Noor, Groningen

Letzter Abend in Groningen und für das Abendessen müssen wir diesmal etwas weiter hinaus aus der Stadt. Aber der Weg soll sich lohnen, denn mit dem „Noor“ geht es in das einzige Michelin-besternte Restaurant der Stadt. Das befindet sich in einer ehemaligen katholischen Kirche und wurde entsprechend stylish gestaltet. Für mich nicht die schlechteste Voraussetzung für einen gelungenen Abend. Immerhin befindet sich eines meiner Lieblingsrestaurants auch in einer ehemaligen Kapelle.

Jeroen Brouwer hat das Haus im Februar 2022 mit seiner Frau Marleen übernommen und noch im selben Jahr den Michelinstern bekommen, den beide auch an ihrer früheren Wirkungsstätte erkocht hatten.

Wir haben uns bei der Reservierung für einen Platz am Chef’s Table entschieden, der in diesem Fall tatsächlich in der Küche den direkten Blick auf das Geschehen und Interaktion mit den Köchen erlaubt.

Neben einem kürzeren Marktmenü, das in drei oder vier Gängen (75€ / 90€) außer am Samstag Abend angeboten wird, ist das reguläre Menü in sieben Gängen (145€) verfügbar. Für den Chef’s Table hingegen ist ein Menü in acht Gängen (185€) vorgesehen.

Und das beginnt mit einer Reihe von Snacks, wobei den Auftakt ein Baiser mit Hühnerlebercreme, Hibiskus und Kirsche macht, dem die säuerliche Note zur Auflockerung gut steht.

Bei der Croustade mit einer Creme von Remeker-Käse, Zwiebeln und Meerettich ist es ein Hauch Kaffeepulver, der für einen herben, nachhallenden Akzent in diesem herzhaften Happen sorgt.

Der dritte Fingerfood-Snack bedient mit einer Tartelette von Filet Americain, Piccalilli als Eis und gepickeltem Eigelb ein durchaus vertrautes Geschmacksbild, ist aber sehr fein ausgearbeitet.

Im Amuse Bouche schmiegt sich ein Espuma von Zitrus-Hollandaise an Koshihikarireis mit Furikake. Obenauf ein Eis von Gazpacho von Roter Bete. Was relativ wild klingt, entpuppt sich als durchaus stimmige Kombination mit feinem Textur- und Temperaturspiel.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Den Abschluss der Grüße und gleichzeitig den Mund auf angenehme Art reinigend markiert eine klare Gazpacho mit Liebstöckelöl, die kühl und intensiv schmeckt.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Nach diesem durchaus beeindruckenden Auftakt startet das Menü mit einem Tatar von der Makrele, darauf eine dünne Gebäckplatte für den Crunch und darauf eine getrocknete, sehr aromatische Tomatenscheibe mit Sesam und Algen. Abgerundet wird das Ganze von einer Austerncreme und einem Bergamottesud. Die einzelnen Geschmäcker gehen hier in einem runden Ganzen auf, durchaus markant, aber auch elegant. Sehr gut.

MAKRELE · Bergamotte · JOYN Tomate · Auster
MAKRELE · Bergamotte · JOYN Tomate · Auster

Ungewöhnlich präsentiert Jeroen Brouwer die Jakobsmuschel. Dünn plattiert dient sie quasi wie ein Ravioli als Mantel für eine Füllung aus Salat von Fenchel, Meeresgras, Gurke und Chili. Daneben gibt es diverse Zubereitungen von Gurke, Dill und grüner, milder Chili. Die geeisten Perlen von geräuchertem Joghurt muss man vorsichtig dosieren, damit sie mit ihrer Kälte den fein abgeschmeckten Gang nicht überdecken. Ansonsten herrscht hier ein frischer Charakter vor, etwas jodig mit kühlem Meerestouch, aber insgesamt komplex in der Zusammenstellung.

