schanz. restaurant., Piesport
Am 27. Juni 2024 in Deutschland | 1473 Aufrufe | 1 Kommentar
Als wir uns beim letzten Besuch verabschiedeten, versprach ich Thomas Schanz, dass es bis zum nächsten Mal nicht wieder sechs Jahre dauern würde. Das ist nun aber doch schon wieder drei Jahre her. Zwar auch schon wieder eine viel zu lange Zeit, aber immerhin Versprechen gehalten.
Seinerzeit war dies die letzte Station unseres Sommerurlaubs und ich kam mit frisch operiertem Arm aus Zürich. Dass sich Gabriele Schanz, die nach wie vor den Empfang im Restaurant bestreitet, genau daran sofort erinnert und nach meinem Wohlbefinden erkundigt, ist so überraschend wie erneut herzerwärmend. Dass sie auch noch weiß, wo wir damals saßen, wundert mich dann auch nicht mehr wirklich, selbst wenn es nur einer gut geführten Gästekartei geschuldet sein mag.
Zwar komme ich diesmal nicht verletzt, aber einige Tage später steht ein Krankenhausaufenthalt an und angesichts dessen will ich mir dann doch noch mal etwas Gutes gönnen. Die Mosel begrüßt uns mit bestem Sommerwetter und so freuen wir uns auf das Menü bei Thomas Schanz, der sich seit unserem letzten Besuch auch mit drei Michelinsternen schmücken darf.
Neben dem Menü, das von vier (239€) bis sieben Gängen (305€) geordert werden kann und dessen Gänge auch à la Carte erhältlich sind, bietet man auch weiterhin eine zusätzliche Auswahl an À la Carte-Gerichten an. So viel Auswahl ist mittlerweile ein Luxus und selten geworden. Auch wenn sich ein Großteil der Gäste ohnehin für das Menü entscheidet, ist es schön, dass es diese Wahlfreiheit noch gibt.
Zum Apéritif erreichen uns die ersten Fingerfood-Snacks. Ein Thunfischröllchen, das mit Blumenkohlcreme und Forellenkaviar gefüllt ist, besticht neben einer überaus harmonischen Kombination aus weicher, milder Creme und leichter Salzigkeit des Kaviars mit einem fragilen Knuspermantel unter den hauchdünnen Thunfischscheiben.
Das Spiel mit den unterschiedlichen Texturen findet sich auch beim zweiten Happen, einem gefüllten Teigkissen sowie dem confierten Wachtelei mit getrocknetem Kaviari Kaviar. Das fügt sich im Mund erneut süffig und stimmig zusammen. Gleiches gilt auch für den French Toast mit Sepiatatar. Das ist alles super klug durchdacht, extrem präzise gearbeitet und durchweg köstlich.
Zu den Klassikern in Thomas Schanz‘ Küche gehört das Trüffelei, eine schlotzige Angelegenheit aus Eierstich, Sauce Périgourdine, Nussbutter und jeder Menge Trüffel. Das relativ flüssige Innere bekommt einen wunderbar flaumigen Schaum on top. Ich habe das mit einem Bild von 2015 verglichen und schon dabei wird deutlich, dass dies über die Jahre noch weiter verfeinert wurde, der Schaum mittlerweile von noch überzeugenderer Konsistenz ist. Geschmacklich war das seinerzeit sicher auch bereits ausgezeichnet, aber es sind diese kleinen Details, die deutlich machen, wie sehr Thomas Schanz stetig an der Perfektionierung seiner Gerichte arbeitet.
Der üppig und mit verschiedenen Sorten bestückte Brotkorb, Tomaten- und normale Butter sowie Olivenöl sind ohne Frage sehr gut, aber ich halte mich, wie in letzter Zeit immer häufiger, dabei zurück, um nicht auf halber Strecke im Menü passen zu müssen, wenngleich Gier und Lust schon noch locken…
Thomas Schanz hat sich über die Jahre einige Markenzeichen geschaffen. Eines davon, neben dem Trüffelei, ist das abschließende Amuse Bouche, das immer in Form einer soufflierten oder anderen lockeren Masse als Kuppel kommt. Diesmal ist sie gefüllt mit einem Kalbstatar und belegt mit dünnen Olivenscheiben. Eine leicht gelierte, hoch elegante Gazpacho und ein Sorbet von Zitronen-Colatura verschieben diese aufwändige Kreation gekonnt in mediterrane Gefilde. Säure ist hier präsent, aber ganz genau austariert. Komplex und ganz exzellent.
