Ödenturm, Chammünster
Am 24. August 2022 in Deutschland | 2009 Aufrufe
Für die letzte Station unseres Sommerurlaubs suchten wir etwas auf halber Strecke zwischen Neusiedler See und Köln. Wir hätten uns durchaus noch mal einen kulinarischen Paukenschlag zum Abschluss vorstellen können, aber da unser Wunschziel bereits ausgebucht war, entscheiden wir uns für eine etwas bodenständigere Alternative und landen im tiefsten bayerischen Wald, im Gasthof „Ödenturm“ in Chammünster.
Immerhin mit einem Bib Gourmand ausgezeichnet, hat der Familienbetrieb, in dem Ernst Hunger junior die Leitung in der Küche innehat und der Senior den Service unterstützt, dem traditionellen Gasthaus einen zeitgemäßen Anstrich gegeben. Das spiegelt sich nicht nur in den geschmackvollen Gasträumen und den schlichten, aber rustikal-originellen Gästezimmern wider, sondern vor allem auch auf der Speisekarte.
Allerdings irritiert der Umfang der Speisenauswahl erst einmal. Rund 50 Gerichte finden sich darauf, Vorspeisen, Hauptgerichte, Wild, Fisch, Vegetarisches , Steaks dazu noch Klassiker und eine separate Dessertkarte gibt es auch noch. Natürlich kommen da Zweifel auf, wie das mit den zahlreichen individuellen Beilagen und vor allem angesichts der großen Platzanzahl funktionieren kann. An diesem Abend ist die große Terrasse voll belegt und auch im Inneren sehen wir eine Menge besetzter Tische.
Erste Zweifel werden bereits zerstreut, als wir von unserem Zimmer auf eine große Gesellschaft mit mehr als einem Dutzend Gästen blicken, die alle zeitgleich und mit unterschiedlichsten Gerichten bedient werden, die alle ausgesprochen appetitlich aussehen.
Bevor wir uns aber an die Bestellung machen, widmen wir uns der mit offensichtlich viel Leidenschaft zusammen gestellten Weinkarte, die renommierte mit unbekannten Namen aus allen Regionen und Ländern mischt. Und das alles zu Preisen, die dazu einladen, den Abend sehr lang werden zu lassen.
Wir beginnen mit rosa gebratenen Scheiben vom Kalbstafelspitz mit Tomaten und Pfifferlingen. Das ist per se schon stimmig, bekommt aber durch die grandiose Haselnussmarinade eine aromatisch absolut passende Erweiterung, die durch die Cremigkeit alle Zutaten auch gekonnt einbindet.
Bewegte sich dieses Gericht noch sehr in der Region, macht Ernst Hunger mit der Ceviche von der Forelle einen Ausflug in asiatische Gefilde. Mit Chili und Limette ist der Fisch sehr ausgewogen mariniert und bekommt mit Wassermelone einen frisch-fruchtigen Mitspieler. Für das sommerliche Wetter genau die richtige Vorspeise und zudem eine, die zwar aus dem Rahmen des bayerisch-regionalen Kanons fällt, aber trotzdem auch hierher passt, weil sie mit moderater Kreativität eine heimische Zutat gekonnt in den Mittelpunkt stellt.
Und weil uns das alles bis hierher schon so ausgesprochen gut gefällt, schiebe ich spontan noch einen Gang ein, mit dem ich eigentlich sowieso schon geliebäugelt hatte. Ich frage den Service freundlich, ob sich das so kurzfristig noch machen lässt, denn angesichts des vollen Hauses hätte ich auch Verständnis, wenn es nicht möglich wäre, aber offenbar ist die Küche flexibel genug, sich auch darauf noch einzustellen.
Und ich freue mich sehr darüber, denn „Das Beste vom Lamm“ ist eine schöne Variation aus mariniertem Bauch und Steinpilz, einem klassisch, würzigen Beuschel mit der typischen leicht säuerlichen Note und Leber, die zwar etwas fest geraten ist, aber mit einer kräftigen Sauce, Zwiebelchutney und Pflaume auch zu überzeugen weiß. Feine Heimatküche, wie ich sie mir viel häufiger wünschen würde.
Bei den Hauptgerichten entscheiden wir uns für zwei absolute Klassiker. Der Wiener Zwiebelrostbraten ist wie gewünscht medium gebraten, die Zwiebeln kross frittiert und die Bratkartoffeln gut gebraten. Man kann darüber streiten, ob die Zwiebeln frittiert gehören oder besser gebraten. Es war zwar nicht mein Teller, aber ich habe es probiert und fand es so, wie es war, gut. Allerdings habe ich auch eine Präferenz für knusprig Frittiertes.
Als Liebhaber von Cordon Bleu ist das heute meine Wahl. Beim Anschnitt zeigte sich allerdings, dass für meinen Geschmack zu viel Käse eingesetzt wurde, der dadurch zu flüssig auf den Teller lief. Erschwerend kam hinzu, dass sowohl Käse als auch der verwendete Schinken nicht besonders kräftig waren und keine markanten Akzente setzen konnten. Das war zwar in Summe in Ordnung, hat es aber noch nicht in meine persönliche Cordon Bleu-Hitliste geschafft.
Der zu beiden Hauptgerichten servierte Beilagensalat bestand aus klassischer Rohkost rund um Karotte, Gurke, Kraut und grünen Salat mit einem ausgewogenen Dressing, an dem es nichts auszusetzen gab.
Man hätte es sich denken können, aber die Portionen sind hier reichlich bemessen. So reichlich, dass wir ein Dessert nicht mehr schaffen und uns nur noch einen Schnaps gönnen.
Aber auch ohne die Süßspeisen probiert zu haben, fällt unser Fazit hier positiv aus. Der „Ödenturm“ hebt sich erfreulich von einer beliebigen Wirtshausküche ab. Dass hier trotz der unglaublich großen Karte erkennbar frisch und sorgfältig gekocht wird, ist offensichtlich. Die kreativen Ausflüge, die sich die Küche erlaubt, stehen für einen modernen Anstrich, der sich auch neben den traditionellen Gerichten gut macht. Dass man auch mit einer weit über das Übliche eines bayerischen Gasthauses hinausgehenden Weinkarte beeindruckt, unterstreicht den Anspruch, mit dem man hier am zeitgemäßen Konzept eines Wirtshauses arbeitet.
Für uns jedenfalls hat sich der Umweg und Abstecher in den bayerischen Wald gelohnt.
Details
Restaurant: | Ödenturm |
Adresse: | Am Ödenturm 11, 93413 Chammünster |
Öffnungszeiten: | Dienstag & Donnerstag: 17.30 - 23.30 Uhr Mittwoch, Freitag & Samstag: 11.00 - 14:00 Uhr & 17.30 - 23.30 Uhr Sonntag: 11.00 - 14.00 Uhr Ruhetag: Montag |
Website: | www.oedenturm.de |
Schlagworte
Bayerischer Wald, Ernst Hunger, Gasthaus, Ödenturm, regional
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