JAKOBSMUSCHEL · Dill · Jalapeño · Kohlrabi · Geräucherter Joghurt
JAKOBSMUSCHEL · Dill · Jalapeño · Kohlrabi · Geräucherter Joghurt

Mit einer durchaus erprobten Kombination von pochierter Auster, hier einer schönen, fleischigen Irish Mór, und Kaviar geht es weiter. Der Twist hier besteht in einer Sauerkrautsauce und einer Kartoffel als Scheibe in der Sauce sowie als Pomme Soufflée. Das ist gleichzeitig salzig, etwas säuerlich und in jedem Fall süffig.

AUSTER KAVIAR · Warme ‘Irish Mór’ Auster · Sauerkraut Sauce · Kartoffel · ‘Perle Imperial’ caviar
AUSTER KAVIAR · Warme ‘Irish Mór’ Auster · Sauerkraut Sauce · Kartoffel · ‘Perle Imperial’ caviar

Brot gibt es natürlich auch und das wird jetzt, noch warm, serviert. Das Sauerteigbrot ist von ordentlicher Qualität und hält auch bis zum Ende des Menüs, ohne zu schnell trocken zu werden, etwas das wir ansonsten ab und zu in Benelux beobachten. Butter und Salz sind von regionalen Erzeugern.

SAUERTEIG · Butter aus Sophiahoeve · Salz von der Oosterschelde
SAUERTEIG · Butter aus Sophiahoeve · Salz von der Oosterschelde

Der folgende Gang, so erläutert uns Brouwer, hat sich über die vergangenen Jahre kontinuierlich entwickelt und ist seit etwa 2 ½ Jahren in der jetzigen Version auf der Karte. Dabei wird Sellerie im Teig gebacken, gehäutet, dann erneut gebacken und anschließend mit einer Sauce von Ziegenjoghurt und Lorbeeröl serviert. Etwas Amalfi-Zitrone, auf marokkanische Art gesalzen, bringt einen leichten und frischen Hauch in das Gericht. Das ist alles mit kleinen Buchenpilzen kunstvoll arrangiert und gerät auch durch die Butter in der Sauce sehr harmonisch.

So wie der Prozess des Backens des Selleries beschrieben wird, erinnert das entfernt an den Signature Dish von Sebastian Frank aus dem Berliner „Horváth“, wobei dort der Sellerie entschieden länger gelagert wird und dann in erster Linie als Würzmittel verwendet wird. Aber so extrem geht es dann hier bei weitem nicht zu. Dies ist ein sehr zugänglicher und schöner vegetarischer Gang.

SELLERIE 5x · Gesalzener Joghurt · Marokkanische Zitrone · Lorbeeröl
SELLERIE 5x · Gesalzener Joghurt · Marokkanische Zitrone · Lorbeeröl

Herbstlich wird es mit dem Risotto, in dem Steinpilze, Pfifferlinge und Trüffel verarbeitet sind. Die Steinpilze, so erzählt uns Jeroen Brouwer hat er im Vorjahr mit dem Sohn in der Region gesammelt und dann getrocknet. Der Trüffel ist wohl in der Sauce verarbeitet, allerdings nicht sehr präsent. Nichtsdestotrotz ist das schlotzig, unkompliziert und lecker.

RISOTTO · Steinpilz · Pfifferlinge · Pilze · Trüffel
RISOTTO · Steinpilz · Pfifferlinge · Pilze · Trüffel

Vor dem nächsten Gang wird uns der Hauptdarsteller schon mal vorab präsentiert, ein prächtiges Kalbsbries, das mit diversen asiatischen Saucen lackiert wurde. Auf dem Teller präsentiert sich das Stück auf der Lackseite relativ fest, im Inneren angenehm weich. Begleitet wird es von mit Gemüsebrunoise gefüllter Artischocke, sehr seidiger Artischockencreme, schwarzem Knoblauch und einer auf Yuzu-Kosho basierenden  aromatischen Jus. Das ist auch in der Menüfolge eine kräftige Steigerung, von der Zubereitung aufwändig und sehr harmonisch zusammengestellt.

