De Leuf, Ubachsberg

In den letzten Jahren haben wir immer mehr die Vorzüge eines ausgedehnten Mittagessens zu schätzen gelernt. Zu dumm nur, dass dies hierzulande immer seltener möglich ist. Gut hingegen, dass unsere Nachbarn in den Niederlanden und Belgien auch weiterhin daran festhalten und zumindest viele Restaurants an einigen Tagen diesen Service noch anbieten.

Nun gibt es auch grenznah für uns einige Häuser, die in akzeptabler Zeit erreichbar sind. Eines, das wir bisher nicht kannten, ist das „De Leuf“ in Ubachsberg, einer kleinen Gemeinde in Limburg, unweit der Grenze hinter Aachen. Ein Michelinstern und 17 Gault Millau-Punkte zieren das schmucke Haus, das sich, hat man einmal die dunkel gehaltene Schleuse im Eingangsbereich hinter sich gelassen, im Inneren mit einem gelungenen Mix aus historischer Bausubstanz und modernen Elementen präsentiert.

Das „De Leuf“ ist ein veritabler Familienbetrieb, denn in der Küche hat Robin van de Bunt das Sagen, den Service leitet Mutter Sandra und Schwester Michelle ist vor allem für die alkoholfreie Getränkebegleitung und neben Chef-Sommelier Franc Michielsen auch als Sommelière zuständig. Diesen familiären Touch spürt man hier von Anfang an, was offenbar auch die zahlreichen Stammgäste, die wir an diesem Samstag Mittag wahrnehmen, zu schätzen wissen. Nebenbei bemerkt, ist das Restaurant mit mehr als 30 Gästen ausgebucht und auch der Private Dining Raum im ersten Stock ist mit einer Gruppe belegt. Es läuft also auch mittags.

Das Angebot listet diverse Optionen, À la Carte und Menüs von vier bis sechs Gängen (110€ / 160€), Signature Dish und Käse optional, dazu Lunchspecial in drei Gängen (75€) und ein Herbstarrangement All-In in fünf Gängen inklusive Apéritif, Getränkebegleitung, Wasser, Kaffee (140€). Letzteres ist unsere Wahl, ergänzt um den Signature Dish.

Robin van de Bunts Küchenstil arbeitet sehr stark mit japanischen Elementen, was sich bereits in den Grüßen bemerkbar macht. Eine Tartelette mit Nashibirne, Yuzu und einer sehr schaumigen Creme, die mich an Sour Cream erinnert, ist sehr klar und zitrisch-frisch.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Mit Takoyaki, einem typisch japanischem Streetfood, geht es weiter. Das heiße Teigbällchen ist mit Tintenfisch gefüllt und diversen Cremes dekoriert. Das ist unkompliziert, würzig und ziemlich gschmackig.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Den Abschluss der Grüße markiert ein geschabtes Shiso-Eis, dem ein kalter Shiso-Tee angegossen wird. Abgerundet wird mit Zitronengrasöl, das wunderbar dezent im Hintergrund bleibt, während der herb-säuerliche, erfrischende Charakter ganz klar im Vordergrund steht.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Zum Brot, das wie so oft mit fortgeschrittener Zeit leider auch etwas trocken wird, gibt es zwar aufgeschlagene, aber dafür mit Miso sehr aromatisch angereicherte Butter.

Brot & Butter
Brot & Butter

Das Menü startet mit Wolfsbarsch und Bonito, die jeweils in Miso mariniert wurden und eine angenehm feste Struktur aufweisen. Dazu gibt es eine Umami-kräftige, gelierte Vinaigrette, die einen fast pilzartigen Geschmack zeigt. Gepuffter Reis und Shiitake dienen als Texturelement. Was hier vermeintlich harmlos aussieht, überzeugt mit einer überraschend großen Tiefe.

Wolfsbarsch | Miso | Shiitake | Bonito
Wolfsbarsch | Miso | Shiitake | Bonito

Es folgt Dorade mit perfekt krosser Haut, belegt mit Spinat und Koriander, Tintenfisch in Streifen und Baba Ganoush. Dazu gibt es einen kräftigen Bouillabaisseschaum und Öl. Alles zusammen ergibt ein ausgezeichnetes Spiel von Fülle und Frische durch die Kräuter und mit den orientalischen Noten ein ganzes Panoptikum von Aromen von überall her.

Dorade | Tintenfisch | Tomate | Aubergine
Dorade | Tintenfisch | Tomate | Aubergine

Weiter geht es mit dem Signature Dish „Like Father, Like Son“, in der Robin van de Bunt ein Gericht seines verstorbenen Vaters Paul aufnimmt und variiert. In zwei Austernschalen gibt es Zubereitungen, die den Geschmack des Meeres transportieren sollen. Auf der einen Seite, und das wird vermutlich die klassische Version des Vaters sein, sind Miesmuscheln in einer schaumigen Sauce mit Weißkraut mit sehr typischem Muschelgeschmack präsent. Auf der anderen Seite findet sich Auster in einem leicht asiatischen Sud mit etwas Koriander und Erdnüssen. Dies ist kein Gericht, das die Frische der Auster nach vorne spielt, sondern eher die aromatische Üppigkeit betont. Beide Varianten gefallen mir sehr schön.

