
Bistrot L’Îlot, Antwerpen
Am 1. Juni 2024 in Belgien | 1169 Aufrufe | 2 Kommentare
Wenn man drei Tage in einer essverrückten Stadt wie Antwerpen verbringt, ist es ein Leichtes, sich von einem Sterneladen zum nächsten zu futtern. Dabei würden drei Tage bei weitem nicht ausreichen. Daneben gibt es aber auch eine ganze Reihe Restaurants, die ohne Auszeichnung auskommen und trotzdem eine Menge Spaß und anspruchsvolles Essen versprechen. So eines haben wir uns mit dem „Bistrot L’îlot“, im Hafenviertel unweit des MAS Museums gelegen, für den zweiten Abend ausgesucht.
Von außen nahezu unscheinbar, gibt sich auch das Interieur ganz unprätentiös, mit nordischem Flair und durchaus gemütlich. Einige Plätze erlauben den Blick auf die kleine, offene Küche, wo eine Köchin werkelt und dabei Unterstützung von Sander De Saegher, dem Chef und Inhaber sowie einer weiteren Servicekraft erhält. Beide kümmern sich aber auch über die Maßen charmant um die Betreuung der Gäste.
Das Konzept ist denkbar einfach. Es gibt ein Menü in drei Gängen zu 48 Euro, wobei im ersten Gang zwei Vorspeisen zum Teilen serviert werden. Optional können zum Apéritif verschiedene kleine Snacks, ein Extragang sowie Käse geordert werden.
Beeindruckend ist die Weinkarte, die auf zwei Seiten engbeschrieben eine erstaunliche Auswahl in allen Preislagen bereithält. Da mir die meisten Weine nicht bekannt sind, ist Sander De Saegher hier eine große Hilfe und mit seiner Unterstützung finden wir den für uns genau richtigen Wein.
Zum Knabbern ordern wir vorweg die mit Taleggio gefüllten Kartoffelbällchen, die heißes und fettiges Frittiervergnügen bieten. Das Kontrastprogramm dazu setzen die Miesmuscheln im Escabechesud, die knackig, frisch und kühl ihre mediterrane Note ausspielen.
Brot und leicht gewürztes Öl sind gut, aber da wir uns nachmittags eine Portion Pommes Frites in Sergio Hermans „Frites Atelier“ gegönnt haben (ein Guilty Pleasure-Pflichtprogramm, wenn wir in Antwerpen sind), nutzen wir das Brot in erster Linie zum Auftunken der Reste.

Die beiden Vorspeisen kommen gleichzeitig auf den Tisch. Da ist zum einen Wolfsbarsch als grobes Tatar geschnitten in einer aromatischen, dichten Dashi mit Brunoise von Gurke und Kohlrabi. Das ist extrem frisch und leicht, aber mit leicht cremigem Touch.

Auf einer Art Kroepoek, das ja per se schon nicht so geschmacksintensiv und spannend ausfällt, ist der Spargelsalat angerichtet. Der ist sowohl mariniert als auch gegrillt und mit Furikake, diversen Cremes und Chiliöl würzig abgeschmeckt. Das ist auch nötig, denn das gepuffte Reispapier ist nicht nur ziemlich lau, sondern auch noch einigermaßen laff. Das Gericht ist schon originell, wäre aber noch besser, wenn der Kroepoek durchgehend knusprig wäre.

Der Zusatzgang, den wir auch bestellt haben, ist eine Jakobsmuschel, erneut in recht grobe Stücke geschnitten. Sie wird erst sehr spät in die mit Muschelwasser angereicherte Beurre Blanc gegeben, gart damit nur ganz leicht und ist also noch nahezu roh. Lauch, auch als Stroh, Staudensellerie und Heringskaviar erweitern das geschmackliche Spektrum und sorgen für Abwechslung. Die Beurre Blanc spielt dabei hart an der Salzgrenze, bleibt aber gerade eben noch im Rahmen.

