Julemont, Wittem

Neulich ergab sich bei einer Weinveranstaltung an unserem Tisch ein Gespräch darüber, welchen Anteil die Atmosphäre am Gesamterlebnis eines Restaurantbesuchs ausmacht. Und wir waren schnell einig, dass auch das beste Essen kaum etwas ausrichten kann, wenn die Stimmung nicht passt und man sich nicht wohlfühlt.

Wenn es also nur um das Setting ginge, haben wir hier im „Julemont“ an diesem Mittag bereits die allerbesten Voraussetzungen. Das Restaurant befindet sich im Château Wittem, einem beeindruckenden Schloss und Hotel, unweit der Grenze hinter Aachen im Dreiländereck, wo auch Maastricht und Lüttich nur wenige Kilometer entfernt sind. Zwei Michelinsterne und 17 Gault Millau-Punkte zeichnen die Küche von Guido Braeken aus.

Das Wetter meint es gut, denn nach kühlem und verregnetem Morgen, bahnt sich die Sonne den Weg und es wird ein angenehm warmer Tag, der es dem Restaurantteam erlaubt, auf der rückseitigen Terrasse mit Blick in den hauseigenen Park und eine beruhigend vor sich hinplätschernde Fontäne einzudecken. Das Glas Champagner, das uns der sympathische Sommelier Philipp Bock serviert, lässt uns aufs Angenehmste ankommen. Entscheiden müssen wir heute nichts, denn bei der Reservierung haben wir uns bereits für das All inclusive-Angebot entschieden, das hier mittags zusätzlich offeriert wird und ein Drei-, Vier- oder Fünfgang-Menü samt Apéritif, Getränkebegleitung, Wasser und Kaffee beinhaltet. Wir haben die Fünfgang-Version gewählt, die mit 200 Euro pro Person für meinen Geschmack sehr günstig ausfällt, wenn man bedenkt, dass regulär fünf Gänge bereits 170 Euro kosten.

Die ersten beiden Fingerfood-Happen kommen an den Tisch. Eine Buchweizentartelette mit Baliklachs, Apfel und Kaviar überzeugt mit feinster Produktqualität und überrascht mit einer präsenten Currynote.

Auch die Tartelette mit Hummer, Sonnenblumencrumble und Honigtomate, die auch im Espuma verarbeitet ist zeigt einen schönen, klaren Eigengeschmack und kühle Frische.

Die Croustade mit Tatar vom Bluefin-Thunfisch und Lauchstroh ist markant gewürzt mit fernöstlichen Akzenten. Wie die beiden vorherigen Snacks sehr überzeugend und dazu elegant gearbeitet. Spätestens jetzt machen wir uns erst recht keine Gedanken mehr, dass dies nur ein gelungener Lunch werden kann.

Fingerfood
Fingerfood

Vor dem ersten Gang folgt noch ein Amuse Bouche, das von einem Koch am Tisch finalisiert wird. Ein Tatar vom Wolfsbarsch, das sehr klein geschnitten ist, erhält eine Mousse vom Grapefruit, Buttermilchespuma, gefriergetrocknete Stücke von Grapefruit, gepufften Quinoa und Abrieb von Kaffirlimette. Die Kombination aus säuerlich und leicht bitterem Ton ist sehr ausgewogen. Das Spiel aus verschiedenen Texturen und Temperaturen macht zudem viel Spaß.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Brot, Brioche und Butter sind von solider Qualität, wobei ich mich besonders freue, dass es zur Abwechslung mal nur ein klassisches Stück Butter gibt.

Brot, Brioche & Butter
Brot, Brioche & Butter

Auch im „Julemont“ ist der allgegenwärtige Hamachi Teil des Menüauftaktes. Guido Braeken inszeniert ihn roh als Rose, in deren Mitte im Rettichblatt ein cremiger Salat vom Taschenkrebs mit Forellenkaviar angerichtet ist. Das Ganze ist eingefasst von einer recht fülligen Vinaigrette von Gurke und Jalapeno, die den Gesamtgeschmack etwas breiter wirken lässt.

À part gibt es noch ein Tatar vom fettigeren Hamachibauch mit einem Espuma von ebenfalls Gurke und Jalapeno. Die Schärfe bleibt sehr zurückhaltend, aber in seiner ebenfalls fülligen Art ist dies eine gute Ergänzung zum Hauptteller.

Bildschön präsentiert sich der folgende Gang mit Wolfbarsch, der perfekt auf der Haut gebraten wurde. Gekrönt ist er von einer stattlichen Nocke Imperial Kaviar. Dazu gibt es zum einen eine leicht gelierte Bouillon vom Stör mit Erbsen und zum anderen eine aufgeschäumte Beurre Blanc von fermentiertem Spargel. Das Gericht zeigt eine feine Salzigkeit, wobei jede Komponente für sich prägnant und elegant schmeckbar ist und in Summe ein sehr harmonisches Gesamtbild abgibt.

