Hueber der Wirt, Sankt Georgen an der Leys

Auf dem Weg vom Chiemgau in die Steiermark suchten wir nach einer Station, die einigermaßen mittig liegt und uns noch nicht bekannt ist. So landen wir in Sankt Georgen an der Leys, einem Dorf mit gerade mal etwas mehr als 1.000 Seelen in Niederösterreich. Hier im Mostviertel und nicht so weit entfernt von der Wachau ist, so ehrlich muss man sein, nicht wirklich viel los. Aber eine Adresse weckte dann doch unsere Neugier und die fanden wir mit dem „Hueber der Wirt“, einem Gasthaus mit Zimmern, das sowohl vom Michelin erwähnt wird, im Gault Millau mit 15 Punkten ausgezeichnet ist und das Mitglied bei den Jeunes Restaurateurs ist.

Stefan Hueber betreibt das Haus, das über eine lange Familiengeschichte verfügt, mit seiner Frau Silvia als Wirtshaus, das kulinarisch mehrgleisig fährt. Mit einer reinen Fine Dining-Küche täte man sich in diesem etwas abgelegenen Landstrich vermutlich schwer und so listet die Karte neben einem Gourmetmenü auch zahlreiche eher rustikale Gasthausgerichte, ebenso wie eine deftige Jause. Uns kommt das sehr entgegen, denn wir bleiben zwei Nächte und wollen beide Seiten kennenlernen.

Nach dem umfangreichen Menü im Chiemgau ist uns am ersten Abend nach etwas Einfacherem. Brot und Tomaten-Miso-Butter bestellt man separat, wobei das dunkle Sauerteigbrot ungemein saftig und geschmackvoll ist, aber eben auch ziemlich gehaltvoll.

Brot & Butter
Brot & Butter

Mein Mann startet mit einer Eierschwammerl-Schaumsuppe, die am Tisch angegossen wird. In der Schüssel findet sich reichlich Einlage von Pfifferlingstatar und Croutons, dazu auch konfiertes Eigelb. Die Suppe weist einen schönen ausgeprägten Eigengeschmack auf, könnte lediglich etwas heißer sein.

Eierschwammerl Schaumsuppe
Eierschwammerl Schaumsuppe

Für mich soll es ein Pilzbeuschel sein. Das ist enorm schlotzig und aromatisch. Als Einlage dient ein gefüllter Schlutzkrapfen, dessen Teig etwas fest gerät, aber ebenso geschmackvoll ausfällt. Ein paar Rettichscheiben bringen etwas Frische ins Gericht. Sehr schöne Wirtshausküche.

Pilzbeuschel
Pilzbeuschel

Als Backhendl-Fan kann ich natürlich nicht an den ausgelösten Haxen vorbei. Die sind wunderbar saftig und kommen mit Preiselbeeren und Kürbiskernöl-Mayonnaise. Vier üppige Stücke sorgen für eine großzügige Portion, die für sich bereits schon gut sättigt. Dass ich mir dennoch dazu Salatherzen bestelle, ist der Tatsache geschuldet, dass etwas Salat ja als frisches Element nicht schaden kann. Was dann aber kommt, ist ein veritabler gemischter Salat mit Tomaten, Tomatenchutney, Croutons und Mozzarella, der für sich genommen natürlich sorgfältig und gut gemacht ist, aber als Beilage dann auch wieder zu üppig gerät. Aber beides macht mich dennoch ziemlich glücklich.

Meine bessere Hälfte entscheidet sich für das Steak des Tages, das an diesem Tag ein Beiried ist. Es kommt perfekt rosa gebraten zusammen mit knuspriger Kartoffelschnitte und gegrillten Salatherzen mit Sauerrahmcreme und Paprika. Schon an diesen Beilagen erkennt man, dass hier auch bei solchen Gerichten durchaus kreativer gedacht wird. Die separat dazu servierte Sauce ist vorzüglich, so dass auch dies ein sehr akkurat und gut gemachter Gang ist.

Eigentlich könnten wir mit einem Schnaps an dieser Stelle Schluss machen, denn satt sind wir bereits mehr als genug. Tatsächlich gönnen wir uns den Schnaps und werden dann – mal wieder – etwas übermütig. Wir teilen uns noch eine Portion Käse, die hier aus fünf internationalen, gut gereiften Sorten besteht. Dazu gibt es auch noch eine Reihe Beilagen, ein Rhabarberkompott, ein Chutney, das ich als Apfel mit Curry identifiziere, Weingelee, Honig und eingelegte Dirndl, also Kornellkirschen. Normalerweise brauche ich all das nicht, aber da die Präsentation schon so liebevoll gemacht ist, probiere ich alles zumindest, befinde es für gut, esse den Käse dann aber doch lieber pur.

