L’Ecailleur, Honfleur

Montage sind schwierige Restauranttage. Die meisten guten Lokale haben dann oft geschlossen. Und ist man, wie wir, ein paar Tage in einer ausgeprägten Touristengegend, läuft man ohnehin Gefahr, mangels ausreichender Ortskenntnis in einer der zahlreichen Abzockfallen zu landen.

Aber erwähnte ich nicht vor kurzem erst den Segen der Verlässlichkeit des roten Guides, der auch Häuser unterhalb der Sterne- und Bib-Kategorie aufführt, denen man üblicherweise gefahrlos vertrauen kann? So reservieren wir also mutig einen Tisch im „L’Ecailleur“, einem Ecklokal, direkt am malerischen Hafen gelegen, also dort wo sich 50 Meter weiter eine Touristenfalle an die andere reiht und der Platz pro Gast nur knapp über dem eines gewöhnlichen Käfiggockels bemessen ist. Im „L’Ecailleur“ ist es auch nicht viel mehr. Auf einer Fläche von gefühlt nicht mehr als 25qm zähle ich an diesem Abend 27 Gäste. Es soll also kuschelig werden. Nur gut, dass wir die Nachbarn nicht und sie uns mutmaßlich auch nicht verstehen.

Der Service ist von unerschrockener Heiterkeit und lächelt die Umstände charmant hinweg. Das Glas Champagner, eine kleine Flûte, praktischerweise mit Logo des Herstellers, und das denkbar ungeeignetste Glas für Champagner überhaupt, wird bis zum Rand gefüllt. Ein Wunder, dass die Bedienung es kleckerfrei an den Tisch bringt. Selbst wenn das nun einen halben Zentimeter über dem imaginären Eichstrich eingeschenkt wurde – die 14 Euro für das Glas sind auch mit größtem Wohlwollen nur als sportlich zu bezeichnen.

Wir wählen einmal das Menü zu 48 Euro und einmal das zu 31 Euro mit zusätzlichem Käsegang. In beiden Menüs hat man die Auswahl aus jeweils vier Vorspeisen und Hauptgerichten. Bei den Desserts herrscht dann nahezu Deckungsgleichheit.

Aus dem günstigeren Angebot starte ich mit der marinierten Makrele als Tatar und in Banyuls-Essig eingelegten gebratenen Champignons. Es sieht wie Katzenfutter aus. Über der undefinierbaren Pampe wurden wahllos einige Sprossen verteilt, die sich weder vernünftig essen, noch schneiden lassen und auch sonst keinen großen Sinn ergeben. Bis zum Ende will sich mir nicht erschließen, wie hier gearbeitet wurde. Ich beschließe, dass dieses Gericht wohl tatsächlich überwiegend mit Dosenware zubereitet worden sein muss. Frisch jedenfalls schmeckt anders und sieht auch anders aus. Daran ändern auch die sorgsam abgezählten vier Kaviarkügelchen in der Deko nichts.

 

Marinierte Makrele als Tartar, gebratene Champignons in Banyuls-Essig eingelegt
Marinierte Makrele als Tartar, gebratene Champignons in Banyuls-Essig eingelegt

Die Foie Gras Terrine mit Chutney und einem sehr intensiven Gewürzbrot aus dem zweiten Menü ist hingegen, abgesehen von der etwas zu kalten Temperatur, tadellos.

Foie Gras Terrine mit Chutney
Foie Gras Terrine mit Chutney

Im Hauptgang geht es bei mir weiter mit einem Perlhuhn-Suprême, gebratenen Austernpilzen und Kartoffeln. Leider ist das Huhn gleich zweimal gestorben. Dass die Haut schön kross ist, ist schon das erfreulichste. Das ist allerdings eher dem Umstand zu verdanken, dass das Huhn wahlweise zu schnell und zu heiß oder schlichtweg zu lange gebraten wurde. Mutmaßlich aber beides. Denn so trocken habe ich ein Perlhuhn selbst noch nie hinbekommen. Die Pilze wurden ebenfalls recht lange und rösch gebraten, so dass sie eine wenig bissfreundliche Konsistenz erhalten. Ob die Kartoffelwürfel wirklich Kartoffeln waren oder vielleicht doch Karotten, ist nicht mehr eindeutig festzustellen. Farbe und Röstgrad könnten auf beides zutreffen. Ein Schnittlauchhalm sorgt für belebende, frische Auflockerung auf dem Teller.

