Rijnzicht, Doornenburg

Ein Mittag in den Niederlanden, Blick auf einen Seitenarm des Rheins, sonniges Wetter und auf dem Teller überraschende, kreative Gerichte, die durchgehend Spaß machten. Das waren die Zutaten eines mehr als erfreulichen Lunchs vor gut zwei Jahren.

Dass wir wiederkommen würden, war ausgemachte Sache, aber dass es an diesem Wochenende sein würde, eher eine spontane Entscheidung.

So machen wir uns also wieder auf an den Niederrhein und erreichen das seit fünf Jahren mit einem Michelinstern ausgezeichnete Restaurant pünktlich um halb eins. Carolien van der Velde, Maître und Sommelière in Personalunion, erkennt uns nach der langen Zeit wieder und auf Anhieb stellt sich das bekannte Gefühl wieder ein. Es gibt zwar auch einen großzügigen Hauptraum, aber wie seinerzeit werden wir, wie die übrigen drei Paare, im lichten Wintergarten platziert, was zur Mittagszeit sicher die bessere Alternative ist.

Mittags wird ein Fünfgang-Menü (95€) angeboten sowie ein kleineres in sieben Gängen (120€) und ein größeres in acht Gängen (140€). Optional dazu kann ein Signature Dish sowie Käse geordert werden. Wir belassen es beim großen Menü.

Und das startet mit drei gleichzeitig servierten Snacks, bei denen ich mir leider nicht alle Details habe merken können. Aber allen gemein ist eine ausgesprochen feine Ausarbeitung. Eine sehr fragile Waffel ist mit einer Algencreme gefüllt. Auf einem dünnen Chip befindet sich eine äußerst luftige Meerrettichmousse in Form eines Kissens. Ich habe nicht den geringsten Schimmer, wie man das handwerklich so akkurat hinbekommt, aber abgesehen vom feinen Geschmack kann ich mich allein an der Optik nicht sattsehen.

Am kräftigsten gestaltet sich eine Tartelette mit Taschenkrebsfleisch, das in der sehr cremigen Füllung etwas unterzugehen droht. Eine leichte Zitrusnote durch am Tisch geriebene Kaffirlimette gibt dem Happen aber einen ätherischen Frischekick.

Brioche und Sauerteigbrot sind ausgezeichnet, ebenso die mit Nussbutter aufgeschlagene Ziegenbutter sowie die gesalzene Farmbutter.

Brot & Butter
Brot & Butter

Mit dem ersten Gang zündet die Küche dann bereits das erwartete Kreativfeuerwerk. Unter einem Chip auf Algenbasis, der eine Jakobsmuschel nachbildet, findet sich ein ganzes Spektrum an Zutaten. Zuallererst natürlich die in dünnen, rohen Scheiben aufgeschnittene Jakobsmuschel auf Spinat, dazu diverse Cremes, unter anderem auch von Jabara, einer Frucht ähnlich wie Yuzu, aber etwas bitterer. Holländischer Wasabi sorgt für pointierte Schärfe und ein Granité von Sake für ein kühles, säuerliches Element. Hier paart sich ein tolles Texturspiel mit jodigen, cremigen, frischen und bitteren Noten. Ein sehr origineller Auftakt.

Und ebenso geht es weiter mit einem Tatar von Kingfish, das erneut mit diversen Cremes kommt. Dazu gibt es Apfel, Shiso und Sansho-Pfeffer sowie Kurkuma, der sehr präsent ist. In Summe ist das vor allem zitrisch und frisch und wieder mit viel Textur.

Während wir noch mit diesem Teller beschäftigt sind, wird ein zweiter Teil serviert. Basis ist hier eine Mousse von Dashi. Shiso und Sansho spielen auch hier eine Rolle, ein Gelee , marinierter Forellenkaviar und ein Eis von Apfel komplettieren diesen noch komplexeren und tiefgründigeren Teller. Bereits jetzt ein Highlight!

Mit dem Spargelgang folgt eine weitere Tellerschönheit. Daran hat die Firma Moldbrothers ganz wesentlich ihren Anteil, deren Silikonformen in der Sternegastronomie mittlerweile unverzichtbar sind und für zahlreiche kunstvolle, hauchdünne Teigwaffeln sorgen.

Der im eigenen Sud gegarte Spargel ist wunderbar knackig gegart, die Morcheln sind mit einer Creme von geräuchertem Eigelb gefüllt, Bärlauchcreme und -blüten sind so dezent eingesetzt, dass sie das Gericht nicht überpowern, sondern nur hier und da Akzente setzen. Zweierlei Beurre Blanc sowie die Waffel auf Basis von Spargel runden ein harmonisches Gericht ab, das durch und durch den Frühsommer atmet.

Spargel | Bärlauch | Morchel | Beurre blanc
Spargel | Bärlauch | Morchel | Beurre blanc

Das folgende Gericht macht einen Abstecher in dezent asiatische Gefilde. Der knusprig auf der Haut gebratene Loup de Mer ruht auf zweierlei Saucen. Rechterhand eine Sauce basierend auf malaysischem Curry mit einem Kokosnussschaum, linkerhand eine basierend auf einer Brühe von Schweinerippchen, die das in Malaysia und Singapur bekannte Gericht Bak Kut Teh aufnimmt. Vor allem letztere gibt viel Tiefe und Fülle.  Die Zwiebeln sind jeweils gefüllt mit Basilikum- und Auberginencreme. Crunch und zusätzlichen Geschmack gibt gepuffter Schweinebauch. Erneut eine originelle und kreative Komposition.