Käse des Tages
Käse des Tages

Und dann stolpere ich noch über ein Dessert, das mich dann doch sehr neugierig macht. Die Karte verspricht eine Schokoladentarte nach Bernard Pacaud. Nun war ich nie im „L’Ambroisie“ in Paris, kenne aber genug Berichte von der dort legendären Schokoladentarte, die schon auf Fotos unverschämt locker und schaumig wirkt.

Stefan Huebers Version mit Zotter Schokolade und einem Hafer Mürbeteig hat damit nicht viel zu tun. Es ist ein warmer Kuchen mit halbflüssigem Kern. Lecker durchaus, aber weit entfernt von Pacauds Original. Das Café-Eis dazu ist gut gemacht.

Schokoladentarte mit hausgemachtem Cult Cafe Eis
Schokoladentarte mit hausgemachtem Cult Cafe Eis

So geht der erste Abend genau so zu Ende, wie wir uns das gewünscht haben. Natürlich haben wir uns mal wieder hemmungslos überfuttert, aber die Gerichte haben uns eine Wirtshausküche präsentiert, die durchaus Pfiff hat und modern daher kommt.

Für den zweiten Abend soll es aber das Fünfgang-Menü (85€) sein und das zeigt bereits bei den zahlreichen Snacks vorab, das hier auch küchentechnisch gleich deutlich aufs Gaspedal getreten wird.

Beeindruckend zum Beispiel der frittierte Rotauge, ein klassischer Beifang beim Fischen, mit einem Mantel aus gepoppten Grammeln. Oder ebenso die falsche Tomate, einer Schafskäsecreme im Tomatengeleemantel.

Auch ein frittierter Hühnerhautchip in Backhendlmanier, der zwar etwas rustikal, aber geschmackvoll gerät, ist gut gelungen. Noch besser die intensive Räucherfisch-Dashi oder der Strudel mit Blunzenfüllung.

Das Menü startet dann mit einer Forelle, die entweder gebeizt oder gereift wurde. Auf jeden Fall zeigt sie eine recht feste Struktur. Obenauf gibt es sehr feine, halbierte Erbsen und eingelegten Spargel, das Ganze in einem Erbsensud, der dem Gericht eine kräftige Struktur gibt. Eine stimmige und gelungene Kombination.

NEUBRUCK FORELLE . Erbse . Hollunderblüte . Camelina . michsaurer Spargel
NEUBRUCK FORELLE . Erbse . Hollunderblüte . Camelina . michsaurer Spargel

Deftig wird es mit dem folgenden Gang, in dem hausgemachte Blunz’n, also Blutwurst, die Hauptrolle spielt. Sie ist relativ würzig, so wie man es erwarten kann und von fester Konsistenz. Dazu eine Kartoffelschnitte, wie schon am Tag zuvor zum Beiried, erneut ausgezeichnet zubereitet. Apfel-Meerrettich-Kompott und Senfsaat ergänzen die Blutwurst passend. Die Sauerkraut-Velouté dazu ist nicht sehr vordergründig, sondern eher elegant, was einen schönen Kontrast zum Rustikalen bringt.

BLUNZ‘N . handgemacht . Sauerkrautveloute . Kren . Erdäfel . Apfel
BLUNZ‘N . handgemacht . Sauerkrautveloute . Kren . Erdäfel . Apfel

Es folgt Wildhendl vom befreundeten Züchter, wobei die Brust, obgleich bereits halbiert, immer noch von stattlicher Größe und ungemein saftig ist. Das Keulenfleisch ist geschmort und in Zylinderform gebracht. Zucchinischeiben, Pfifferlinge als Tatar und gegrillte Artischocke mit, zumindest auf meinem Teller, etwas harten Außenblättern und Tonburi, auch bekannt als Kaviar des Feldes, machen dies zu einer ausgewachsenen Portion, die auch als Hauptgang hätte durchgehen können.  Unabhängig davon ist die Fleischqualität außergewöhnlich gut und die Jus ebenso fein.

WILDHENDL vom Hans . Eierschwammerl . Zucchini . Blüte
WILDHENDL vom Hans . Eierschwammerl . Zucchini . Blüte

Dass der eigentliche Hauptgang dann deutlich reduzierter daher kommt, ist uns nur recht. Wobei das Stück vom drei Wochen gereiften Lamm mit knuspriger Fettschicht und Aubergine mit Paprika nichts vermissen lässt. Ganz fabelhaft auch hier erneut die klassisch reduzierte, sehr aromatische Jus. Ausgezeichnet.

MERINO LAMM . Tiger Aubergine . N‘duja . Tropfen Paprika . Vadouvan
MERINO LAMM . Tiger Aubergine . N‘duja . Tropfen Paprika . Vadouvan

Mit Erdbeersorbet auf Rhabarberkompott in Holundersud folgt ein schön erfrischendes Pré-Dessert, in dem vor allem die geeisten Johannisbeeren für einen mächtigen Säurekick sorgen.

