
Racine, Reims
Am 3. November 2017 in Frankreich | 2570 Aufrufe | 1 Kommentar
Im vergangenen Jahr war der Besuch im „Racine“ in Reims eine echte Entdeckung. Verglichen mit dem Restaurant, das sich zuvor an gleicher Stelle in der Rue Colbert befand, war dies eine wirkliche Steigerung. Die Küche von Kazuyuki Tanaka überraschte mit einer sehr stilvollen Ästhetik und ausgefeilten Kompositionen.
Um den Running Gag zur Location fortzuführen: Am bisherigen Ort befindet sich schon wieder ein anderes Restaurant, „Doko Koko“, das, wie ich im Vorfeld schon mitbekam, auch von Tanaka betrieben wird. Die Karte dort allerdings liest sich im Moment eher belanglos und konzentriert sich auf sehr wenige typisch französische Bistroklassiker, wenngleich diese offenbar – so lassen es Bilder vermuten – optisch verfeinert auf den Teller gebracht werden.
Das „Racine“ selbst ist an den Place Godinot umgezogen, unweit der Kathedrale und Bibliothek. Seit unserem letzten Besuch ziert das Restaurant ein Michelin-Stern und der Umzug hat eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Küche und Service mit sich gebracht. Die Küche ist jetzt deutlich größer und das Restaurant ebenerdig. Bemerkenswert ist die Transparenz, die die Küche zulässt, denn sie ist von innen wie außen komplett einzusehen.
Grundsätzlich hat sich ansonsten nicht viel geändert. Vielleicht dem Michelin-Stern, auf jeden Fall aber auch der deutlich aufgestockten Weinkarte geschuldet, gibt es nun einen Sommelier. Es wird weiterhin ein Menü mit vier Gängen angeboten, zu mittlerweile 70 Euro und eines mit sieben Gängen zu 95 Euro, das neben einem zusätzlichen Zwischengang noch Käse und ein weiteres Dessert enthält. Dies bestellen wir, bitten aber um eine Alternative zum Kalbsbries, die uns die Küche in Form eines Hummergangs ermöglicht.
Es beginnt wie beim letzten Mal mit fünf sehr präzise gearbeiteten Apéros, einem Tatar vom Seeteufel, einem Ziegenkäseröllchen, einem Kartoffelküchlein mit Kapern, einer Brandade auf einem Körnerchip und einem Bonbon vom Hummer.
Das Amuse Bouche fällt weniger überzeugend aus. Ein Tatar vom Pulpo mit Cocktailsauce und diversen Gemüsen wirkt etwas beliebig und unzusammenhängend.
Tanaka serviert ein sehr gutes Mischbrot. Zum Auftunken braucht man es im „Racine“ nicht wirklich, denn Saucen gibt es hier nahezu keine.
Stilistisch orientiert sich Kazuyuki Tanaka, so beschreibt er es auch auf seiner Homepage, unter anderem auch an den Küchen Deutschlands und Belgiens. Das mag die recht kleinteilige Optik mit zahlreichen Komponenten erklären. Im offiziell ersten Gang geht dies noch sehr gut auf. Die Kombination von Saibling mit Rote Bete und Currycreme funktioniert und der Teller ist auch ein echter Hingucker.
Der Gang, den uns die Küche anstelle des ursprünglich vorgesehenen Kalbsbries serviert, sieht gut gegarten Hummer mit Karotten in Variationen vor. Die Einzelkomponenten sind für sich genommen in Ordnung, aber trotz der Cremetupfen bleibt dies irgendwie ein unvollständiges Gericht und seltsam trocken. Eine Sauce als verbindendes Element hätte hier durchaus helfen können.

Der Zander mit geschmorter Endivie fiel deutlich besser aus. Der Fisch saftig gegart, der Salat liefert interessante Bitternoten, die gut mit der Quittencreme zusammen gingen. Die schaumige Sauce blieb zwar geschmacklich unauffällig, sorgte aber zumindest für eine süffige Ergänzung.
