Waldhotel Sonnora, Dreis-Wittlich

Von allen Dreisterne-Köchen der Republik ist Helmut Thieltges sicher der leiseste und der derjenige, der am wenigsten Aufhebens um sich macht. Keine Fernsehauftritte, keine Kochbücher, keine Gastkoch-Engagements, keine Runde durchs Restaurant – nix dergleichen. Diese Ernsthaftigkeit und Disziplin, mittags wie abends am Herd zu stehen, verdient allen Respekt und ist sicher nicht mehr selbstverständlich.

Dass einen an diesem Ort in der Eifeler Abgeschiedenheit keine modischen Experimente erwarten, ist hinlänglich bekannt. Dies ist ein Hort der traditionellen Klassik und die Tatsache, dass das Haus ausgesprochen gut gebucht ist und Gäste von weit her kommen ist ein Indiz, dass es eine ungebrochene Nachfrage danach gibt.

Gerade die immer wieder begeisterten Kommentare und auch vor allem die euphorische Kritik von Julien Walther jüngst in seinem „troisetoiles“-Blog waren auch für uns Anlass, unsere Erinnerungen mal wieder aufzufrischen. Schließlich liegen unsere beiden Besuche so lange zurück, dass es fast schon nicht mehr real scheint. Der erste Besuch fand noch zu einer Zeit vor der Umgestaltung des Restaurants statt, der zweite kurz danach, aber soweit ich mich erinnere, wurde die Rechnung auch damals noch in DM ausgestellt. Es war also mutmaßlich im letzten Jahrtausend.

Auf den ersten Blick hat sich seitdem nicht viel verändert. Die Putten im Garten künden immer noch von einem barocken Schrebergarten-Idyll, der gemusterte Teppich und das Besteck waren vielleicht vor 20 Jahren mal modern. Aber wir wissen ja, dass wir gewissermaßen einen Ausflug in die Vergangenheit machen und so sind dies Äußerlichkeiten, die wir eigentlich nur leicht amüsiert zur Kenntnis nehmen. Denn daneben gibt es eine herzliche Begrüßung und eine Betreuung durch Ulrike Thieltges, die so herzlich und bodenständig ist, wie wir sie auch trotz der langen Zeitspanne in Erinnerung haben. Allerdings würde ich mir den übrigen Service etwas weniger förmlich und etwas gesprächiger wünschen. Das ist schon überwiegend sehr alte Schule. Makellos, aber eben auch ein wenig distanziert.

Auf den zweiten Blick hat sich auch nicht viel verändert. Die Speisekarte listet Gerichte, die mir ebenfalls noch einigermaßen vertraut klingen. Die Maccaroni-Charlotte taucht vermutlich in unterschiedlicher Begleitung permanent auf und warum sollte ein Klassiker wie das Tatar mit Kaviar auf Rösti von der Karte verschwinden, wenn es längst ein Signature Dish ist?

Unser Einstieg ins Menü beginnt vorzüglich. Als erster Gruß erreicht uns eine Creme Vichssoise im Martiniglas mit Krustentiergelee, Räucheraal und einer gut dosierten Menge Kaviar. Das ist in Konsistenz und Ausführung perfekt und der Geschmackakkord ist fast schon dekadent süchtg machend.

Creme Vichyssoise mit Krustentiergelee und Räucheraal
Creme Vichyssoise mit Krustentiergelee und Räucheraal

Das danach folgende Dreierlei aus gebackener Edelfischpraline (was für ein merkwürdig antiquierter Ausdruck – warum kann man den Fisch nicht benennen?), Auster und Thunfischtatar sind erneut handwerklich einwandfrei, aber auch etwas beliebig und spannungsarm. DasThunfischtatar hat mir noch am besten gefallen, aber das mag auch am sensationellen Rösti gelegen haben, auf dem es thronte.

