Schwarzer Adler, Oberbergen

Wie man ein Haus erfolgreich führt, kann man am „Schwarzen Adler“ am besten ablesen, wenn man sich auf dessen Parkplatz umsieht. Der ist mittags wie abends randvoll und die Nationalitätenkennzeichen geben Auskunft darüber, dass nicht nur deutsche Gäste aus allen Regionen hier einkehren, sondern auch Franzosen, Schweizer, Niederländer und Engländer. Kurzum: von überall her strömen Besucher seit Jahrzehnten in ein Haus, das am Kaiserstuhl zu den Leuchttürmen der Gastfreundlichkeit und klassischen Kulinarik gehört wie jenseits des Rheins auf der französischen Seite vielleicht nur noch die Auberge de l’Ill.

Konstanz ist ein prägendes Merkmal dieses Traditionshauses, in dem sich die Speisekarte nur so behutsam verändert wie das Personal wechselt. Unser letzter Besuch liegt ungefähr fünf Jahre zurück und doch sind nahezu alle Gesichter bekannt. Maître Hubert Pfingstag, seit legendären 40 Jahren im Haus, ebenso wie die Sommeliers Melanie Wagner und Seung Kyu Ryu und viele andere, die einen herzlich willkommen heißen und einem das Gefühl geben, ihnen ebenso bekannt zu sein.

Aber die Gäste kommen ja nicht nur, um freundlich umsorgt zu werden, sondern um sich kulinarisch verwöhnen zu lassen. Was also macht den speziellen Reiz aus? Zu allererst ist es die Tatsache, dass niemand hier Experimente fürchten muss. Auf der Basis der klassischen französischen Küche werden hier die üblichen Edelzutaten akkurat und schmackhaft zubereitet. Nicht mehr und nicht weniger. Will man es etwas opulenter, und das wollen hier viele Gäste, wählt man aus der à la carte-Auswahl eines der Gerichte für zwei Personen, die getrüffelte Poularde in der Blase, ein Côte de Boeuf oder die Ente aus dem Ofen. Dann kann man auch Monsieur Hubert beim schlafwandlerischen Tranchieren beobachten. Mich überkommt hierbei immer ein warmes Gefühl, denn dieses Handwerk scheint mehr und mehr auszusterben. Und alleine dies hier so lebendig zu erleben, ist jede Reise wert.

Was gibt es zum Essen selbst zu sagen? Es ist gut. Nicht kompliziert komponiert, aber gut.

Amuse Bouche: Vichyssoise mit Coppa
Amuse Bouche: Vichyssoise mit Coppa

Ein Tatar von der Gelbschwanz-Makrele wird nach Art eines Salat Nicoise mediterran begleitet und leitet das erste Menü leicht und aromatisch ein, gefolgt von einer gedämpften Bachforelle, die einen herzhaften Touch durch Röstzwiebeln und Perlgraupen bekommen.

Das Filet von der Fleckvieh Färse in Spätburgundersauce ist auf den Punkt gebraten, die Sauce dick und geschmeidig. Den darauf folgenden Käsegang in Form einer Scheibe Taleggios mit etwas Speck, Portulak und einem Senfdressing finde ich persönlich eher belanglos, aber als Überbrückung zum Dessert in Ordnung.

In der Kokoshippe finden sich auf einem Rhabarber-Ragout eine schaumige Vanillecreme und ein leckeres Rhabarbereis, dazu gibt es feinste Gariguette Erdbeeren – durch und durch klassisch halt und einfach gut.

Das Menü am zweiten Abend baut einige Gerichte aus der à la Carte-Auswahl ein und beginnt eher schwach mit einem Tatar vom Kalb, das auf geschmorten Auberginen serviert wird. Die Konsistenz beider Elemente ist recht ähnlich, der Geschmack bleibt relativ unauffällig und die Scheibe Brioche als fester Bestandteil des Gerichtes ist als texturelles Element deutlich überportioniert.

Auch beim folgenden Steinbutt, der in sensationeller Qualität und perfekt gebraten kommt, stimmen die Proportionen für meinen Geschmack erneut nicht ganz. Die Beurre blanc ist hinreißend und das Kartoffel-Kapern-Ragout eine sehr passende Beilage. Indes ist die schiere Menge an Kartoffelwürfeln eher erschlagend. Da aber der Geschmack überzeugt, bleibt dieser Punkt marginal.