Im Hauptgang gibt es Shortrib vom Kalb, das als Tataki nur kurz angebraten ist und in einer leicht gebundenen Kalbsjus badet, die mit einer deutlichen Kerbelnote das Gericht sehr angenehm dominiert. Zwiebelsegmente und Blumenkohlpüree ergänzen diesen für sich genommenen schon sehr originellen Fleischgang sehr stimmig.
Separat gibt es, erneut zum Teilen, als Beilage noch Kartoffelstampf mit Frühlingszwiebeln und einem Schaum von Kartoffeln und Buttermilch. Meine erste Assoziation ist hierzu ein Gericht aus meiner niedersächsischen Heimat, die Bottermelksanballerse, also eine Buttermilchsuppe mit Kartoffeln, die noch im alten Jahrtausend im „La Forge“ in Bad Nenndorf im Rahmen der jährlichen Wilhelm-Busch-Wochen, grandios neuinterpretiert wurde. Das war eine meiner ersten Sterneerfahrungen und ich glaube, auch mit dieser Version der Buttermilchkartoffeln, wenngleich deutlich rustikaler, hätte man dort seine Freude gehabt.
In jedem Fall ist dies ein erfreulich unkonventioneller Fleischgang und dazu noch ein ausgesprochen köstlicher.
Ich tausche das Dessert mit einem kleinen Aufpreis gegen Käse, bei dem es vor allem regionale Sorten gibt und darunter überwiegend von der Ziege. Feigenchutney und Brot probiere ich der Ordnung halber, befinde beides für gut, brauche es aber, wie gewohnt nicht. Der Käse alleine, allesamt von der Affineurin Inge Schootvliet, sind sehr gut und genügen mir auch solo.

Aber natürlich darf ich bei meinem Mann von seinem Dessert naschen. Das bietet unkompliziertes Löffelvergnügen mit einer Art Käsekuchen, der auf buttrigem Blätterteig am Boden eine Creme aus Frischkäse mit Erdbeeren und Rhabarber bietet. Zitronenverbene setzt zusätzliche Frischeakzente und Erdbeersauce rundet diesen einfachen, aber leckeren Nachtisch ab.

Mit einem kleinen Stück saftigen Brownie zum Kaffee geht ein sehr relaxter Abend zuende,

der uns fernab von Fine Dining-Konventionen auch kulinarisch nichts offen ließ. Die Küche im „Bistrot L’îlot“ folgt keinen starren Regeln. Mir scheint es so, als bestimmt hier das Lustprinzip das Menü. Man probiert aus und kombiniert, was stimmig sein könnte und tut dies durchaus wohlüberlegt. Die Gerichte sind so angelegt, dass sie auch mit dem sehr geringen Personalaufwand gut zu bewältigen sind. Dann kann man auch, wie an unserem Abend, neben den normalen Tischen noch eine 10-köpfige Damenrunde zeitgleich bedienen.
Sander De Saegher erzählt uns, dass es das Restaurant bereits seit sieben Jahren gibt. Nicht weit entfernt betreibt man auch ein Cateringunternehmen. Es ist die Art Gastronomie, die auch renommierte Kollegen gerne an ihren Ruhetagen besuchen. Die Weinkarte und ein fabelhaftes Preis-Genuss-Verhältnis tun ihr übriges dazu.
Wohnten wir in Antwerpen, wären die Chancen nicht schlecht, dass man uns hier häufiger anträfe.
Details
Restaurant: | Bistrot L'Îlot |
Adresse: | Londenstraat 46, 2000 Antwerpen |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Freitag: ab 12.00 Uhr & ab 18.00 Uhr Samstag: ab 18.00 Uhr Sonntag + Montag: Ruhetag |
Website: | www.bistrotlilot.be |
Schlagworte
Antwerpen, Bistronomy, Bistrot L'Îlot, Sander De Saegher, Sharing, Weinrestaurant
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Welchen Wein habt ihr denn getrunken?
Weiß ich nicht mehr genau, außer dass es ein Weißer aus dem Burgund war. Und zum Hauptgang hatten wir was offenes Rotes (leider auch nicht mehr en detail zu erinnern). Aber zum Café hatten wir einen ganz ausgezeichneten Poire Williams von der belgischen Distillerie de Biercée – wenigstens etwas, dass ich dank Foto noch zusammenbringe…;-)