Gebackene Edelfischpraline auf Mango-Chutney / Gillardeau-Auster mit Holunderblütenessig und Minze / Thunfischtatar auf Rösti
Gebackene Edelfischpraline auf Mango-Chutney / Gillardeau-Auster mit Holunderblütenessig und Minze / Thunfischtatar auf Rösti

Im Waldhotel Sonnora darf man sich sicher sein, nur die besten Zutaten serviert zu bekommen. Von Helmut Thieltges stammt der sympatische Grundsatz, dass man Gästen, die hunderte von Kilometern anreisen, auch etwas bieten müsse. Ohne Frage findet sich dieses Credo auch in den Hauptzutaten wieder. Fische, Krustentiere, Fleisch – alles nur vom Feinsten. Ob aber Ende März bereits eine Spargelqualität zu bekommen ist, die den strengen Ansprüchen genügt, wage ich zu bezweifeln. Unser Spargelsalat war in Ordnung, aber stach nicht durch irgendetwas besonderes heraus. Die dazu gebratene Rotbarbe war sehr fein. In Summe allerdings war das für mich höchst unspektakulär.

Felsenrotbarbe aus der Bretagne auf Spargelsalat mit Joghurt-Limonen-Marinade und Korianderöl
Felsenrotbarbe aus der Bretagne auf Spargelsalat mit Joghurt-Limonen-Marinade und Korianderöl

Auf die danach folgende Maccaroni-Charlotte mit Morcheln hingegen freute ich mich bereits im Vorfeld und wurde nicht enttäuscht. Großzügig portioniert badeten die Pilze in einer schaumig-cremigen Sauce von PX Sherry, die Charlotte gefüllt und zusammengehalten von einer feinen Farce. Das ist Klassik, die mir gefällt und die mich begeistert.

Maccaroni-Charlotte mit Frühlingsmorcheln in PX-Sherry-Creme
Maccaroni-Charlotte mit Frühlingsmorcheln in PX-Sherry-Creme

Die Jakobsmuschel, selbstverständlich in beeindruckender Größe, gehört ebenfalls zum Standardprogramm eines Thieltges-Menüs. Vor zwanzig Jahren (und ich meine, auch in jüngeren Kritiken vergleichbares gelesen zu haben) gerne mit Chicoree und zweierlei Saucen begleitet, kommt heuer auf Spinat und mit Sauce Pomerol und Chabliscreme. Auch hier gibt es an der Güte nichts auszusetzen. Die Muschel ist scharf angebraten, wie ich es mag, und die Saucen reichhaltig und intensiv. Indes fehlt mir hier ein wie auch immer geartetes Überraschungsmoment.

Gebratene St. Jakobsmuschel aus Dieppe auf Spinat mit Sauce Pomerol und Chabliscreme
Gebratene St. Jakobsmuschel aus Dieppe auf Spinat mit Sauce Pomerol und Chabliscreme

Gleiches gilt für die Seezunge, bei der mediterranes Terrain beschritten wird. Ein wenig Fenchel, Artischocke, Tomaten-Concassée, Frühlingszwiebeln, Basilikum, eine Vinaigrette aus (zugegebenermaßen feinstem) Olivenöl und Balsamico – that’s it. Gut? Ja. Sehr gut? Meinetwegen. Referenzklasse (wie andernorts beschrieben)? Nein.

Seezungenfilet "Petit Bateau" mit Fenchelmousseline in mediterraner Vinaigrette mit Olio Verde und Balsamico
Seezungenfilet "Petit Bateau" mit Fenchelmousseline in mediterraner Vinaigrette mit Olio Verde und Balsamico

Im Hauptgang freuen wir uns nach mehreren Tagen in Folge US Beef auf die Challans-Ente, die mit einer fabelhaften, leicht orientalischen Kruste perfekt gebraten kommt. Dazu etwas konfiertes Dörrobst im Croustillant (wenn ich es richtig erinnere) sowie eine Sauce à l’Orange. Alles sehr passend, sehr stimmig und gut. Dieser Gang wirkt, auch ohne die große Leistungsschau kleinteiliger Elemente und ausufernder Variationen.