Perlhuhn-Suprême mit gebratenen Austernpilzen und Kartoffeln
Perlhuhn-Suprême mit gebratenen Austernpilzen und Kartoffeln

Das Tournedo Rossini auf der anderen Seite sieht mit seiner Scheibe gebratener Foie Gras tatsächlich fast so aus, wie man es erwarten würde. Nun gut, den Trüffel muss man sich wegdenken. Dafür arbeitet die Küche aber gerne mit Trüffelöl. Bei jedem dritten Gericht auf der Karte ist das Zauberzeug aufgeführt. Ansonsten ist der Gargrad des Fleisches gut getroffen. Wenn man allerdings ein paar Minuten wartet, wird die nächste Nachlässigkeit der Küche offenkundig. Das Fleisch hat nicht ausreichend, wenn überhaupt geruht, so dass sich alsbald der Fleischsaft unschön mit der extrem fettigen Kalbsjus vermischt. Zwei Kartoffelhälften lassen ob ihrer weichen Konsistenz ebenfalls Fragen zur Zubereitung aufkommen. Und über das gebissfreundliche Ratatouillegemüse legt die Küche sicherheitshalber von sich aus einen fettig ausgebackenen Teigstreifen und ich den Mantel des Schweigens.

Rind nach Art eines Tournedo Rossini mit reduziertem Kalbsfond und Trüffelöl
Rind nach Art eines Tournedo Rossini mit reduziertem Kalbsfond und Trüffelöl

Vor dem folgenden Käsegang frotzele ich noch, dass man damit ja eigentlich nicht viel falsch machen könne, außer ihn direkt aus dem Kühlschrank zu servieren. Es kommen Camembert, Pont l’Évêque und Tomme de Savoie in ziemlich gutem Reifezustand – direkt aus dem Kühlschrank. Die drei bunten Kleckse sind zuckersüße Marmeladen. Ich versuche sie, nicht anzurühren, was nur bedingt gelingt, denn zum Schneiden der Rinde rutscht der Tomme de Savoie zwangsläufig mitten hinein in das klebrige Inferno. Es ist ein Jammer.

Käseauswahl
Käseauswahl

Zum Abschluss verzichten wir auf übermäßig Süßes in Form von Schokolade oder irgend etwas Teigigem und entscheiden uns für die dreierlei Sorbets. Birne, Apfel und Kirsche sind ohne Zweifel Industrieware. Beim Apfel ist die Farbe künstlich, bei der Kirsche gleich Farbe und Geschmack. Nicht mal die Kiwischeiben, auf denen die Kugeln thronen, möchte ich essen, denn die Schale zu entfernen war der Küche wohl zu viel Aufwand.

Dreierlei Sorbets
Dreierlei Sorbets

Zu all dem haben wir eine Flasche 2011 Château Haut Breton Larigaudière aus dem Margaux getrunken. Es wäre schön, wenn ich sagen könnte, dass wenigstens das etwas Erinnerungswürdiges hinterlassen hätte. Aber auch der Wein war nur ordentlich und bestenfalls Mittelmaß, wie der Champagner aber durchaus souverän kalkuliert.

Auf Kaffee und Digestif verzichten wir. Wir erwarten nicht, dass das noch etwas retten könnte. So bleibt die Erkenntnis, dass auch der Guide mit seinen Empfehlungen daneben liegen kann. Wie das „L’Ecailleur“ allerdings zu überwiegend sehr positiven Bewertungen in allen Portalen kommt, hat sich mir heute nicht erschlossen. Die Küchenleistung strotzte teilweise vor handwerklichen Fehlern. Der massive Einsatz von Trüffelöl und die Verwendung von Fertigprodukten sind ohnehin nicht zu rechtfertigen. War der Service auch sehr freundlich – das Essen war einfach nicht gut.

Dann beim nächsten Mal doch gleich 50 Meter weiter gehen und zu deutlich günstigerem Kurs eine anständige Portion Moules Frites essen. Damit sollte dann wirklich nichts schief gehen.

Details

Restaurant: L'Ecailleur
Adresse: 1 Rue de la République, 14600 Honfleur
Öffnungszeiten: Freitag - Dienstag 12.00 - 14.00 Uhr und 19.00 - 21.00 Uhr
Mittwoch und Donnerstag Ruhetag
Website: www.lecailleur.fr

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