"Like Father, Like Son" - Tribute to my legend
"Like Father, Like Son" - Tribute to my legend

Beim Lesen der Menükarte bin ich zunächst etwas enttäuscht, als Hauptgang Kalbsbacke zu lesen. Nicht, dass ich dieses Fleisch nicht mag, aber ich verbinde damit in erster Linie rustikale Schmorgerichte, was mir etwas zu plump vorkäme, für das, was ich in einem Restaurant mit diesen Bewertungen erwarte. Was aber dann auf den Teller kommt, ist vermutlich die beste Kalbsbacke, an die ich mich erinnern kann. Sie ist zart, aber dennoch mit schnittfester Struktur. Sie hat eine Auflage aus gepuffter Quinoa, eine zwiebelartige Creme und Schnittlauch. Diese Präsentation alleine ist schon die erste Überraschung. Begleitend gibt es diverse Zubereitungen von Pilzen, Gel von Satsumas, schwarzem Knoblauch, Zwiebelsegmenten sowie eine hoch aromatische Sauce mit Bockshornklee. In Summe ist dies ein toller Gang, der die Kalbsbacke eben nicht rustikal, sondern sehr elegant und durchaus gleichwertig einem edleren Stück in Szene setzt. Ich bin ziemlich begeistert.

Kalbsbacke | Bockshornklee | Pilze | Schwarzer Knoblauch
Kalbsbacke | Bockshornklee | Pilze | Schwarzer Knoblauch

Vor dem Dessert gibt es eine Erfrischung, passenderweise auf der Karte auch japanisch als Sawayaka betitelt. Es ist ein cremiges Eis von grünem Shiso und Yuzu mit kräutrig-nussigem Charakter. Einfach, aber gut.

Sawayaka
Sawayaka

Eine Kombination aus regionalen und asiatischen Aromen bestimmt auch das Hauptdessert mit einem Eis von schwarzem Sesam, darauf ein weiteres Eis von Karamell und Sanddorn als geeiste Perlen und als Sauce. Wo Sanddorn häufig sehr dominant säuerlich wirken kann, ist dies hier nicht der Fall, sondern sehr elegant eingebunden. Überhaupt wirkt dieser Nachtisch wie eine Brücke, die die Küche zum Abschluss des Menüs noch einmal von Japan ins heimische Limburg schlägt.

Sesam | Karamell | Sanddorn
Sesam | Karamell | Sanddorn

Ein noch heißes Beignet mit Vanillecreme sowie eine Praline mit Miso, Karamell und Haselnuss beenden das Menü so köstlich wie handwerklich einwandfrei.

Japanische Elemente im Fine Dining Bereich sind seit langem en vogue. Mal funktionieren sie besser, mal eher angestrengt. Robin van de Bunt geht da nach meinem Gefühl eher undogmatisch an die Sache. Mal sind die Akzente deutlicher spürbar, mal nimmt er sie bewusst zurück. So ergibt sich eine Stilistik, die sich mit deutlicher Sympathie für Japan zeigt, aber eben auch kreativ Geschmäcker aus der restlichen Welt nutzt.

Handwerklich ist das sowieso ohne Fehl und Tadel, was die hohen Bewertungen allemal rechtfertigt.

Dass die Wartezeiten zwischen den Gängen vor allem zu Beginn des Menüs etwas länger waren, mag dem ausgebuchten Haus zuzuschreiben sein. Sie waren aber noch akzeptabel. Im Laufe des Mittags zog das Tempo an und war dann völlig in Ordnung.

Am Service gibt es ohnehin nichts auszusetzen. Es war immer jemand an unserem Tisch präsent, die Weinbegleitung durch Sommelier Franc Michielsen bot eine interessante und passende Auswahl. Noch beeindruckender hingegen die alkoholfreie Begleitung, die mir diesmal als Fahrer zufiel. Michelle van de Bunt kreierte faszinierende Cocktails, die auf überzeugende Weise die Aromen der Gänge aufnahmen. Das ist eine der eigenständigsten alkoholfreien Getränkebegleitungen seit langem. Und über allem die sehr familiäre Atmosphäre bei durchaus sehr coolem Soundtrack, der klar machte, dass dieses Haus, so alt es auch sein mag, ganz zeitgemäß unterwegs ist.

Auf dem Heimweg fragen wir uns, einigermaßen beseelt, warum es bei uns so schwer ist, mittags auch so ein Gefühl zu erzeugen.

Details

Restaurant: De Leuf
Adresse: Dalstraat 2, 6367 JS Ubachsberg
Öffnungszeiten: Dienstag: ab 18.30 Uhr
Donnerstag - Samstag: 12.00 - 13.00 Uhr und ab 18.30 Uhr
Sonntag, Montag, Mittwoch: Ruhetag
Website: www.deleuf.nl

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Kommentare

  1. Jörg am 3. Dezember, 2024 um 21:00 Uhr.

    Hallo Thomas, vielen Dank für den schönen Bericht, macht direkt Lust, dort mal hinzufahren. Gute Grage, warum das Gut-Essen-Gehen hier hauptsächlich auf Abends beschränkt ist; ein französisches Restaurant/Bistro in Köln geht ja diesen Weg, geöffnet bis 17:00 Uhr, dann ist Schluß. Anfangs skeptisch, finde ich mit zunehmendem Alter immer mehr Gefallen daran, man ist früher zuhause, hat noch etwas vom Abend und muß nicht direkt mit vollem Bauch ins Bett… viele Grüße aus Hürth, habt noch einen schönen Abend, Jörg

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