Suprême von der Challans-Ente von Burgaud mit Wirsing und confiertem Dörrobst auf Sauce à l'Orange
Suprême von der Challans-Ente von Burgaud mit Wirsing und confiertem Dörrobst auf Sauce à l'Orange

Es folgt ein gut sortierter Käsewagen und ein Pré-Dessert, das für mich zu den Highlights des Abends zählt. Das Cremesorbet „Billecart Salmon“ weckt natürlich Erinnerungen an das Ruinart-Sorbet von Sven Elverfeld. In Wolfsburg wird es pur serviert, im Waldhotel auf einem Mangoragout. Das ist buttrig, cremig, durch das Ragout dennoch leicht und einfach sehr lecker.

Das dann folgende Dessert gehört für mich zu den schwächsten auf unserer Reise. Ein soufflierter Rhabarber-Bisquit hat für mich keine besonders ansprechende Konsistenz und wirkt wie ein kleiner Rührkuchen, also eher banal. Gleiches gilt für das Erdbeerkompott und die Erdbeersauce. Das Basilikumeis ist gut, hebt das Gericht aber auch nicht mehr in den Stand von etwas Besonderem.

Soufflierter Rhababer-Bisquit auf Erdbeer-Salpicon mit Basilikumeis
Soufflierter Rhababer-Bisquit auf Erdbeer-Salpicon mit Basilikumeis

Den Abschluss bilden einige schöne und leckere Petits Fours klassischen Zuschnitts und zum Kaffee gibt es heute wie damals ein kleines Stück Kuchen oder Torte, ebenfalls makellos.

So endet der Ausflug in unsere eigene Vergangenheit. Die Essen im Waldhotel gehörten neben der Schwarzwaldstube, dem Scholteshof von Roger Souvereyns und vor Ort dem „La Forge“ in Riepen zu den Stationen unserer kulinarischen Sozialisation, was sehr gute Küche angeht.

Viel ist seitdem passiert und aufregende Konzepte sind über das Land und den Kontinent gezogen. Manche sind so schnell wieder verflogen, wie sie gekommen sind, andere haben sich mit der Zeit weiterentwickelt und ihre Gäste mitgenommen.

Im Waldhotel Sonnora ist die Zeit auf eigentümliche Weise stehen geblieben. Unser Menü war gut, ohne Frage. Aber in vielem erinnerte es mich an unsere letzten Besuche vor vielen, vielen Jahren und ich fragte mich, ob nicht auch bei einem Bewahrer der Klassik die ein oder andere zarte moderne Entwicklung Einzug halten könnte, ohne dass man seinen Stil deswegen aufgeben muss. Harald Wohlfahrt oder Claus-Peter Lumpp haben dies geschafft und bei Klaus Erfort, der auch nicht gerade zu den Avantgardisten zählt, wirkt klassische Küche trotzdem modern und auf der Höhe der Zeit.

Ich habe den „troisetoiles“-Artikel sehr oft gelesen, um zu schauen, ob ich etwas von dieser Euphorie auch in mir wiederfinde. Ja, das Essen war gut, stellenweise sehr gut. Aber begeistert – ich bin untröstlich – hat es mich nicht.

Details

Restaurant: Waldhotel Sonnora
Adresse: Auf'm Eichelfeld 1, 54518 Dreis
Öffnungszeiten: Donnerstag bis Sonntag
12.00 bis 14.00 Uhr
Mittwoch bis Sonntag
19.00 bis 21.00 Uhr
Montag und Dienstag Ruhetag
Website: www.hotel-sonnora.de

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Kommentare

  1. Axel Westenberger am 9. Oktober, 2017 um 20:59 Uhr.

    Bei jedem Essen im Sonnora waren wir begeistert,alleine schon die erstklassigen Produkte. Da brauche ich nicht jeden neuartigen Schnick Schnack

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