Wolfsbarsch | Bak Kut Teh | Aubergine | Curry
Wolfsbarsch | Bak Kut Teh | Aubergine | Curry

Dem steht auch der folgende Teller in nichts nach. Das Seezungenfilet ist gefüllt mit Hummer, der sich auch als cremiger Salat an der Seite wiederfindet. Der wiederum dient als Unterlage für einen kunstvollen Turm aus Pommes Soufflés und souffliertem Käsebällchen. Der alte Käse ist auch die Basis eines leicht angelierten Suds. Eine recht milde Sauce Béarnaise bedeckt den Fisch und komplettiert einen harmonischen Gang, der aromatisch etwas zurückschaltet.

Seezunge | Hummer | Kartoffel | Alter Käse
Seezunge | Hummer | Kartoffel | Alter Käse

Die Taube im Hauptgang wurde im Heu gegart. Sie ist bedeckt von einer Albufera-Sauce und begleitet von diversen Zubereitungen von Karotte, Kumquat für die fruchtig-bittere Note sowie einer Creme von Ras-el-Hanout für den würzigen Akzent. Ein sehr schönes, abwechslungsreiches Gericht.

Anjou-Taube | Karotten | Kumquat | Ras el Hanout
Anjou-Taube | Karotten | Kumquat | Ras el Hanout

Im ersten Dessert interpretiert die Küche mit dem Amaretto Sour einen Cocktail-Klassiker. Dieser findet sich als Mousse am Boden, darüber eine Ganache aus weißer Schokolade und Zitrus, darüber ein Sorbet von Amaretto sowie Meringue. Angegossen wird der Schaum vom am Tisch frisch geshakten Cocktail. Das ist super erfrischend, bietet viel Textur und ein schönes Süße-/Säure-Spiel. Wirklich klasse.

Amaretto Sour | Mandel | Zitrone | Vanille
Amaretto Sour | Mandel | Zitrone | Vanille

An zahlreichen Komponenten mangelt es auch im abschließenden Dessert nicht. Vor allem Manjari-Schokolade wird in diversen Konsistenzen durchdekliniert, als Mousse mit Yuzu-Kern, als Luftschokolade, Blätter und geeiste Stücke. Dazu gibt es Creme von Umeboshi, Dulce de Leche sowie Vanilleeis. Im Sud findet sich auch Yuzu. Das ist natürlich abwechslungsreich, gut gemacht und auch köstlich, aber eben auch recht opulent, trotz der frischen Zitrusnoten.

Manjari-Schokolade | Yuzu | Umeboshi | Dulce de Leche
Manjari-Schokolade | Yuzu | Umeboshi | Dulce de Leche

Friandises kommen hier nicht automatisch zum Kaffee. Man muss sie separat bestellen. Aber auch bei den Süßigkeiten beweist die Küche noch einmal ihr kreatives Potential. Vor allem der zweifarbige Marshmallow, den der Gast am Tisch selbst grillt, macht natürlich einiges her.

Vier Stunden sind mittlerweile vergangen und wir haben uns keine Minute davon gelangweilt. Das Timing ist gut, Carolien van der Velde ist eine charmante Gastgeberin, die zwischendurch auch immer das Gespräch sucht. Gerichte werden von den Köchen serviert. An unserem Tisch übernimmt dies überwiegend der junge Max Evers, der uns die meisten Gerichte vorstellt.

Die Weinbegleitung, für die sich mein Mann heute entscheidet, ist gut gewählt. Sie setzt nicht unbedingt auf Spitzenqualitäten, aber auf sehr gut passende Weine (12€ pro Glas). Erfreulich ist, dass auch halbe Gläser angeboten werden, so dass ich als Fahrer zumindest bei dem ein oder anderen Wein mitmachen kann.

Was Mike Cornelissen und sein Sous Chef Bouwe Dijk zusammen mit zwei Trainees aus der Küche schicken, ist wie bei unserem ersten Besuch von einem hohen Maß an Kreativität geprägt. Die Zutaten mögen denen ähneln, die man mittlerweile landauf, landab auf den Speisekarten findet, aber was man hier daraus macht, zeugt von großer Eigenständigkeit und ist häufig um einiges origineller. Das macht einen wesentlichen Teil des Vergnügens hier aus. Mit jedem Gang ist man gespannter, was sich die Küche noch einfallen lässt. Für mich spielt das „Rijnzicht“ damit deutlich am oberen Rand der Einsterne-Liga.

Dies war definitiv nicht der letzte Ausflug an den Niederrhein auf die holländische Seite.

Details

Restaurant: Rijnzicht
Adresse: Sterreschans 15, 6686 MS Doornenburg
Öffnungszeiten: Donnerstag: ab 18.00 Uhr
Freitag - Sonntag: ab 12.00 Uhr & ab 18.00 Uhr
Montag - Mittwoch: Ruhetag
Website: www.rijnzicht.nl

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