The Jane, Antwerpen
Am 2. Juni 2024 in Belgien | 1363 Aufrufe | 1 Kommentar
Eigentlich könnte ich diesen Bericht sehr kurz halten. Denn er wird nicht viel anderes enthalten als die vorherigen. Es ist unser siebter Besuch und wie bei fast allen bisherigen sind wir zum Mittagessen hier. Ich mag das Licht und die Stimmung um diese Tageszeit noch ein wenig mehr als abends. Der imposante Raum mit der dominierenden Lampenkonstruktion wirkt da noch etwas transparenter.
Wir hatten bereits im Februar eine Reservierung, nachdem wir es im vergangenen Jahr nicht zu einem Besuch geschafft hatten. Die mussten wir aber, im wahrsten Sinne des Wortes, schweren Herzens stornieren. Da ein Besuch im „The Jane“ aber, ähnlich wie einer bei Christian Bau, zu meinen absoluten Herzensdingen gehört, war es nur logisch, dass wir ihn schnellstmöglich nachholen.
Nun wäre es ein Leichtes, festzustellen, dass alles wie gewohnt und wie immer brillant war. Aber das würde einem Besuch hier nicht gerecht werden. Also halte ich es wie mit meinen Berichten über Besuche bei Christian Bau und nutze sie mehr als Dokumentation der Entwicklung von Nick Bril und seiner Küche.
Das gesetzte Menü kostet mittlerweile 295€. Optional kann ein Signature Dish sowie Käse dazu geordert werden. Auf die Irish Mòr-Auster mit Balfegó, Buttermilch und Brot-Miso als Signature Dish verzichten wir diesmal, Käse hingegen darf es schon sein.
Bereits für den ersten Gang gibt es Tableside Action mit kurz gepickeltem Bonito, der mit Binchotan-Kohle leicht abgeflämmt wird. Ziegenkäsecreme, grüne Erdbeeren, die auch im Sud präsent sind, unterstreichen den säuerlichen, kräutrigen Charakter.
Ebenfalls mit kräutrigem Touch, aber deutlich fülliger fällt die Makrele mit Ebi-Garnele auf Koshihikari-Sushireis aus. Rettich und eine Ponzu-Dashi gestalten auch dieses kleine Gericht frisch und vielfältig.
Ideengeber für das folgende Gericht ist einer der Köche aus Polen, der seine Version eines Donuts interpretiert. Hier ist eine heiße Kugel mit 18 Monate altem Groendal-Käse gefüllt. Im Sud konkurrieren Süße von de- und anschließend rehydrierter Karotte mit der Säure des Sanddorns. Das bietet ein cremiges, komplexes Geschmacksbild.
Ungeheuer vielschichtig wird es auch mit dem Seeigel-Chanwanmushi, der mit Aal, einem Sud von Zwiebeln, Ingwer und Trüffel eine Menge Umami aufbietet. Knollensellerie als Stroh und Yacón, eine Sellerie ähnliche Inkapflanze, die auch roh gegessen werden kann, liefern hier Textur als Kontrast zu den übrigen weichen Zutaten. Zusammen eine wahre Aromenbombe.
Wie unterschiedlich ein und dieselbe Hauptzutat inszeniert werden kann, zeigt Nick Bril mit der Gelbschwanzmakrele, hier dry aged. So allgegenwärtig sich Hamachi auch landauf, landab auf allen Menükarten findet, so selten wird er so originell wie hier kombiniert. Der erste Teller präsentiert das magere Teil aus dem Rücken mit einem Tatar von der Langustine, grünem Spargel vom Grill und einem Rhabarbersud. Das liefert eine gute Säure und betont den frischen Charakter.
Der zweite Teller bedient sich des fetteren Teils des Fisches, diesmal als Tatar. Mit einem Espuma vom japanischen Senf und einer Beurre Blanc mit schwarzem Sesam ist das kraftvoll und sehr füllig. Zwei wunderbare Gerichte, aber müsste ich entscheiden zwischen beiden, wäre das Tatar meine Präferenz.
Dass die Küche aber nicht nur japanisch kann, sondern sich auch in Mittelmeergefilden sicher bewegt, beweist die folgende Rotbarbe mit klein geschnittenen Stücken vom Tintenfisch. Tomate, geräuchertes Auberginenpüree und Mandeln begleiten den auf den Punkt gegarten Fisch. Aber es ist vor allem die Brühe von Huhn, Fisch, Garnelen und Safran, die ungemein kräftig hier den nachhaltigsten Eindruck hinterlässt und dem Gang enorme Komplexität gibt.
Nordseekrabben sind in letzter Zeit im Preis so explodiert, dass sie zu einer wahren Luxuszutat geworden sind. Nick Bril gibt sie zu weißem Spargel, der in geräucherter Butter sous-vide gegart wurde, Spinat und einer reichhaltigen Sauce mit leichtem Krustentiergeschmack. Das ist alles so süffig und schlotzig, dass das Etikett Wohlfühlgang hier mehr als angebracht ist.
In eine ähnliche Kategorie fällt auch das nächste Gericht mit einer nur leicht gegrillten, ansonsten roh belassenen Jakobsmuschel in einer mit Miso angereicherten Dashi. Letztere weist eine etwas spitze, pikante Note auf. Dreierlei Zwiebeln, Roscoff, japanisch und Frühlingszwiebel, unterstreichen den süßlichen Charakter. Erneut ist das einfach köstlich und zum Weglöffeln.
