Aqua, Wolfsburg
Am 30. September 2021 in Deutschland | 2762 Aufrufe | 2 Kommentare
Natürlich sind besondere Anlässe immer ein guter Grund für einen Besuch in einem Dreisterne-Restaurant. Muss es aber für uns nicht unbedingt sein. Dass es für unseren Besuch im „Aqua“ diesmal ein Geburtstag und das mal davor unsere Hochzeit war, ist indes trotzdem Zufall. Gute vier Jahre sind seitdem vergangen und doch ist vieles vertraut. Das Ambiente ist unverändert elegant und der Service unter Leitung von Marcel Runge von ausgesuchter Herzlichkeit.
Möglicherweise als Konsequenz aus der auch für das „Aqua“ ungewöhnlich langen Lockdown-Zeit hat man die beiden Menüs auf maximal sieben Gänge (225€) reduziert. Ein Austausch einzelner Gänge ist zwar möglich, dennoch bittet man dann um eine einheitliche Abfolge.
Das macht die Entscheidung zwar etwas schwierig, weil uns beiden unterschiedliche Gänge interessieren, aber letztlich tauschen wir lediglich die Vorspeise aus.
Zu den Konstanten in Sven Elverfelds Küche gehört die karamellisierte Kalamata-Olive mit Ziegenfrischkäse und Sardellen. Die hauchdünne Zuckerschicht ist zwar wie immer perfekt gearbeitet und der Snack auch schmackhaft, aber er schrammt für meinen Geschmack ein wenig zu hart an der Süße.
Als herzhafter Kontrast dazu macht sich das Rindertatar auf einem Tapiokachip sehr gut. Es ist unaufdringlich und harmonisch abgeschmeckt.
Als nächster Gruß folgt eine Variation rund um die Karotte auf einem Löwenzahnpesto, die mit einem fruchtig und gleichzeitig herben Charakter überzeugt.
Auch das abschließende Amuse Bouche ist sehr gefällig. Die geflämmte Garnele ist als Tatar gearbeitet, eine dünne Melonenscheibe, Creme und ein Korianderchip fügen sich gut zusammen und arbeiten die Süße der Garnele sehr schön heraus.
Sven Elverfeld benennt seine Menüs „Neues Entdecken“ und „Meine Verbundenheit“. Stilistisch kann ich da keine unterschiedlichen Linien erkennen, aber insgesamt sprechen uns die Zutaten in letzterem Menü etwas mehr an und da es darin Taube gibt und ich Geburtstag habe, ist die Entscheidung schnell getroffen. Allerdings klingt eine Gänseleber „Baklava“ zu interessant, um sie nicht auch in die Menüfolge zu übernehmen.
Die aromatische Terrine ist von zwei Filoblättern eingefasst, zur Hälfte mit Pistazien bestäubt und mit etwas Joghurtcreme und Radicchio drappiert, was für dezente Bitterakzente sorgt. Die Filoblätter allerdings geraten trotz einer angenehm nussigen Note, die ich Nussbutter zuschreiben würde, etwas grenzwertig süß. Für mich passt das gerade noch. Meinem Mann ist es etwas zu viel. Aber in Summe ist dies, nicht auch zuletzt der gelungenen Präsentation wegen, ein origineller und guter Gänselebergang.
Die Kombination aus Krustentier und Fleisch gab es auch bei unserem letzten Besuch. War seinerzeit die Rote Garnele in geschmorten Schweinebauch gewickelt, ist es diesmal der Carabinero, der von Kalbszunge flankiert ist. Die findet sich auch als Ragout zusammen mit Trüffeln in der Kalbsjus, die gut als Kontrast zu dem mit Paprika eher mediterran begleiteten Carabinero funktioniert. Der ist übrigens von ausgezeichneter Qualität. Verglichen mit dem Gericht vor vier Jahren ist dies hier für mich der deutlich aussagekräftigere Teller, weil vor allem das Fleischelement diesmal wesentlich prägnanter erscheint.
Mit einem wahren Wohlfühlgang geht es weiter. Das im Sojasud pochierte Eigelb weist eine schöne Salzigkeit auf, während Champignons als Creme, Schaum und Duxelles zusammen mit dem als Streifen aufgetragenen schwarzen Knoblauch den Umami-Charakter betonen. Mit dem perfekt gegarten Eigelb ist dies eine schlotzig, süffige Angelegenheit, zudem auch recht würzig, die mit dem knusprig ausgebackenen Mais den letzten Schliff bekommt.