Ich gebe zu, dass der Besuch in Piesport auch einem Gericht geschuldet ist, das mich, seit ich die ersten Bilder davon gesehen habe, förmlich angefixt hat. Und ich werde nicht enttäuscht, denn das Rondell von kleinen Scheiben Gänseleberterrine, lackiert mit reduziertem Traubenmost und versehen jeweils mit einem Hauch Schafskäse, karamellisierten Bucheckern und Spitzen von Kräutern und Bittersalaten auf knusprigem Filoteig ist Bissen für Bissen purer, schwelgerischer Genuss. Dazu kommt ein fabelhaftes Gänselebereis mit pointierter Pfeffernote. Alles an diesem Gericht ist perfekt. Das Verhältnis von Süße und herberen Noten, die Ausgewogenheit von Cremigkeit und Knusprigkeit, die bestechende Präsentation – ich habe selten ein faszinierenderes Gänselebergericht gegessen. Na ja, vielleicht doch. Vor drei Jahren gab es eben genau hier eine Gänseleberterrine, auch auf knusprigem Boden, die Thomas Schanz quasi als fliegenden Teppich inszenierte. Man darf gespannt sein, welche Kreation er sich als nächstes einfallen lässt. Vielleicht wird es ja das nächste Markenzeichen seiner Küche, dem Thema Gänseleber jedes Mal ganz neue Facetten abzugewinnen.
Und es geht nahtlos großartig weiter. Schon optisch macht die Dorade auf dem Teller schwer was her. Warum sie als Etui angekündigt wird, offenbart sich schnell, denn unter der großzügigen Menge Kaviar, der zwar mild ist, aber dennoch einen deutlichen Salzton aufweist, verbirgt sich eine Füllung aus etwas Crème Fraîche-artigem, darunter ein Sauerampfersalat und ein Sauerampfersud, der eine gute Säure mitbringt. Der Fisch selbst wurde nur kurz im Ofen gegart und dann abgeflämmt. Er ist von exzellenter Qualität und weist ein festes Fleisch mit schönem Eigengeschmack auf. Erneut greifen hier alle Komponenten extrem schlüssig ineinander. Und die Tellersprache ist einfach nur brillant.
Etwas zurückgenommener präsentiert sich der folgende Seehecht, der selbstverständlich auf den Punkt gegart ist und fein aufblättert. Die Auflage aus Minze, Koriander, Blüten, getrockneter Papaya und geröstetem Reis verspricht karibische Einflüsse, aber sowohl Papaya, offenbar dünn auf den Fisch aufgestrichen, wie der Service auf Nachfrage erläutert, und Reis sind für mich kaum bis gar nicht auszumachen. Prägnant dafür der Meeressalat und der Sud, der mit Öl vom Zitronenblatt finalisiert wird. Vielleicht ist es aber auch gar nicht erforderlich, dass man immer jede einzelne Mikrozutat, die erwähnt oder aufgeführt wird, im Detail erkennt. Entscheidender ist für mich das Gesamtgeschmacksbild und das ist in diesem Fall sehr aromatisch, dezent fruchtig und mit schönen kräutrigen Akzenten. Das kommt zwar nicht ganz an die Strahlkraft der vorherigen Gänge heran, ist aber immer noch auf herausragendem Niveau und sehr originell.
Spektakulär dann wieder der nächste Gang mit dem portugiesischen Carabinero, der gegrillt, vorgeschnitten und mit Scheiben vom Ochsenmark auf einem Bett von Staudensellerie-Brunoise unter einem Käfig von gerösteter Carabineroschale präsentiert wird. Als wäre nicht schon die Kombination aus feinem, süßlichem Fleisch des Carabinero mit der Fülligkeit des Ochsenmarks faszinierend genug, kommt noch ein ganz leicht gebundener Sud von Bergamotte auf Basis von Krustentieren und einige Tropfen Minzöl dazu. Der Sud ist intensiv, verströmt aber gleichzeitig einen Duft wie ein leicht flüchtiges Parfüm mit zitroniger Note. Wir sind sprachlos und begeistert.
Beim Hauptgang trennen sich am Tisch unsere Wege. Im Menü ist Reh vorgesehen, aber da ich erst einige Tage zuvor Reh hatte, bitte ich darum, es gegen einen Gang aus der à la Carte-Auswahl zu tauschen. Mein Mann allerdings ist mit seinem Gang sehr zufrieden und natürlich darf ich probieren. Der Rücken ist tadellos gebraten, Innereien und Ragout in einer Filokugel teste ich nicht, da die Menge zu klein ist, aber mir wird bestätigt, dass auch das sehr aromatisch und köstlich ist. Ich bin kein großer Freund von Süßkartoffel, aber hier ist sie gut verarbeitet. Die Jus ist kräftig reduziert. Es passt alles ausgezeichnet zusammen, wäre für mich allerdings nicht so aufregend.
Umso glücklicher bin ich, dass es die Küche möglich gemacht hat, mir statt dessen die Ballotine vom Stubenküken zuzubereiten. Und was ist das für ein Fest! Das saftige Fleisch ist mit Spinatmantel und Gänseleber in einen Mantel aus dünnen Champignonscheiben gewickelt und dann gegart, ebenso die Keule, auf dem Foto leicht verdeckt von der üppigen Menge an australischem Wintertrüffel. Ein süffiges Kartoffel-Lauch-Ragout passt perfekt zu diesem Gericht. Die Saucen, ein weißer Sherry-Schaum sowie eine Sauce Périgourdine sind zum Niederknien. Alles an diesem Teller ist wunderbar: die Zutaten, das Handwerk, das traditioneller und perfekter nicht sein könnte, der runde, harmonische Geschmack. Ein Gericht, bei dem man bei jedem Bissen nur die Augen schließen möchte. Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte den Teller sauber abgeleckt höchstpersönlich in die Küche zurück getragen.