Pré-Dessert
Pré-Dessert

Das eigentliche Dessert verbirgt dann in einem Ring von weißer Schokolade und auf einem Mürbeteigsockel ein Sorbet von Heidelbeeren, einen Schaum von Kokos sowie eine Creme von Indianerbanane, einer Züchtung, die wie eine Kombination aus Banane und Mango schmeckt. Obenauf wird noch warme Schokoladensauce gegeben. So ergibt sich eine wahre Überraschungskiste, die mit verschiedenen Texturen und Temperaturen spielt. Das passt, ist aber unterm Strich auch relativ mächtig.

SCHEIBBSER HALBKUGEL . Waldheidelbeere . Kokos . Manker Indianerbanane . Schokolade
SCHEIBBSER HALBKUGEL . Waldheidelbeere . Kokos . Manker Indianerbanane . Schokolade

Als Petit Four serviert Stefan Hueber noch eine Kleinversion eines seiner Signature-Desserts, der Cremeschnitte. Zwischen karamellisierten Blätterteigschichten findet sich eine Karamellcreme und Mispelkerneis. Das ist gehaltvoll und lecker, aber eben auch relativ süß. Ich hatte am Vorabend mit dem Gedanken gespielt, mir das zum Dessert zu bestellen. Da hätte ich vermutlich kapitulieren müssen, aber in dieser Miniversion funktioniert das noch sehr gut und stellt einen schönen Abschluss des Menüs dar.

Petit Four
Petit Four

Diese zwei Abende haben uns einen prima Querschnitt durch das Programm des Restaurants geboten. Und es ist bewundernswert, wie gut das alles nebeneinander funktioniert. Rustikale Gerichte und feine, ausgetüftelte Gänge, manchmal durchaus mit fließenden Übergängen, haben hier gleichermaßen ihren Platz. Und das Publikum weiß beides zu schätzen. Dass es dann auch Gruppen gibt, wie eine muntere Damenrunde, die sich den ganzen Abend an klassischen Jausentellern mit Geselchtem, Speck und Käse und dem ein oder anderen Schnapserl gütig halten, demonstriert zusätzlich, was das Haus hier ausmacht.

Ob man dabei Bier vom Fass oder aus der umfangreichen und anspruchsvollen Weinkarte wählt, spielt dabei ebenso wenig eine Rolle.

Man will ein Platz für alle sein, eben ein klassisches, aber auch undogmatisches Wirtshaus, wie man es sich in der heutigen Zeit wünscht. Nennen wir es Wirtshaus 2.0 – das trifft es eigentlich ganz gut.

Details

Restaurant: Hueber der Wirt
Adresse: Sankt Georgen an der Leys 18, 3282 Sankt Georgen an der Leys
Öffnungszeiten: Mittwoch + Donnerstag: 17.30 - 21.00 Uhr
Freitag + Samstag: 11.30 - 14.00 Uhr & 17.30 - 21.00 Uhr
Sonntag: 11.30 - 14.30 Uhr
Montag + Dienstag: Ruhetag
Website: www.hueberderwirt.at/

Schlagworte

, , , , , ,

Verwandte Artikel


Kommentare

  1. Carsten am 23. September, 2025 um 15:47 Uhr.

    Schöne österreichische Gasthaus Perle! Findet man eine, vergisst man sie nicht mehr. Erster oder zweiter Abend? Ich will beide.

  2. Martin am 25. September, 2025 um 12:50 Uhr.

    Bereits 2016 habe meine Frau und ich dort auf einer Reise von Köln aus in den südöstlichen Teil Österreichs dort einen Zwischenstopp mit Übernachtung eingelegt. Damals gab es zwar noch nicht das Fine-Dining Konzept, aber die Küche des Wirtshauses war zu dieser Zeit schon sehr sehr gut.

    Es freut mich das es solche Wirtshäuser gibt und besonders das das Niveau auf einem längeren Zeitraum aufrecht erhalten wird bzw. (wie hier) sogar noch erweitert wird (Fine-Dining).
    Und das schöne ist, in Österreich findet man noch einige solcher Perlen an Wirtshäusern.
    Z.B. nicht weit erntfernt von St. Georgen a.d. Leys, in Kirchberg a.d. Pielach, gibt es auch so ein Wirtshaus, den Gasthof Kalteis. Erst letztes Jahr ausprobiert.

    Und wenn es euch mal nach Süd-Ost-Österreich verschlägt (Südost-Steiermark, Vulkanland, südliches Burgenland) gebe ich euch gerne einige Tipps für tolle Wirtshäuser und Finde-Dining.

  3. Peter am 26. September, 2025 um 9:46 Uhr.

    Ganz wunderbar sieht das alles aus, diese „raffinierte Wirthausküche“. Leider gibt’s das insbesondere im Nordosten Deutschlands zu wenig, umso mehr macht es Lust mal wieder die Alpenrepublik zu besuchen. Danke für den Bericht!

Dein Kommentar