Im Hauptgang irritiert mich zunächst der starke Röstton des Blumenkohls, der für mich hart an der Grenze zum Verbrannten kratzte. Meinem Mann gefiel das, aber für mich wirkte das von Beginn an unharmonisch zum ansonsten saftigen Ibericoschwein. Quinoa lieferte etwas zusätzliche Textur, aber erneut fehlte mir Sauce, um das alles irgendwie miteinander zu verbinden. Die angegossene Jus war so homöopathisch dosiert, dass sie zwar optisch das Gesamtbild nicht störte, aber auch keine Wirkung entwickeln konnte. Schade drum.
Der Käse wird von der Küche vorbereitet serviert und präsentiert drei gut gereifte und temperierte Sorten aus der Region.
Im ersten Dessert kombiniert Kazuyuki Tanaka Schokolade mit gemüsigen Zutaten. Das Ergebnis fällt weniger exotisch aus als es klingt. Steinpilze verarbeitet er zu einem sehr gefälligen Eis. Die Navetten bleiben eher zurückhaltend und ansonsten dominiert Schokolade in diversen Konsistenzen. In Summe ist das sehr harmonisch und wohlschmeckend.
Während in anderen Restaurants gerne das schokoladige Dessert zum Schluss kommt, schließt das Menü im „Racine“ fruchtig und frisch, was ich sehr erfreulich finde. Die Kombination ist erneut relativ unfranzösisch und könnte sich so auch in Köln oder Hannover wiederfinden. Kaki, Bisquitteig, Brösel und Körnerknusper sorgen für ausreichend Abwechslung. Estragoneis ist wunderbar cremig und nur dezent kräutrig, Yuzusauce sorgt für angenehme Säure. Beide Desserts gehören damit zu den stärksten Gängen des Abends.
Die Petits Fours sind erneut sauber gearbeitet und liefern Petitessen mit Angostura Bitter, ein Schokoladenpraliné, etwas mit Pfeffer, ein fruchtiges Tartelette, etwas Tonkabohneneis sowie einen kalten Kräuteraufguss.
Dieser Abend konnte, was das Essen betrifft, nicht an unser Erlebnis vom Vorjahr anknüpfen. An der Grundkonzeption der Gerichte hat sich nicht viel verändert, aber irgendwie konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Tanaka die Harmonie und den Geschmack seiner Gerichte der Optik unterordnet.Vor allem bei den ersten Gängen fehlten mir verbindende Elemente zwischen den einzelnen Komponenten. Dies hätte zu mehr Süffigkeit führen können, was bei den Desserts gut funktionierte.
Deutlich ausgebaut zeigte sich die Weinkarte, die neben einer selbstverständlich opulenten Champagnerauswahl auch interessante naturnahe Weine aufwies. Ich hatte die Karte im Vorfeld bereits studiert und für mich zwei interessante Flaschen ausgewählt, die zudem auch noch äußerst freundlich kalkuliert waren: ein reinsortiger Pinot Meunier Champagner von Christophe Mignon sowie ein 2015 Chardonnay von der zur Zeit sehr gehypten Domaine Labet aus dem Jura. Kostenpunkt: 50€ bzw. 55€ – muss man zu dem Preis auch erst mal finden.
Kazuyuki Tanaka hat mit Sicherheit das Potential, eines der spannendsten Restaurants in Reims zu führen. Sein Handwerk beherrscht er, einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik besitzt er auch. Nun muss er beides noch in einen unverwechselbaren Stil bringen, der den Geschmack in den absoluten Vordergrund stellt.
Details
Restaurant: | Racine |
Adresse: | 6 place Godinot, 51100 Reims |
Öffnungszeiten: | Donnerstag - Montag: Mittag: 12.15 - 13.30 Uhr Abend: 19.15 - 21.00 Uhr Ruhetag: Dienstag + Mittwoch |
Website: | www.racine.re |
Schlagworte
Fine Dining, japanisch, Kazuyuki Tanaka, kreativ, Michelin, Racine, Reims
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Recht unfranzösisch bekocht und verwöhnt lässt Du uns hier schmachten – wobei ich tatsächlich die Soßen bei keinem der Angebote vermisst hätte – auch wenn es Schade ist das Kalbsbries offensichtlich durch Teile der Hummerkrabbe zu ersetzen. Den optisch bereits angebrannten Blumenkohl kann man meiner Meinung nach nicht als röstaromatisches Element umfirmieren – der gehört schlicht in die Tonne – aber sonst ein Genuss – Deine Rezi zu lesen! Danke