Wolfsbarsch / Stör / Erbse / Fermentierte weiße Spargel / Imperial Heritage Kaviar
Wolfsbarsch / Stör / Erbse / Fermentierte weiße Spargel / Imperial Heritage Kaviar

Weiter geht es mit Steinbutt im Spinatblatt mit einer üppigen Menge australischen Wintertrüffels, unter der sich auch noch eine gefüllte Morchel findet. Beides gibt dem Fisch einen deutlich kräftigen und erdigen Touch. Grüner Spargel und eine Sauce von Vin Jaune runden dieses so klassische wie zeitgemäße Gericht gekonnt ab.

Steinbutt / Vin Jaune / Grüner Spargel / Morchel / Australischer Wintertrüffel
Steinbutt / Vin Jaune / Grüner Spargel / Morchel / Australischer Wintertrüffel

Im Hauptgang folgt Taube, die mutmaßlich sous-vide gegart wurde und der dadurch Röstaromen fehlen. Dennoch ist die Konsistenz gut und angenehm fest. Als Mitspieler  dienen Pistazien- und Kirschcreme, ein Spitzkohlröllchen sowie ein Brioche mit fein gezupftem Keulenfleisch und hauchdünn geschnittenen, winzigen Pfifferlingen. Die Taubenjus ist wunderbar kräftig und ebenfalls mit Pfifferlingen angereichert. Das ist alles sehr sorgfältig gemacht, nicht unbedingt überraschend, sondern durchaus auch klassisch, aber in jedem Fall sehr befriedigend.

Anjou Taube / Pfifferlinge / Pistazie / Kirsch / Schwarzer Knoblauch
Anjou Taube / Pfifferlinge / Pistazie / Kirsch / Schwarzer Knoblauch

Himbeere spielt die Hauptrolle im Dessert. Sie findet sich pur und als Mousse. Eine Mousse von Ziegenjoghurt ist gefüllt und mit Himbeerpuder beschichtet. Ein Eis von rotem Shiso, Ganache von weißer Schokolade und eine Gebäckplatte bilden die übrigen Komponenten des kunstvoll zusammengesetzten Turms.

Gut gefällt mir, dass dieses Dessert nicht zu süß ist und die fruchtige Charakteristik vorherrschend ist. Die diversen Konsistenzen sorgen für ein extrem abwechslungsreiches Mundgefühl. Geschmacklich ist das ohnehin sehr stimmig. Ein schöner abschließender Gang.

Himbeere / Ziegenjoghurt / Verbene / Rote Shiso / Weiße Schokolade
Himbeere / Ziegenjoghurt / Verbene / Rote Shiso / Weiße Schokolade

Dem hohen Niveau dieses Menüs entsprechen auch die Friandises, bei denen mir lediglich der Macaron zu trocken ausfällt. Makellos hingegen das Passionsfruchtgelee, ein Mini-Berliner mit Sahnefüllung, wunderbar luftig-leicht ein Paris-Brest sowie eine sehr aufwändig gearbeitete Praline, die entfernt Assoziationen an Schwarzwälder Kirsch aufkommen lässt.

Ganz zum Schluss gibt es noch ein Nachdessert in Form von Mangokompott, Eis von Yuzu und Kokosnuss sowie einem Bananenschaum mit gehackten Nüssen und Baiserplättchen. Auch dies gut gelungen.

Post Dessert
Post Dessert

Gute drei Stunden sind vergangen und mit der letzten Neige im Glas lassen wir den schönen Ausblick in den Park ein letztes Mal auf uns wirken. An den übrigen Tischen ist noch gut Betrieb. Offenbar finden auch viele deutsche Gäste den Weg hierhin.

Wir haben einen außerordentlich entspannten Mittag verbracht mit einem Essen, das sich auf solidem Zweisterneniveau bewegte. Guido Braekens Küche ist traditionell fundiert, zeigt sich aromatisch aber weltoffen, zeitgemäß und überzeugt mit besten Produkten. Die Kombinationen sind detailreich, aber nie überladen und grundsätzlich auf geschmackliche Harmonie bedacht.

Einen großen Anteil am Wohlfühlmoment hat ohne Frage auch der Service, der angenehm zurückhaltend, aber immer präsent agiert. Besonders hervorzuheben ist vor allem Philipp Bock, der zwar in erster Linie Sommelier, aber auch ein charmanter Gastgeber ist. Seine Weinbegleitung ist dem Niveau des Hauses angemessen durchaus hochwertig und klug ausgewählt. Mein Mann übernimmt heute den Fahrdienst und greift bei den meisten Gängen auf die alkoholfreie Begleitung zurück, die auch mit Originalität punkten kann.

Kommen wir auf die Diskussion vom Beginn zurück. Im „Julemont“ muss die Küche nichts vom Service wettmachen, Atmosphäre und Service nicht das Essen retten. Hier passt alles so gut zusammen, dass man sich einfach wohlfühlt. Und beim nächsten Mal schauen wir uns das Ganze dann mal von innen an.

Details

Restaurant: Julemont
Adresse: Wittemer Allee 3, 6286 AA Wittem
Öffnungszeiten: Mittwoch - Samstag: ab 12.00 Uhr & ab 18.00 Uhr
Sonntag - Dienstag: Ruhetag
Website: www.chateauwittem.com/de/restaurants-bar/haute-cuisine-julemont/

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