Steira Wirt, Trautmannsdorf

Im Steira Wirt muss man sich festlegen. Am besten schon vorab, aber vor Ort ginge es wohl auch noch. Entweder man wählt aus der traditionellen Wirtshausküche Gerichte wie das Schnitzel vom Schwein, Beef Tartar, die Trautmannsdorfer Hochzeitssuppe und einiges Gegrillte. Ohne Zweifel wird das alles hervorragend sein, aber wenn man sich schon für dieses à la Carte-Angebot entscheidet, sollte man zumindest etwas von dem probieren, wofür Richard Rauch auch besonders bekannt ist: ein Innereien-Gericht. Nicht erst seitdem Tim Mälzer in seiner Küche Kuheuter zubereiten musste, ist Rauch als Spezialist für die inneren Werte bekannt.

Wir aber kommen für das kreative Alternativprogramm des Jeunes Restaurateurs. Hier wählt man nur zwischen 5 und 7 Gängen. Die Menükarte besteht aus einer losen Aufzählung von Zutaten, die im Menü vorkommen können, aber nicht zwangsläufig müssen. Selbstverständlich kann man ausschließen, was man nicht essen möchte, alles andere ist Überraschung.

Außenansicht
Außenansicht

Und die beginnt mit fünf fantasievoll präsentierten Grüßen, von denen bereits der erste zu überzeugen weiß. Kohlrabi, Kimchi, Muschel und Hühnerhaut ergeben ein komplexes, würziges Zusammenspiel. Im lockeren Kohlrabiblatt ist lediglich die Essbarkeit etwas fragil.

Amuse Bouche #1: Kimchi, Kohlrabi, Muschel, Hühnerhaut
Amuse Bouche #1: Kimchi, Kohlrabi, Muschel, Hühnerhaut

Deutlich kompakter, aber nicht minder köstlich, das aus Rinderfilet geformte Bällchen mit Erdnuss und Erdnussmayonnaise.

Amuse Bouche #2: Rinderfilet, Erdnuss
Amuse Bouche #2: Rinderfilet, Erdnuss

Als nächstes werden Ziegenkäse-Spinat-Päckchen mit Forellenkaviar im Korb serviert, in dem sie gedämpft wurden. Das ist nicht nur sehr schön anzusehen, sondern überrascht auch mit einer unerwarteten Würze.

Amuse Bouche #3: Ziegenkäse-Spinat, Forellenkaviar
Amuse Bouche #3: Ziegenkäse-Spinat, Forellenkaviar

Es folgt gebratener Spargel mit einer Eibuttercreme und zweierlei Holunder sowie zum Abschluss eine frühlingshafte, säuerlich frische Kombination aus Käsebruch, Erbsen und Sauerampfer.

Die Grüße nehmen wir noch auf der schönen Terrasse des Gasthauses ein. Für das eigentliche Menü wechseln wir nach drinnen. Und schon bald wird der erste Gang serviert, ein farbenfrohes Spiel aus Lachsforelle, Avocado und Radieschen. Letztere kommen einmal pur und einmal in Ingwer eingelegt, die Avocado ist in der Konsistenz eher Mousse als Creme und die Vinaigrette leicht angeliert. Geeiste Joghurtperlen runden das Ensemble ab, das ein schönes Spiel von Tiefe und Säure bietet.
An diesem Teller wird deutlich, dass hier in den Details bereits sehr präzise und ein wenig feiner gearbeitet wird, als man es in einem gewöhnlichen Wirtshaus erwarten würde.

Lachsforelle, Avocado, Radieschen
Lachsforelle, Avocado, Radieschen

Noch einmal kommt der Dampfkorb zum Einsatz, als das Brot serviert wird, ein helles Dampfbrot. Das wirkt zwar unerwartet unsteirisch (es sei denn, es gibt eine steirische Dampfbrot-Tradition, von der wir bisher nichts wussten), aber es ist eine ausgezeichnete Unterlage für die mit köstlichen Grammeln versehene Wurzelcreme. Spätestens damit und dem hauchdünnen Rettich sind wir dann auch wieder ganz regional unterwegs.

Dampfbrot, Wurzelcreme mit Grammeln, Rettich
Dampfbrot, Wurzelcreme mit Grammeln, Rettich

Weiter geht es mit Zander, der auf der Haut sehr kross gebraten ist. Lauchzwiebeln, Lauch, Spitzkohl sowie ein erneut leicht angelierter Tomatenfond und Mönchsbart, das Trendgemüse in 2018, runden einen guten, wenn auch eher soliden Gang ab.

Zander, Mönchsbart, Tomatenfond
Zander, Mönchsbart, Tomatenfond

Überraschend wird es aber mit dem nächsten Gericht, für das die Küche am Tisch zunächst einen massiven, 80° warmen Salzstein platzieren muss. In dünne Tranchen geschnittener Saibling ist zum Selbstgaren gedacht. Vorbereitet ist ein Teller mit Kräutercreme, Salat, Kresse, Kohlrabi, Ziegenfrischkäse in einer Sphäre, Butterbröseln und Fischchips. Zusammen mit dem gegarten Fisch ergibt das ein wunderbar ausgeklügeltes Ganzes, das in allen Komponenten sehr stimmig ist. Der Unterhaltungswert, den Gast hier aktiv bei der Zubereitung einzubeziehen, tut natürlich sein übriges.

