L’Origine, Dijon

Es ist schon bemerkenswert, wie häufig in Frankreich japanische Küchenchefs nach Stationen bei renommierten Köchen ihre eigenen Restaurants öffnen. Ganz offenbar übt die französische Gastronomie noch immer eine magische Faszination aus, das eigene Heimatland zu verlassen und im Mutterland der Kulinarik sein Glück zu versuchen.

Auch Tomifumi Uchimura macht da keine Ausnahme. Nach Stationen in Japan wechselt er nach Frankreich und ist dort drei Jahre im „Le Flocon de Sel“ und anschließend sogar neun Jahre im „Lameloise“, beides Häuser mit drei Sternen, tätig. In Dijon öffnet er am Place Wilson, etwas abseits der malerischen Altstadt in einem imposanten Haus mit dem „Origine“ sein eigenes Restaurant und wird 2022 mit dem ersten Stern ausgezeichnet. Der Gault Millau kürt ihn zudem zu einen „Grand de Demain“, also einen Großen von Morgen. Man sieht also Potential. Und das weckt unsere Neugier, auch wenn es in der Stadt einen Zweisterner und ein Haus, das zur Loiseau-Gruppe gehört, gibt, die ebenfalls in der engeren Wahl standen.

Außenansicht
Außenansicht

Das Restaurant erstreckt sich über zwei Speisesäle, die von sachlicher Modernität geprägt sind. An diesem Abend ist das Haus ausgebucht.

Interieur
Interieur

Es gibt ein Menü in vier oder fünf Gängen (95€ / 125€) mit der Option, einen zusätzlichen zubereiteten Käsegang zu bestellen. Ein vegetarisches Menü wird auch angeboten (65€), ebenfalls mit der Käseoption. Warum vegetarische Gäste sich hier allerdings mit drei Gängen begnügen müssen, bleibt rätselhaft. Geht man davon aus, dass sie generell nicht viel Hunger mitbringen?

Wir wählen das Fünfgang-Menü ohne Käse und starten zum Apéritif mit drei Snacks, die die Tradition der burgundischen Region aufnehmen sollen. Eine Tartelette mit Rindertatar ist solide und gut, aber wenig aufregend. Eine Gougère fällt erstaunlich lasch aus, denn es gibt mehr Luft als Füllung. Und auch eine ausgebackene Teigkugel mit undefinierbarer Füllung bleibt ziemlich ausdrucksarm. Von den angekündigten Schnecken, Fenchel und Knoblauch ist nicht viel zu merken. Im besten Fall kann man das noch als mild bezeichnen.

Apéros
Apéros

Sehr viel überzeugender fällt da das folgende Amuse Bouche aus. Eine Vichyssoise von Pfirsichen mit einer Einlage aus Pfirsich, Gurke und etwas grober, geräucherter Wurst  changiert sehr gekonnt zwischen herzhaft und fruchtig und stellt eine sehr originelle Version dieses kalten Suppenklassikers dar. Außerdem passt das wunderbar zum sommerlichen Wetter.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Im ersten Gang wird ein gut gewürztes Tatar vom Thunfisch serviert, das mit allerlei Cremes ausdekoriert ist, unter anderem von Mozzarella. Sie sind aber so dezent eingesetzt, dass sie nicht einzeln, sondern mehr als Geschmacksakkord wahrgenommen werden. Der Kaviar indes ist so homöopathisch eingesetzt, dass er weder Wirkung noch Geschmack zeigen kann. Angegossen wird die derzeit angesagteste Version von Gazpacho mit Tomate und Wassermelone. Die schmeckt außerordentlich gut. Warum zu diesem Gericht dann allerdings kein Löffel aufgelegt wird und man den erst anfordern muss, weiß der Himmel. Zusammen ist das aber saulecker und sommerlich leicht.

À part wird noch ein würziger Chip mit Thunfischcreme serviert, was eine gute Ergänzung zum Hauptteller ist.

Es folgt ein Gericht, in dem Langoustine angekündigt wird. Hier erscheint es mir eher als ein größerer Gamberoni. Der wird serviert auf einem Bällchen von gedämpftem Kopfsalat, der mit einer Mousseline von Jakobsmuscheln und Pfifferlingen gefüllt ist. Die Pilze finden sich auch als Ragout in der herzhaften Jus. Dazu gibt es ein Pesto am Boden und einen Chip auf Basis des Corail und von Krustentieren. Hier kommen ausgezeichnetes Handwerk sowie eine kreative Komposition zusammen, die mit kräftigem und vorzüglichem Geschmack zu überzeugen weiß.