Nach so einem Gang könnte man getrost aufstehen und gehen und der Abend wäre perfekt gewesen, aber dann würde man den Käsewagen mit der Auswahl von Waltmann und einer Eifeler Ziegenkäserei verpassen, was ein Frevel ist. Denn die Käse, die man hier präsentiert, sind eine exzellente Kombination aus bekannteren und sehr ungewöhnlichen Sorten, allesamt gut gereift. Wir teilen uns einen Teller, was sich noch gut bewältigen lässt.
Mit einer blütenartigen Kreation rund um Erdbeere und grüne Tomate folgt ein Dessert, das erneut ein Hingucker ist. So ungewöhnlich grüne Tomate im Nachtisch klingen mag, so erfrischend macht sich das Sorbet, das begleitet ist von Erdbeeren, die sich mit Himbeeren auch in der Creme finden, sowie verschiedenen knusprigen Baiserblättern. Der Sud ist ganz dezent mit Wasabi abgeschmeckt, was zusätzlich dafür sorgt, dass das Ganze wenig süß, dafür etwas säuerlich und sehr erfrischend ausfällt. Dazu gibt es viel Textur und erneut eine bildschöne Präsentation.
Den Abschluss des Menüs, vor den Petit Fours, bildet traditionell ein Nachdessert. Diesmal in Form eines Eises aus Banane und Wacholder, wobei letzterer für eine pikante Schärfe sorgt. Unter einer Knusperplatte findet sich ein Ragout von Ananas mit Radicchio und Macadamia. Das verbindet gekonnt Fruchtigkeit mit Schärfe und Süße und gefällt mir ausgezeichnet.
Nach diesem Parforce-Ritt ist es fast beruhigend, dass die Petits Fours, so gut sie auch sind, doch verhältnismäßig konventionell ausfallen. Aber das soll nichts daran ändern, dass unter anderem Mojito- und Aprikosensorbetpraline, „Omas Käsekuchen“, Nougat de Montélimar natürlich handwerklich und geschmacklich tadellos sind.
Sprechen wir über den Service: Der agiert in einer Mischung aus formvollendet und familiär, ohne dabei jovial zu werden. Diese sehr natürliche Kommunikation, fernab von allem steifen Getue, passt perfekt zu diesem Haus, das bei allen Höhenflügen, die es bewertungstechnisch in den letzten Jahren erlebt hat, nie die Bodenhaftung scheint verloren zu haben.
Da fügt sich auch Aleksandar Petrovic bestens ein, der mit seiner Weinbegleitung einen ungewöhnlichen Weg geht, indem er zu jedem Gang die Mosel gegen die Welt antreten lässt. Und so bekommt einer am Tisch Weine von der Mosel eingeschenkt, und das müssen nicht nur Rieslinge sein, und der andere einen Wein eben aus einem anderen Land. Ein spannendes Unterfangen, das mit viel Sachverstand und Humor präsentiert wird.
Vielleicht ist es mir bei unserem letzten Besuch noch nicht so deutlich gewesen, aber Thomas Schanz hat es geschafft, eine Handschrift zu entwickeln, die immer klarer als seine ureigene erkennbar ist. Man sieht einen Teller und kann ihn in vielen Fällen direkt als seinen identifizieren. Alleine seine Gänselebergerichte sind bereits jetzt ikonisch. Dabei schafft er mühelos den Spagat zwischen traditioneller französischer Haute Cuisine und mitunter nahezu verwegenen Kombinationen, die sich aber als Ergebnis sorgfältiger Überlegungen als ungemein schlüssig erweisen. Dass er einigen Gerichten keine schweren Saucen, sondern hocharomatische und komplexe Brühen mitgibt, unterstreicht auch, wie leicht ein Menü hier erscheint. Wobei ich der Letzte wäre, der etwas gegen die wunderbaren Saucen sagen würde. Nein, das war ein ganz und gar überzeugendes und starkes Menü. Ich bin ja schon glücklich, wenn es wenigstens ein Gericht gibt, das so denkwürdig ist, dass ich mich noch ewig daran erinnere. Hier und heute waren es gleich mehrere.
Sechs Jahre zwischen unseren Besuchen waren definitiv zu lang, drei Jahre, wie sich jetzt gezeigt hat, auch. Es ist ganz klar, dass wir die Frequenz weiter verkürzen müssen. Versprochen.
Details
Restaurant: | schanz. restaurant. |
Adresse: | Bahnhofstraße 8a, 54498 Piesport |
Öffnungszeiten: | Mittwoch: 18.30 - 20.30 Uhr Donnerstag: 12.00 - 14.00 Uhr und 18.30 - 20.30 Uhr Freitag: 18.30 - 20.30 Uhr Samstag: 12.00 - 14.00 Uhr und 18.30 - 20.30 Uhr Sonntag - Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.schanz-restaurant.de |
Schlagworte
3 Michelin Stars, Aleksandar Petrovic, kreativ, moderne Klassik, Mosel, Piesport, Thomas Schanz
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