Samtsuppe – und zwar eine vom Allerfeinsten. Etwas Tapioka, erneut sehr sparsam dosiert, bringt noch einen kleinen Texturkick, aber ansonsten hätte es die nicht wirklich gebraucht.
Weiter geht es für mich mit einer Taube aus Flandern. Ich wähle die, weil es bekanntlich mein Lieblingsfleisch ist und dafür nehme ich auch die vermeintlich belanglos klingenden Beilagen in Kauf. Gedünstetes Gemüse und Früchte sowie Quinoa-Puffer reizen mich jetzt nicht besonders. Allerdings werde ich angenehm überrascht, denn das bunte Mischgemüse ist so frisch und vorzüglich bissfest gegart, dass es eine wahre Freude ist. Und selbst das Quinoa-Plätzchen entbehrt der befürchteten Trockenheit. Die Taube selbst ist exzellent gegart, an der Keule hätte ich mir lediglich die Haut etwas knuspriger gewünscht. Die angekündigten Früchte beschränken sich auf zwei Feigenhälften und das passt dann sogar auch wieder ganz ordentlich.
Mangels ausreichender Französischkenntnisse gibt es auf der anderen Seite des Tisches nicht, wie angenommen, etwas Fleischliches, sondern Scholle. Gut, das hätte einem auch spätestens beim Eindecken des Fischbestecks in den Sinn kommen können. Aber wenn man sich angeregt unterhält, gehen solche Details schon mal unter. Unabhängig davon ist der Fisch ausgezeichnet. Neben dem angekündigten Korianderjus, bei dem der Kräutergeschmack nicht vordergründig wird, gibt es noch Pfifferlinge und lila Kartoffelchips, beides nicht auf der Karte erwähnt. In Summe ein wirklich guter und runder Gang.
Beim Dessert entscheide ich mich für dunkle Schokolade und exotische Früchte. Mehr gibt die Karte als Beschreibung nicht her. Nun ja, und mehr ist es auch nicht. In einer dünnen Halbkugel befindet sich eine ordentliche Mousse, darauf ein Mangosorbet und Brösel. Das Gleiche dann als Deko noch mal daneben. Der Fruchtanteil ist eher marginal. Etwas Maracuja und ein paar Mangotupfen müssen reichen. Ich bin dennoch zufrieden, denn der erwartete „Death by chocolate“ bleibt aus.
Die Tradition des Café Gourmand, bei der es zum Kaffee einige süße Kleinigkeiten gibt, wird auch im „Monsieur Jean“ in bester Bistro-Manier gepflegt. Gleich sechs süße und fruchtige Miniaturen finden sich auf dem Teller und soweit ich probieren durfte, waren die auch allesamt sehr gut.
Himbeer-Marshmellow und Baiser beenden das Menü, das durchweg angenehm war. Die Küche überzeugt mit einem guten Gespür für akkurates Würzen und spielt ihre ganze Stärke bei Suppen und Saucen aus.
Als wir kamen, war das Restaurant noch nahezu leer. Als wir gehen, ist es auf beiden Etagen komplett ausgebucht. Ich nehme an, dass dies nicht nur der guten Lage zu verdanken ist. Monsieur Meurin hat mit dem „Monsieur Jean“ offenbar auch qualitativ ein überzeugendes Konzept abgeliefert.
Details
Restaurant: | Monsieur Jean par Marc Meurin |
Adresse: | 12 Rue de Paris, 59000 Lille |
Öffnungszeiten: | Montag - Samstag 12.00 - 14.00 und 19.00 - 22.00 Uhr Sonntag 12.00 - 14.00 Uhr kein Ruhetag |
Website: | www.restaurant-monsieurjean.fr |
Schlagworte
Casual Fine Dining, französisch, Lille, Marc Meurin, moderne Klassik, Monsieur Jean
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