Langoustine & Pfifferlinge
Langoustine & Pfifferlinge

Im Fischgang gibt es Seeteufel. Das schneeweiße Medaillon ist von stattlicher Größe und auf den Punkt gegart. Dazu gibt es kleine Gourmetkartöffelchen und Zucchini in Variationen als Püree, Spaghetti und als ausgebackene Blüte, die mit einer Farce gefüllt ist. Sehr schön auch die intensive Sauce nach Art einer Bouillabaisse auf Basis von Rascasse und Rotbarbe. Warum allerdings auch bei diesem Gang kein Saucenlöffel aufgelegt wird, bleibt das Geheimnis des Service. Es gibt ja welche. Man muss halt nur danach fragen. Was bleibt, ist ein sehr gutes Gericht, an dem es ansonsten nichts auszusetzen gibt.

Seeteufel & Zucchini
Seeteufel & Zucchini

Die Burgaud-Entenbrust mit schönem Fettrand wurde auf Binchotan gegrillt und fällt erfreulicherweise weniger blutig aus, als wir es zuletzt schon erlebt haben. Hier gefällt uns der Gargrad ausgezeichnet. Begleitet wird das Fleisch von einem Graupen-Mais-Gemüse, einer Polenta in Maisform und einer Creme von Foie Gras und Tonkabohne sowie einer relativ leichten Jus. Dies alleine ist bereits sehr gut und originell.

Aber separat wird noch ein kalter Salat vom Keulenfleisch mit Radicchio, Senfkörnern und Sprossen serviert. Das fällt sehr würzig aus mit minimal arabischem Touch.

In Kombination zwischen dem warmen und kalten Teller ergibt sich ein spannendes Wechselspiel. Geschmacklich kann das alles sehr überzeugen.

Das Pré-Dessert tut genau das, was es an dieser Stelle soll. Es erfrischt mit moderater Süße. Die Melonensuppe bekommt eine säuerliche Note durch das Melissengranité. Mousse von Honigmelone und Meringue runden das kleine Dessert gekonnt ab.

Pré-Dessert
Pré-Dessert

Im eigentlichen Dessert gibt es die Wahl zwischen zwei Optionen, die wir natürlich beide bestellen.

Auf der einen Seite des Tisches wird eine Variation von Banane und Himbeere serviert. Mousse, Gel, fabelhaftes marmoriertes Eis von beiden Früchten zeugen von schönem Handwerk. Der Zuckerring ist hierbei noch am süßesten. Ansonsten herrscht hier ein erfrischender Charakter vor. Sehr gut.

Auch mein Dessert rund um Honig und Safran fällt erfreulich wenig süß aus. In einer Brikteig-Tartelette findet sich eine Diplomatencreme und ein Sorbet von Fromage Blanc. Dazu gibt es noch einen Schaum von Grapefruit. Der Honig ist nicht sehr dominant und noch am ehesten im kleinen Gebäck spürbar. Das ist abwechslungsreich, frisch und erneut ausgesprochen hübsch präsentiert.

Honig & Safran d'Auxonne
Honig & Safran d'Auxonne

Das hohe Niveau der Patisserie halten auch die Petits Fours, darunter ein Pain d’Épice mit Orange, ein Zitronenmarshmallow, Macaron und Fruchtgelee.

Mignardises
Mignardises

Das war ein Menü auf hohem handwerklichen und kreativen Niveau. Dass sich Tomifumi Uchimura stilistisch eher an kleinteiligen, detailreichen Kompositionen orientiert, wie sie in Deutschland oder Benelux häufig anzutreffen sind, haben wir auch schon bei anderen Kollegen beobachtet. Auch Kazuyuki Tanaka, Chef im mit zwei Sternen ausgezeichneten „Racine“ in Reims pflegt einen ähnlichen Stil. Man sollte nicht annehmen, dass nur aufgrund der Herkunft japanische Einflüsse zu erwarten wären. Mit einem hervorragenden Handwerk, das man in europäischen Küchen verfeinert hat, hat man offenbar auch die entsprechende Teller-DNA aufgesogen. Ob das erstrebenswert ist oder man sich einen eigenständigeren Stil wünschen würde, mag jeder für sich entscheiden. Tomifumi Uchimura, ein noch jung wirkender, freundlicher Mann ist offenbar ehrgeizig genug, sich noch nicht mit dem einen Stern zufrieden zu geben. Wohin seine Entwicklung gehen wird, bleibt abzuwarten. Genug Ideen und Potential hat er ganz sicher.

Der Service ist, wie in so vielen französischen Restaurants, gerade auch in touristischen Städten, freundlich, aber immer auch etwas distanziert. Hervorzuheben ist der kenntnisreiche Sommelier, der einen beachtlichen Keller zu verwalten hat. Er war uns eine gute Hilfe beim Durcharbeiten der unhandlichen und viel zu schweren Weinkarte – noch so eine Unsitte in vielen Häusern.

Dessen unbenommen war dies ein vorzügliches Menü und ein Restaurant, das man im Auge behalten sollte.

Details

Restaurant: L'Origine
Adresse: 10 place Wilson, 21000 Dijon
Öffnungszeiten: Dienstag: 19.30 - 21.15 Uhr
Mittwoch - Samstag: 12.00 - 13.15 und 19.30 - 21.15 Uhr
Sonntag + Montag: Ruhetag
Website: www.restaurantorigine.fr

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