Gebratener Atlantik-Steinbutt auf Beurre Blanc und Kartoffel-Kapern-Ragout
Gebratener Atlantik-Steinbutt auf Beurre Blanc und Kartoffel-Kapern-Ragout

Die Langostinos mit weißen Bohnen baden in reichhaltigem Safranschaum, wobei Schaum hier eher ein Euphemismus ist, so butter- und sahnelastig wie es mir vorkommt. Das darauf folgende Lamm besticht durch makellose Qualität und Zubereitung, die Beilagen treten erneut in den Hintergrund.

Der Käsewagen im Schwarzen Adler ist so, wie man sich einen Käsewagen im deutsch-französischen Grenzgebiet vorstellt: üppig bestückt und von feinster, perfekt gereifter Qualität.

Käseauswahl vom Wagen
Käseauswahl vom Wagen

Nach einem ebenfalls großzügig bemessenen Vordessert, an das ich mich allerdings nicht mehr genau erinnern kann, schließt der Abend erneut mit einem Gericht, bei dem nicht der Geschmack, aber die Proportionen verrutscht sind. Eine täuschend echt nachgeformte Birne ist mit Sorbet gefüllt, thront auf einem Sockel von Vanilleparfait, der umhüllt ist von Schokolade, darauf eine Karamellmousse. Nettogewicht sämtlicher Eiskomponenten dürfte so bei 250-300g liegen. Da dient die Sauce von Birnenmark als frische Komponente nur noch mühsam als Alibi. In halber Größe wäre dieses Dessert als Abschluss eines Menüs immer noch völlig ausreichend gewesen. Aber in Baden und im Schwarzen Adler meint man es halt gut mit dem Gast und hungrig düfte hier vermutlich noch nie jemand vom Tisch aufgestanden sein.

Über die legendäre Weinkarte ist anderswo schon ausführlichst berichtet worden. Wer neugierig ist, sollte einen Blick auf die Homepage werfen, auf der man sich vorab schon mal einlesen kann. Neben dem gesamten Sortiment des eigenen Weinguts finden sich in beeindruckender Breite und Jahrgangstiefe nicht nur alle großen Namen aus Deutschland, sondern vor allem aus dem Bordeaux. Wer einmal wie wir das Vergnügen einer Führung durch den Weinkeller auf der gegenüber liegenden Straßenseite hatte, möchte sich dort am liebsten einschließen lassen. Dies ist der Himmel auf Erden und man mag sich den Wert der dort liegenden Bouteillen kaum vorstellen. Dass die Preise, die hierfür im Restaurant aufgerufen werden, zu den günstigsten in Deutschland gehören, passt wiederum in das Bild der Gastlichkeit und Großzügigkeit, die von Fritz Keller, dem Patron, gepflegt wird. Dass er morgens wie abends seine Runde durchs Haus macht und jeden Gast persönlich begrüßt, auch in der übrigens ebenso empfehlenswerten Gastwirtschaft gegenüber, versteht sich von selbst.

Das Intérieur
Das Intérieur

Manche Häuser besucht man nicht nur des Essens wegen oder des besonderen Komforts, sondern weil sie als Gesamtkunstwerk einzigartig sind. Das Hotel hat keinen Aufzug, keinen Wellness-Bereich, nicht mal eine Lobby. Die Zimmer zur Straße hin sind für empfindliche Gemüter viel zu laut (Gott sei Dank sind wir Großstadtkinder und kommen gut damit klar), dafür hat es eine sehr gemütliche Bar mit leise knisterndem Kamin, in der man sich gerne noch aus der ausladenden Weinkarte bedient. Nein, manche Häuser besucht man, weil sie unerschütterlich dem Gast verpflichtet sind und weil man in einer Welt, die sich permanent verändert, ab und zu etwas braucht, das bleibt, wie es ist. Weil es gut ist, wie es ist. In dem Sinne: À bientôt!

Details

Restaurant: Schwarzer Adler
Adresse: Badbergstrasse 23, 79235 Vogtsburg-Oberbergen
Öffnungszeiten: Freitag 18.30 - 24.00 Uhr
Samstag bis Dienstag 12.00 - 15.00 Uhr und 18.30 - 24.00 Uhr
Ruhetage: Mittwoch und Donnerstag
Website: www.franz-keller.de/restaurants/schwarzer-adler

Schlagworte

, , , , , , , ,

Verwandte Artikel


Dein Kommentar