Haus Stemberg, Velbert
Am 16. Juli 2016 in Deutschland | 2797 Aufrufe
Eine eigene Bushaltestelle hat man schon und wenn man wollte, könnte man auch mit dem Hubschrauber anreisen. Ein entsprechendes Schild auf dem Parkplatz und eine große Wiese hinterm Haus gibt es bereits.
Dabei passen derlei Extravaganzen eigentlich gar nicht zu diesem im besten Sinne gutbürgerlichen Haus im Bergischen Land. Und irgendwie dann wieder doch, denn auch die Speisekarte schafft den Spagat zwischen Weltläufigkeit und Rustikalität. Wer hier ein Wiener Schnitzel, eine Blutwurst oder eine Perlgraupensuppe möchte, wird genau so fündig wie der Gast, der die weite Welt und Kreativität sucht. Wobei man festhalten muss, dass viele der Klassiker-Gerichte alleine schon beim Lesen der Beilagen weit über das normale Maß eines ordentlichen Landgasthauses hinausgehen. Es scheint, dass auch bei den vermeintlich einfachen Gerichten eine mindestens genau so hohe Sorgfalt gepflegt wird wie beim großen Degustationsmenü.
Bei unserem Mittagessen, das unser erster Besuch bei den Stembergs ist, wählen wir zum einen aus den zahlreichen mündlich annoncierten Tagesempfehlungen und aus eben jenem Degustationsmenü.
Vorab gibt es als Grüße aus der Küche eine schön intensive Rehessenz, ein dezent frisches Tatar vom Hamachi und eine ebenfalls tatarähnliche Zubereitung von der marinierten Wagyu-Zunge, die einen deutlich herzhafteren Einschlag hat.
Schon der Feldsalat mit üppig portionierten Nordseekrabben zeigt, wo der Qualitätsmaßstab angelegt wird. Die Zutaten fein, der Salat akkurat zubereitet, das Dressing köstlich. Das kann man auch richtig schlecht hinbekommen. Hier nicht.
Das Menü startet mit einem veritablen Stück vom Ikarimilachs in einem frisch-säuerlichen, leicht gelierten Staudenselleriesud. Das sieht nicht nur elegant aus, das schmeckt auch so. Textur durch Kohlrabischeiben, Radieschen und Sesam, eine dezente Schärfe. Der Lachs fabelhaft gegart – alles ist da. Alles ist sehr gut.
Bei den Tagesempfehlungen geht es weiter mit gegrilltem Pulpo, Feldsalat und Parmesan. Das Salatbouquet erinnert in der Aufmachung an den Vorspeisensalat, aber erneut sind die Zutaten sehr sorgfältig zubereitet und der Pulpo zart und köstlich.
Eindeutiger Punktsieger beim zweiten Gang ist allerdings die Karotte, die gleichberechtigt neben der leicht abgeflämmten roten Salzwassergarnele von etwas Grapefruit und Haselnüssen begleitet ist. In den Sternehimmel gehoben wird das Gericht aber durch einen sensationellen Mumbai-Curry-Sud, der unglaublich fein Fülle und Schärfe vereint und die Süße der Karotte und der Garnelen einfängt.
Das dann folgende sehr fruchtige Erdbeersorbet ist lecker und klassisch. Wir bräuchten es an dieser Stelle nicht unbedingt, aber es passt irgendwie zum Haus und da es draußen warm ist, kommt es auch uns gelegen.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches folgt nun das Secreto vom Iberico-Schwein mit Steinpilzen, grünem Spargel und kleinen Knödeln. Die Fleischqualität ist hervorragend, das Stück auf den Punkt gebraten (oder doch gegrillt?) und die Beilagen sehr stimmig.
Gleiches gilt, nur in noch viel besserer Form, für den Fleischgang aus dem Menü. Das Shortrib vom Jack’s Creek Wagyu hat einen wunderbaren Fettanteil und ist perfekt gegrillt. Dazu ein ebenfalls gegrillter Cesar’s Salad, Parmesancreme, Zwiebel und ein Ofenkartoffelstampf. Ich habe lange nicht so ein köstlich gegrilltes Fleisch gehabt und auch die Beilagen waren originell und passend.
Den dann servierten Marshmallow und Geleewürfel hätte ich mir lieber als Petits Fours gewünscht denn als Pré Dessert, denn das war es definitiv nicht. Aber dieser Mini-Faux-Pas ist mehr als verzeihlich.
Im Menü geht es für mich weiter mit „Schwarzwald“, einer – wenn man so wollte – sehr verfremdeten Version der Schwarzwälder Kirschtorte. Hier als Schokoladen-Parfait aus Piura Porcelana 75%, Kirsche als Sorbet und Schaum und Pistazieneis. Das ist clever komponiert, handwerklich perfekt gemacht und sehr harmonisch. Lecker!
„Schneeweiß“ wird seinem Namen sehr gerecht und kommt optisch eher monochrom, aber geschmacklich sehr vielfältig daher. Es ist eine Variation von der Zitrone mit Buttermilch, etwas Mandelsand und bedient ebenfalls gekonnt verschiedene Texturen. Dass die Gesamtaromatik insgesamt eher säuerlich ausfällt, ist zwar logisch und sicher auch gewollt. Insgesamt hätte ich mir aber noch einen Kontrapunkt gewünscht. Der Ausflug in den Schwarzwald zumindest war etwas abwechslungsreicher.
Die Petits Fours zum Kaffee waren dann wieder auf der etwas rustikaleren, aber nicht weniger leckeren Seite. Und so geht eine ausgesprochen erfreuliche Landpartie zuende. Wir waren zum ersten Mal im Haus Stemberg und haben uns von Anbeginn wohl gefühlt. Einen großen Anteil daran hat der sehr dem Gast zugewandte Service, dem die Lust am Job anzumerken ist und mit dem sich auch scherzen lässt.
Die Weinkarte listet eher wenig bekannte Namen, dafür viel Bezahlbares auf. Uns begleitete an diesem Tag ein Chassagne-Montrachet 1er Cru Clos Saint-Jean von Lamy-Pillot. Ein eleganter, aber kraftvoller Wein, der auch die Fleischgänge noch meisterte.
Die Küche hat uns ebenfalls in all seinen Facetten voll überzeugt und mir kam als Adjektiv als erstes „geradlinig“ in den Sinn. Alle Gerichte, die wir probiert haben, ob bürgerlich oder kreativ, sind klar strukturiert, leicht zugänglich und haben großes Spaßpotential.
Nach diesem Besuch ist klar, dass dies nicht unsere letzte Landpartie nach Velbert gewesen sein wird. Auf die Anreise per Hubschrauber werden wir aber auch in Zukunft verzichten (müssen).
Details
Restaurant: | Haus Stemberg |
Adresse: | Kuhlendahler Straße 295, 42553 Velbert-Neviges |
Öffnungszeiten: | Montag - Mittwoch: 17.30 - 23.00 Uhr Samstag + Sonntag: 12.00 - 15.00 Uhr und 18.00 - 23.00 Uhr Donnerstag + Freitag: Ruhetag |
Website: | www.haus-stemberg.de |
Schlagworte
bürgerlich, Gourmet, Jeunes Restaurateurs, kreativ, Michelin, Sascha Stemberg, Stemberg
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