Als bekennender Taubenfan bin ich natürlich gespannt, wie Sven Elverfeld diesen Gang angeht. Die Taubenbrust ist sous-vide gegart, dadurch sehr zart, mit Flocken von Macadamia-Nuss bestreut und sehr geschmackvoll. Als Begleitung dienen Erbsenpüree und -ragout sowie Kichererbsen, was zwar stimmig, aber auch ein wenig konventionell wirkt. Die Jus dazu ist klassisch eingekocht, weist einen schönen Glanz auf und ist recht mild, lässt für mich allerdings etwas Tiefe vermissen.
Dies ist ein ordentlicher Hauptgang, aber im direkten Vergleich habe ich Taube schon spannender gehabt.
Die Käseauswahl, vor allem von Waltmann aus Erlangen, ist wie immer opulent. Im „Aqua“ leistet man sich noch den Luxus eines Wagens, der mit gut 30 Sorten, viele davon jenseits des Mainstreams, üppig bestückt ist. Wer sich als Käseliebhaber hier nicht wie im Himmel fühlt, dem ist nicht mehr zu helfen.
Das Champagner-Cremesorbet ist von der Karte nicht wegzudenken. Und ähnlich wie Wisslers „ToffiVee“ gehört es zu den nicht zu verbessernden Klassikern, von denen sich viele gerne eine Familienpackung wünschen würden. Das buttrig sündige Vergnügen ist auch diesmal eine einzige Freude.
Kopfsalat im Dessert ist uns vor kurzem bereits im „Jante“ begegnet. Dort war er unter anderem als Eis mit Topinambur und Zitrone kombiniert und durfte die Hauptrolle spielen. Bei Sven Elverfeld fällt diese Rolle dem Apfel zu, der in mehreren Texturen als Eis, mariniert, als knusprige Scheibe und als Apfelmus die komplette Bandbreite ausspielen darf. Geeiste Quarkplatten fügen zusätzliche Textur bei, während der Kopfsalat hier lediglich unterstützende Funktion hat und nicht aufdringlich gemüsig wirkt. Das ist alles durchaus harmonisch, wenngleich alles andere als unorthodox.
Ganz anders präsentiert sich da das Nachdessert, in dem auf kleinem Raum Brotcreme, Crumble und Burrata mit einem Granité von Gin Tonic und Gurke kombiniert sind. Mit deutlicher Wacholdernote und einem etwas bitteren Ton ist das ziemlich gegen den Strich gebürstet. Das hat zum Schluss noch mal mächtig Wumms und gefällt mir ganz ausgezeichnet.
Der großzügig bestückte Pralinenwagen unseres letzten Besuches ist einer Auswahl dreier Sorten gewichen, die aber selbstverständlich perfekt gemacht sind.
Vielleicht mag einiges in meiner Beschreibung des Menüs etwas verhalten klingen. Dabei ist sowohl die Küche wie auch der Service natürlich auf dem erwartet hohen Niveau. Aber Sven Elverfelds Küche ist nach meinem Empfinden eher eine der leiseren Töne und eine, die ich einer modernen Klassik zuschreiben möchte. Avantgardistische Ausflüge sind einer souveränen, unaufgeregten Performance gewichen.
Das war auch bei unserem letzten Besuch so und anderes habe ich auch dieses Mal nicht erwartet. Mit einer derart angepassten Erwartungshaltung hat uns der Abend Spaß gemacht. Und anders soll es zu so einem Anlass doch auch gar nicht sein.
Details
Restaurant: | Aqua |
Adresse: | Parkstraße 1, 38440 Wolfsburg |
Öffnungszeiten: | Mittwoch - Samstag: 18.00 - 20.00 Uhr Sonntag - Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.restaurant-aqua.com/ |
Schlagworte
3 Michelin Stars, Aqua, Fine Dining, kreativ, Ritz-Carlton, Sven Elverfeld, Wolfsburg
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Ich weiß jemanden, der würde morden für die Käseauswahl. 🙂 Aber mir gefällt die auch. Ein schöner Bericht, mit einigen Gerichten, die ich sehr gerne auch probiert hätte.
Spannend, dass man hier die uralte Wiener Garnitur nach Art der Oper „Die Zigeunerin“ wieder aufleben lässt. (a la Zingara) . Sie war ja heruntergekommen zum „Balkanschnitzel“ oder „Z.-Schnitzel“.