Auf Salzstein gegarter Saibling, Kräutercreme, Ziegenfrischkäse, Kohlrabi
Auf Salzstein gegarter Saibling, Kräutercreme, Ziegenfrischkäse, Kohlrabi

Der erste Fleischgang ist eine handwerklich schön gearbeitete Terrine aus Entenleber und Rehschulter. Bei Tisch wird diese noch mit einem Leberschaum nappiert. Geschmacklich ist das schon sehr intensiv und würzig. Aber besonders originell wird das Gericht durch den knusprig frittierten Salat.

Beim Hauptgang stelle ich nach einigen Wochen fest, dass ich mir tatsächlich keine Notizen dazu gemacht habe. Das Problem ist allerdings, dass ich auch nicht wirklich erinnere, um welches Fleisch es sich gehandelt hat. Beim Betrachten des Fotos würde ich zwar auf Reh tippen, aber da kann ich auch total daneben liegen.
Ich weiß noch, dass ich das Fleisch und die Sauce gut fand, mir aber insgesamt ein wenig das Besondere fehlte. Auch die Beilage aus Bete und Püree (vermutlich Karotte) habe ich eher als konventionell abgespeichert. Normalerweise kann ich viele Gerichte auch so ganz gut erinnern, aber in diesem Fall sagt es sicher etwas aus, dass ich kaum etwas präzise erinnere. Es war bestimmt nicht schlecht, aber eben auch nichts, was sich intensiv eingeprägt hätte.

Reh (?), Rote Bete
Reh (?), Rote Bete

Das erste Dessert ist eine wahre Wundertüte. Denn man kann kaum erahnen, was sich unter dem Milchespuma alles verbirgt. Tatsächlich finden sich eine Nelken Panna Cotta, Milchreis, Matchacreme und Rhabarbereis darunter, so dass sich jeder Löffel neu präsentiert. Das ist originell gemacht, schmeckt in jeder Kombination, ist zwar durch den Milchreis recht sättigend, aber durch die Bank weg nur lecker.

Nelken Panna Cotta, Rhabarbereis, Milchreis
Nelken Panna Cotta, Rhabarbereis, Milchreis

In der Südoststeiermark ein Dessert ohne Zotter Schokolade zu servieren, geht eigentlich überhaupt nicht und so serviert Richard Rauch eine gebrannte weiße Schokolade mit Litschi, Buchweizen, Marshmellow und erneut noch einmal einer Panna Cotta. Das klingt mächtiger, als es tatsächlich ist und gut geschmeckt hat es auch. In der klassischen Menüabfolge ist das vermutlich der passende Abschluss, aber mehr begeistert hat mich doch das erste Dessert.

Gebrannte weiße Schokolade von Zotter, Litschi, Buchweizen
Gebrannte weiße Schokolade von Zotter, Litschi, Buchweizen

Mit einigen schön gearbeiteten Petits Fours, darunter Minz-Luftschokolade, Kürbiskern-Macarons und einem sehr fragilen Orangen-Taco endet das Menü. Eine üppige Schale ausgebackener Holunderblüten bringt uns vollends an unsere Kapazitätsgrenzen.

Petits Fours
Petits Fours

Dieses Überraschungsmenü hat uns viel Spaß gemacht. Insgeheim hatte ich erwartet, dass sich das ein oder andere Innereien-Gericht vielleicht auch im Gourmetmenü wiederfinden würde. Mit der Leber-Rehterrine ist die Küche unterm Strich ja noch auf sicherem Terrain geblieben. Dass Richard Rauch und sein Team, das die Gänge übrigens selbst am Tisch serviert und mit erkennbarem Stolz erklärt, über eine profunde, kreative Bandbreite verfügt, war aber auch so zu sehen. Natürlich spielt Regionalität auch hier eine große Rolle, aber mehr als bei anderen Köchen auf unserer Österreich-Tour, hatte Rauchs Küche häufig einen etwas weltläufigeren Touch.

Ein besonderes Wort verdient die Weinkarte, die von Richard Rauchs Schwester Sonja, die auch den Service leitet, mit großer Fachkenntnis zusammengestellt wurde. Sie bietet alles, was in Österreich Rang und Namen hat und derzeit spannend ist. Andere Regionen gibt es natürlich auch, aber für uns verbietet sich das, wenn wir in Österreich unterwegs sind. Die Preise jedenfalls, die hier aufgerufen werden, laden förmlich zu einer zweiten (oder dritten) Flasche ein. Selten genug auf Weinkarten zu finden, gab es keinen Weg vorbei am 2013er Sauvignon Blanc „Don’t Cry“ von Ewald Zweytick, einem der meiner Meinung nach besten Sauvignon Blancs überhaupt.

2013 "Don't Cry" Sauvignon Blanc, Ewald Zweytick, Ratsch / Südsteiermark
2013 "Don't Cry" Sauvignon Blanc, Ewald Zweytick, Ratsch / Südsteiermark

Für Gäste, die auch der zweiten oder dritten Flasche zusprechen, gibt es künftig auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Hotel, dass die Rauchs betreiben werden und auch für Seminare und als Kochschule nutzen werden. Auch ohne das haben wir mit dem „Steira Wirt“ jetzt aber noch eine Adresse mehr, die wir künftig in unsere Österreich-Reiseplanung einplanen müssen.

Details

Restaurant: Steira Wirt
Adresse: Trautmannsdorf 6, 8343 Bad Gleichenberg
Öffnungszeiten: Donnerstag - Montag: 12:00 bis 14:00 Uhr und 18:00 bis 21:00 Uhr
Dienstag und Mittwoch: Ruhetag
Website: www.steirawirt.at

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