ITO, Köln
Am 11. Juni 2024 in Deutschland | 1308 Aufrufe
In der alljährlichen Spekulationsrunde, wer denn für einen neuen Michelinstern infrage kommt, taucht in Köln regelmäßig das „ITO“ von Kengo Nishimi im belgischen Viertel auf. Angesichts seines Werdegangs und der Tatsache, dass das Restaurant zusammen mit den bereits besternten „Gut Lärchenhof“ und „La Société“ zur selben Gastrogruppe gehört, auch nicht weiter verwunderlich, denn was die führenden Köpfe Peter Hesseler und Christoph Barciaga anfassen, spielt niveautechnisch von vornherein in der vorderen Liga.
Der Besuch lieber schwäbischer Freunde aus den Staaten und ein Wiedersehen mit einer ehemaligen Arbeitskollegin bot den willkommenen Anlass, das aktuelle Menü auszutesten. Wie bisher muss man sich bei der Online-Reservierung festlegen, ob man à la Carte essen möchte oder sich dem Omakase-Menü in fünf oder sechs Gängen anvertraut (109€ / 137€). Letzteres ist unsere Option.
Und die beginnt erneut mit zwei Appetizern. Die mit Sepia-Tinte gefärbte Tartelette mit Jakobsmuschel und Erdbeeren überzeugt mit einer angenehmen Süße, wobei vor allem die unreifen Erdbeeren mit ihren grünen Noten dafür sorgen, dass diese Süße nicht zu gefällig wird.
Das zweite Amuse Bouche präsentiert Thunfischbauch auf hausgemachtem Brioche mit gehobeltem Trüffel. Ich finde ja, dass der mit der Microplane-Reibe bearbeitete Edelpilz so dünn dann meistens sein Aroma nicht völlig ausspielen kann, aber davon abgesehen ist dieser Happen trotz einer gewissen Teiglastigkeit süffig und intensiv.
Noch ist Spargelzeit und so gibt es im ersten Gang Chawanmushi mit einem Salat von gegrilltem weißen Spargel und grünem, dünn gehobelten. Er begleitet drei Stücke charaktervollen Aals. Der angegossene Rhabarbersud zeigt eine ausgeprägte Säure, die durch Cremes von Myoga, also japanischem Ingwer und Passionsfrucht gut abgepuffert wird. Vor allem die Passionsfrucht gibt dem ansonsten eleganten und frischen Gericht einen schönen fruchtigen Akzent.
Es folgt Sashimi, wobei anders, als man es sonst in japanischen Restaurants kennt, die rohen Fischscheiben hier nicht puristisch ohne weitere Beigaben auf den Teller kommen, sondern es sich um einen zubereiteten Gang handelt. Es handelt sich um Wolfsbarsch in – natürlich – topfrischer Qualität in Kombination mit Gurke, Grapefruit, Schnittlauchcreme und einem leichten Safrangelee. Dazu gibt es einen Umami-kräftigen Sud von der Umepflaume. Hier verbinden sich cremige, knackige und weiche Elemente zu einem abwechslungsreichen Ensemble. Sehr schön.
In der Sechsgang-Menüvariante gibt es sowohl einen Fisch- als auch einen Fleischgang. Dieses Mal ist es pochierter Seelachs mit einer Garnelenfarce, Nori und Trüffel. Das ist eine makellose, sehr klassische Zubereitung. Artischockenherzen und Topinambur-Nussbutterschaum runden diesen guten Gang ab, der japanische und europäische Elemente ausgewogen verbindet. Wenn es etwas zu kritisieren gäbe, dann höchstens, dass der gewählte Teller zwar hübsch anzusehen, aber zum vernünftigen Essen schlichtweg zu klein bemessen ist.
In der Tradition, wie es auch im Düsseldorfer „Nagaya“, wo Kengo Nishimi ebenfalls gearbeitet hatte, gehandhabt wird, folgt nun Sushi. Vier Nigiri, Toro und Akami vom Thunfisch sowie Lachs und Hamachi sind von fabelhafter Qualität, der Wasabi selbstverständlich echt. Betrachtet man die Einzelpreise, die hier à la Carte für Nigiri aufgerufen werden, ist die Erwartungshaltung an Ausgezeichnetes hoch, aber sie wird auch erfüllt.
Für den Fleischgang ist im Menü Entenbrust vorgesehen. Diese weist zwar eine recht feste Konsistenz auf, ist aber auf den Punkt gegart und besticht durch aromatischen Eigengeschmack. Als Beilagen dienen geflämmter Lauch sowie Shiso mit einem Birnenkompott. Das ist nicht zu süß gehalten, sondern steuert eine feine fruchtige Note bei. Die Jus dazu ist klassisch, perfekt reduziert und intensiv. Ein angenehm auf das Wesentliche konzentrierter Teller. À part gibt es noch eine Tartelette mit einer wunderbaren Entenlebermousse und Birne. Das ist so exzellent abgestimmt, dass es lange im Mund nachhallt.
Das Dessert kombiniert Aprikosensorbet mit eingelegtem Fenchel und einem Fenchelschaum sowie einem Aprikosensud, dazu als Mousse angekündigten Milchreis. Tatsächlich hat das zwar wenig von einer Mousse, aber der Karamellton darin gefällt mir gut. Der Fenchel ist dezent und so funktioniert diese eher ungewöhnliche Kombination sehr gut. Hübsch präsentiert ist sie zudem.
Den Bogen zur japanischen Küche schlagen dann wieder die abschließenden Petits Fours in Form eines Matchakeks mit Pistazien-Cheesecakecreme und einer oblatenartigen Reiswaffel mit Yuzucurd. Beides sehr gut ausgeführt.
Natürlich kann man im „ITO“ auch klassisch Sushi, Tempura und Sashimi essen. Zwar zu deutlich gehobeneren Preisen als in gewöhnlichen japanischen Restaurants, aber sicherlich auch in einer Qualität, die das rechtfertigt, wenn man alleine die Nigiri betrachtet, die Teil dieses Menüs waren. Ich persönlich finde aber gerade die Kombination aus europäischen und japanischen Elementen reizvoll, die das Menü prägen und in der die Küche das handwerkliche Können und die Kreativität voll zeigen kann. Das Menü heute war erneut auf einem Niveau, das einen Michelinstern verdienen würde. Warum der bisher ausbleibt, ist nicht wirklich nachzuvollziehen.
Wie bei allen Häusern der Hesseler-Gruppe ist auch hier die Weinkarte exzellent bestückt und fair bepreist. Der Service ist aufmerksam und freundlich, bleibt dabei aber eher förmlich. Wären wir nur zu zweit gewesen, hätte das womöglich ein wenig die Stimmung beeinflussen können. Für unsere etwas größere Gruppe war das aber genau richtig. Und die war von dem Abend durchgehend sehr angetan.
Details
Restaurant: | ITO |
Adresse: | Antwerpener Str. 15, 50672 Köln |
Öffnungszeiten: | Dienstag: 18.30 - 21.30 Uhr Mittwoch - Freitag: 12.00 - 14.00 Uhr und 18.30 - 21.30 Uhr Samstag: 18.30 - 21.30 Uhr Sonntag und Montag: Ruhetag |
Website: | www.ito-restaurant.de/ |
Schlagworte
Crossover, ITO, japanisch, Kengo Nishimi, Köln, kreativ
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