Wie immer spielen Fisch und Meeresfrüchte in einem Menü im „The Jane“ die Hauptrolle und Fleisch kommt meistens nur im Hauptgang vor. So auch hier mit einem Bressehuhn, das in mehrerlei Form gleichzeitig auf den Tisch kommt. Die saftig gegarte Brust kommt mit diversen Gemüsen und Pilzen, einem Chip von knuspriger Haut sowie einer wunderbar reduzierten, intensiven Jus. Der Teller alleine wäre schon fabelhaft. Aber separat gibt es noch mit dem Cappellacci eine Art Tortellini, gefüllt mit Fleisch von der Keule und Leber in einer tollen Trüffel-Madeira-Jus. Das ist so klassisch, wie es auch fabelhaft ist. Als wäre das alles noch nicht genug, serviert man dazu auch noch ein geröstetes, buttriges Brioche, das zum Dippen in eine Creme aus Hühnerfett mit Crunch gedacht ist. Was für ein guilty pleasure!
So sehr ich die Fischgerichte hier auch liebe, aber heute begeistert mich dieser ungemein abwechslungsreiche Fleischgang am meisten. Definitiv schon jetzt in den Top Ten des Jahres.
Wie gewohnt ist auch die Käsepräsentation wieder einmalig. Neben der originellen Auswahl mit Sorten aus Deutschland, der Schweiz, den USA, Niederlande und Belgien gibt es noch Honig aus der Slowakei, Senf aus Deutschland und ganz nach französischer Tradition einen grünen Salat. So macht der Käsegang immer wieder Spaß.
Die süße Abteilung startet mehr als Palate Cleanser mit einer Matchacreme, Granny Smith, der auch im Sud verarbeitet ist, schwarzem Knoblauch und einem Kohlrabieis. Ja, da musste ich auch erst mal genau hinhören und auch für mich ist es eine Premiere. Das ist gemüsig, frisch, sehr ungewohnt und spannend – aber eben auch überraschend stimmig.
Das abschließende Dessert ist wesentlich klassischer angelegt mit einem Kaffeeeis, einer Mousse von Kaffeetrester und weißer Schokolade in einem fruchtigen Sud. Das ist gleichzeitig herb und süß, ausgewogen mit viel Crunch und einfach sehr gut.
Dass auch die Petits Fours das hohe Niveau des gesamten Menüs halten, versteht sich von selbst. Sowohl Eispraline mit Holunderblüte, Erdbeerbiskuit, Schokoladenpraline, Madeleine mit Tonkabohne und Himbeercreme zum Eintunken sowie die am Tisch karamellisierte Crème Brûlée lassen keinen süßen Wunsch offen.
So begeisternd das Essen im „The Jane“ jedes Mal ist, so faszinierend ist auch die Weinbegleitung von Trésor Vets. Es gibt nicht viele Restaurants, in denen wir uns für die Getränkebegleitung entscheiden, aber hier gehört es für uns zum Pflichtprogramm, denn nirgends bekommen wir spannendere Weine ins Glas, seien es unbekannte Rebsorten oder seltene Weinregionen, wie dieses Mal zum Beispiel aus Bolivien. Dass dabei auch gerne mal drei Weine parallel zu einem Gang serviert werden, macht die Sache noch spannender, zumal wenn es sich dabei auch noch um oft limitierte Abfüllungen handelt.
Nick Brils Küche setzt auch weiterhin stark auf Fisch und Meeresfrüchte, vornehmlich aus der Nordseeregion. Dabei ist es schwer, seinem Stil eine Kategorie zuzuordnen, denn dadurch, dass sich Elemente aus der ganzen Welt in seinen Gerichten wiederfinden, ist er eigentlich grenzenlos. Und Nick Bril nimmt sich alle Freiheiten, solange das Ergebnis stimmig und harmonisch ist. Vieles erscheint leichtfüßig und selbstverständlich, aber spätestens seit einer „Kitchen Impossible“-Folge, in der Tim Mälzer ein Gericht von ihm nachkochen musste, konnte man erkennen, wie viele Arbeitsschritte notwendig sind und wie komplex die Gänge angelegt sind.
Der Chef ist heute selbst nicht im Haus, weil er in Las Vegas an der Verleihung der „50 Best Restaurants“ teilnimmt. „The Jane“ ist darin erneut gelistet, was mich nicht wundert, wenngleich ich von der Liste nichts halte. Aber wenn es darum geht, welches die angesagtesten Restaurants der Welt sind, dann passt die gute Platzierung schon. Sehr gut essen kann man an vielen Orten, herausragend an nur wenigen, aber nirgends ist das Gesamterlebnis aus großartiger Küche, Wein, Ambiente und Weltklasseservice für mich faszinierender – auch nach all den Jahren. Dass die Küche auch ohne Nick Bril wie eine geölte Maschinerie funktioniert, spricht für ihn. Der Service ist wie immer von großer Herzlichkeit, kommunikativ und bestens informiert. Das macht einfach jedes Mal aufs Neue unheimlich Spaß und so vergehen die gut fünf Stunden ohne jede Länge. Dabei möchte ich jede Minute am liebsten festhalten. Zumindest bis zum nächsten Besuch.
Details
Restaurant: | The Jane |
Adresse: | Paradeplein 1, 2018 Antwerpen |
Öffnungszeiten: | Donnerstag: ab 18.30 Uhr Freitag - Sonntag: ab 12.00 Uhr und ab 18.30 Uhr Montag - Mittwoch: Ruhetag |
Website: | www.thejaneantwerp.com |
Schlagworte
2 Michelin Stars, Antwerpen, kreativ, Nick Bril, Seafood, The Jane, Trésor Vets
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