Mit orientalischem Einschlag kommt der Lammrücken an unseren Platz. Er ist auf den Punkt gebraten mit schönem Fettrand. Aufwändig die Beilagen: Auf einer Falafel finden sich Ragout und eine ebenfalls mit geschmortem Fleisch gefüllte Krokette, Süßkartoffelpüree, ein gefülltes Zwiebelsegment, klassische und Petersilien-Hollandaise. Die Küche lässt hier wirklich nichts aus und jedes Detail weiß zu überzeugen, wie auch die mit Gewürzen und Senfkörnern dezent arabisch anmutende Jus. Sowohl handwerklich als auch geschmacklich ist das top.

HEIDELAMM · Tajine · 1001 Nacht · Süßkartoffel · Lammjus
HEIDELAMM · Tajine · 1001 Nacht · Süßkartoffel · Lammjus

Ohne große Umwege geht es direkt zum Dessert und das kommt genauso straight forward. Auf einem Sorbet von exotischen Früchten gibt es einen Reispudding mit Pandan und einem Mango-Coating. Die Vinaigrette zeigt Thaiaromen und Earl Grey. Ohne großen Deko-Aufwand ist dieses Dessert ganz auf den sehr vielschichtigen Geschmack fokussiert, der ein gut ausgeglichenes Verhältnis von leicht bitteren und ätherischen Noten und gleichzeitig Frische und Fruchtigkeit bietet. Der sehr gut gekühlte Teller unterstreicht diesen Charakter. Ein kleines, aber nicht unwichtiges Detail.

MULTIVITAMIN · Mango · Reispudding · Earl Grey
MULTIVITAMIN · Mango · Reispudding · Earl Grey

Zum Kaffee gönnen wir uns noch Petits Fours, die auch hier separat berechnet werden und später pro Person mit stolzen 25 Euro auf der Rechnung auftauchen. Klar sind Cannelé, ein Choux mit Zitrus, eine Tartelette mit supper fluffiger und leichter Tirami Su-Creme, ein Praliné und zum Schluss noch ofenwarme Madeleines ausgezeichnet, aber der Preis dann eben doch ziemlich happig.

Ganz ungeplant haben wir an den letzten drei Abenden eine kontinuierliche kulinarische Steigerung erlebt mit dem „Noor“ als eindeutigen Höhepunkt. Jeroen Brouwers Küche ist von großer Finesse, beachtlichem Aufwand und in vielen Gängen auch von kreativer Eigenständigkeit, was beispielsweise Makrele, Jakobsmuschel und Dessert gut belegen. Der Anspruch, auch höhere Bewertungen zu erzielen, ist deutlich erkennbar, wobei man hier auch zwei Michelinsterne tatsächlich durchaus vertreten könnte.

Den Service übernehmen hier am Chef’s Table vor allem die Köche und Jeroen Brouwer selbst. Nick Nijkamp ist als Sommelier an unserem Platz aber auch immer präsent und führt uns mit Fachkenntnis durch die umfangreiche Weinkarte. Auch wenn die Atmosphäre im eigentlichen Gastraum sicher auch ihren ganz speziellen Reiz hat, würde ich hier jederzeit wieder den Platz in der Küche wählen. Dazu ist es viel zu spannend, dem konzentrierten Treiben zuzuschauen und mit dem Chef zu kommunizieren. Dass dessen Entwicklung noch einiges erwarten lässt, ist offensichtlich.

Details

Restaurant: Noor
Adresse: Zuiderweg 38, 9745 AD Groningen
Öffnungszeiten: Mittwoch - Freitag: 18.30 - 24.00 Uhr
Samstag: 12.00 - 16.30 und 18.30 - 24.00 Uhr
Sonntag - Dienstag: Ruhetag
Website: www.noor.nl

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Kommentare

  1. Carsten am 6. November, 2024 um 17:47 Uhr.

    Heiliges fine Ding! 🙂 perfekter Abschluss und dann ab ins Münsterland. Zum Glück kannst du den Abend dort nicht bewerten….:-)

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