
Café Cliché, Amsterdam
Am 17. Juni 2019 in Niederlande | 4972 Aufrufe
Viele hoch dekorierte Köche scheinen sich eine zusätzliche Spielwiese zu ihrer HighTech-Küche zu wünschen. Jedenfalls geht der Trend offenbar eindeutig zum Zweitrestaurant. Auch Sidney Schutte, Chef im mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten „Spectrum“ (vormals „Librije’s Zusje“) im noblen Hotel Waldorf Astoria, betreibt mit dem „Café Cliché“ ein informelles Restaurant, das beim ersten Betreten eher an eine Kneipe erinnert.
Gelegen ist es ein ganzes Stück entfernt vom touristischen Zentrum im Osten zwischen Oosterpark und Frankendael Park.

Für unseren Amsterdam-Aufenthalt hatten wir zwar einige Reservierungen vorgenommen, aber der Montag war noch frei und da dies nicht der einfachste Tag ist, fragen wir kurzerhand die Service-Jungs im „Sinne“ am Abend vorher nach Empfehlungen. Der Tipp für das „Café Cliché“ kam prompt und da auch just am Tag zuvor auf dem Instagram-Account von „elizabethonfood“ eine Kurzbesprechung erschien, war die Entscheidung schnell getroffen. Ansonsten wären wir vermutlich nie auf das Lokal aufmerksam geworden.
Der erste Kneipeneindruck verfliegt schnell, als wir vom super freundlichen Service eine Etage tiefer geführt werden, wo sich an einer langen Glasfront ein heller, gemütlicher Raum mit geschickt angeordneten Sitzbänken, Hoch- und Bistrotischen befindet.

Der charmante Service wird von Berber Vergeest geleitet, die zuvor schon im „Librije’s Zusje“ tätig war. Ihr Freund David Baxter führt die Küche.
Die Karte im „Café Cliché“ bietet sechs Vorspeisen, sieben Hauptgerichte und fünf Desserts, die man wahlweise einzeln oder als Dreigang-Menü zu günstigen 39,95 Euro bestellen kann.
Brot und ein luftiger Tomatenaufstrich mit Wasabi sind für einen kleinen Aufpreis zu bekommen und überbrücken die Zeit bis zur Vorspeise.

Das Carpaccio von der geräucherten Rinderlende kommt auf ungewöhnliche Art auf einem Nest von knusprig frittierten Kartoffelspaghetti und Champignons. Das ist mit Schalotten, Kapern und dem geriebenen Käse zwar recht mild, aber gut abgeschmeckt und in jedem Fall eine originell abgewandelte Version dieses Klassikers.

Ich starte mit einem Tatar von Thunfisch, das sehr spicy gewürzt ist und diverse Mitspieler zum Kombinieren erhält. Besonders gut gefallen mir die kleinen Mini-Shrimps, die für schönen Crunch sorgen. Aber auch die Avocadocreme, die Wasabi-Mayo und die Noricracker passen sehr gut. Und wem das alles noch nicht kräftig genug ist, kann das Ganze noch mit einer extra scharfen Würzsauce pimpen.

Im Hauptgang entscheidet sich mein Mann für ein Entrecôte, das wie gewünscht à point gebraten ist. Die Auflage aus vor allem Knoblauch ist intensiv, aber nicht zu heftig. Die Sauce Béarnaise dazu ist fluffig und gut gewürzt.

Ich erfreue mich an einem schönen Stück vom Lammrücken mit Kräuterkruste, das ebenfalls rosa gebraten ist, wenn nicht sogar fast etwas darunter. Aber ich bin mit dem Gargrad zufrieden, zumal das Lamm einen feinen Eigengeschmack hat. Gut gefällt mir auch der originell angemachte Spinatsalat mit Perlgraupen und Gouda.

Als Beilage für unsere Hauptgerichte wird uns gemeinsam ein säuerlich abgeschmeckter Kopfsalat mit Senfvinaigrette, frischen Bohnen, Sonnenblumenkernen und Tomaten serviert. Abgesehen davon, dass mir das, zusammen mit dem Spinatsalat zum Lamm, etwas arg viel Grünzeug ist, finde ich den Salat sehr gut gemacht. Alleine die Tatsache, dass hier endlich mal wieder der völlig zu Unrecht in vielen Küchen verschmähte Kopfsalat zu Ehren kommt, verdient Lob.
Ausgezeichnet auch die handgeschnittenen Pommes mit Senf-Mayonnaise.
Angesichts der durchaus sättigenden Portionen bis hierher stehen auch die Desserts dem nicht nach. Die Île flottante ist mit Rosenwasser aromatisiert und mit Erdbeeren, Karamellsauce und Mandeln bestückt. Das ist vor allem süß und der Eischneeberg auf Dauer doch ein wenig zu viel. Auch, wenn es nicht zu einer klassischen Île flottante gehört, wäre eine kühle Komponente, wie ein Eis oder ein Sorbet, eine schöne Ergänzung gewesen.

Die gebratene Ananas macht sich mit dem Gewürzkaramell, dem Rum-Rosinen-Eis und der Kokoscreme zwar etwas abwechslungsreicher. Indes bleibt das Eis ziemlich unauffällig und auf gebratene Ananas in der Menge stehe ich eigentlich auch nicht so sehr, zumal es auch auf diesem Teller doch recht süß zugeht. Aber den Erdnusskeks, der das Ganze als Platte bedeckt, finde ich sehr gut gelungen.

Beide Desserts sind solide Bistroküche, es fehlt ihnen jedoch etwas von der Originalität, die die vorherigen Gänge auszeichneten.
In den besten Momenten erinnerten mich die Gerichte im „Café Cliché“ an „Rons Gastrobar“, auch wenn es dort noch einen Tick kreativer zugeht. Aber für jeden, der eine sympathische , unkomplizierte Alternative zu elaborierter Sterneküche sucht, aber dennoch nicht auf handwerklich gut gemachte Gerichte mit einem Twist verzichten will, ist das hier ein sehr angenehmer Ort. Daran hat auch der junge, immer mit einem Lächeln agierende Service seinen guten Anteil.
Und dass wir auch noch unseren Sommelier aus dem „Sinne“ vom Vorabend hier wieder treffen, sagt ja auch einiges aus. Restaurants, die von Leuten aus der Gastro besucht werden, können so schlecht wohl nicht sein.
Details
Restaurant: | Café Cliché |
Adresse: | Middenweg 35, 1098 AB Amsterdam |
Öffnungszeiten: | Mittwoch - Montag: 17.00 - 22.30 Uhr Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.cafecliche.amsterdam |
Schlagworte
Amsterdam, Berber Vergeest, Café Cliché, David Baxter, Sidney Schutte
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