Kettner’s Kamota, Essen
Am 22. Mai 2024 in Deutschland | 1851 Aufrufe
„Griaß eich! Schön, dass Ihr da seid, Bursch’n!“ Spätestens, wenn Jürgen Kettner einen beim Servieren des Amuse Bouche so begrüßt, weiß man, dass dieser Abend einfach nur gut werden kann. Damen bekommen übrigens ein ebenso charmantes „Küss die Hand“, englisch sprechende Gäste ein „Welcome to our nice little Austrian Restaurant“ und nichts davon wirkt aufgesetzt, sondern wird von so einem herzlichen Strahlen begleitet, dass man sich nicht willkommener fühlen kann.
Jürgen Kettner, gebürtiger Steirer, hat einige beachtliche Stationen in seinem Werdegang. Ausbildung bei Berthold Bühner in dessen legendärer „Résidence“ in Essen, Sous-Chef in der Saarbrücker „Esplanade“, zuletzt bei Robin Pietsch in Wernigerode, wo er als Küchenchef für dessen ebenfalls Michelin besterntes Zweitrestaurant verantwortlich war. Nun also wieder Essen, wo er im Stadtteil Werden in einem schmucken Eckhaus zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Wiebke Meier, die auch als Gastgeberin fungiert, sein eigenes Domizil gefunden hat. Seit letztem Jahr ist das „Kamota“ auch mit einem Michelinstern ausgezeichnet.
„New Austrian“ betitelt Jürgen Kettner seinen Küchenstil und die originell bezeichneten Gerichte signalisieren bereits einen österreichischen Einschlag mit deutlich weltoffener Tendenz. Zum humorvollen Konzept gehören hier auch krumme Preise, die sich durch sämtliche Positionen ziehen. So gibt es ein Menü in vier (119,47€) oder sechs Gängen (155,47€) sowie einige Klassiker, die wahlweise zusätzlich oder alternativ bestellt werden können.
Zum Apéritif reicht der Service zum ersten Knabbern etwas Roggenbrot mit Wurzelspeck und Kitzbühler Rotweinschinken, dazu als Aufstrich eine Butter mit steirischen Gewürzen. Das ist alles von außerordentlich guter Qualität und ganz und gar nicht neo, sondern eine ganz und gar ursprüngliche Brotzeit.
Deutlich filigraner wird es mit den ersten beiden Grüßen, einer Art geschichtetem Pot au Feu vom Hummer mit Paradeisern, Kartoffel- und Safranschaum sowie einer gehaltvoll mit Kampachitatar, Pfefferonieis und noch etlichen anderen Zutaten, die ich mir nicht alle merken konnte, gefüllten Kugel aus Käferbohnenteig. Während letztere vor allem durch das Eis ordentlich Wumms mitbringt, ist das dekonstruierte Pot aus Feu extrem süffig und schlotzig, Zwei sehr starke Einstiege.
Das finale Amuse Bouche präsentiert Hamachi, in dünnen Scheiben in Daikonrettich gewickelt zu einer Rose. Dazu gibt es eine kleine Kugel Kreneis mit N25 Kaviar, die eine feine Schärfe liefert, die wiederum gut von der Sauce mit steirischem Verjus aufgefangen wird.
Eher asiatisch als in Österreich verortet zeigt sich die Vorspeise mit verschiedenen Cuts vom Balfegó Thunfisch. Akami, Otoro und Chutoro sind, wie kaum anders bei Balfegó zu erwarten, von exzellenter Qualität, gebettet auf einem Thunfischtatar und eingerahmt von Gurkeneis, einer Rahmcreme und einer Sauce von Myoga. Die Säure ist hier schön ausbalanciert, alles sehr harmonisch und schlichtweg lecker.
Auch der nächste Gang führt uns mehr nach Japan als in die Steiermark. Auf einem Bett von Chawanmushi finden sich rohe Scheiben von Jakobsmuschel mit Daikon-Rettich, Radieschen und Kaviar. Dazu gibt es eine kleine Kugel Eis von der Bergforellenleber. Ganz entfernt erinnert das an Foie Gras, ist so ungewöhnlich wie ausgezeichnet. Separat gibt es noch ein Tatar von der Jakobsmuschel im fruchtigen Sud, ebenfalls getoppt mit Kaviar. Beide Teile kombinieren gekonnt Frische und Fülligkeit.
Weiter geht’s mit einem Stück vom Steinbutt aus der Vendée, einer Qualität, wie man sie auch in höchst dekorierten Häusern nicht besser bekommt, wie Jürgen Kettner stolz betont. Den Fisch glänzt er mit deutlich schmeckbarem Kalbskopf ab, was ihm einen kräftigen Touch verleiht. Als Add-on setzt die Küche noch eine Langoustine auf den Steinbutt, die zwar für mein Gefühl einen Tick zu weit gegart und zu weich ist, aber mit ihrer Süße gut zur Karotte in Texturen passt. Vor allem die knackig bissfesten Röllchen mit leichter Schärfe sorgen dafür, dass es nicht zu sehr ins gefällig Süße abrutscht. Ein schöner Gang.
Als bekennender Backhendl-Fan kann ich gar nicht umhin, von der Klassiker-Karte, die Kamota-Version zu probieren. Angesichts des Menü-Umfangs sind wir dankbar, dass die Küche uns diesen Gang zum Teilen zubereitet. Mit Wasabimayo, Crunch, Sesam und einer spicy Sabayon ist das natürlich weit entfernt von den traditionellen Referenzen aus Köln und der Steiermark, die wir so lieben. Aber so ungewöhnlich diese Version ist, so gut ist sie auch. Und die Sabayon ist so sündig, dass ich davon glatt noch ein Töpfchen hätte weglöffeln können.
Aber sie begegnet uns gleich noch einmal und zwar bei der Haxe vom Mangalitza Spanferkel, einem weiteren Gang, den Jürgen Kettner ganz bescheiden als Wirtshausklassiker beschreibt und der zusätzlich bestellt werden kann. Das Fleisch der mit Trüffelscheiben belegten Haxe ist superzart und so wunderbar aromatisch, wie Mangalitza nun mal ist. Die Haut ist dünn und perfekt knusprig – eine Bilderbuchhaxe. Als weitere Beilagen gibt es angenehm scharfes Sauerkraut sowie ein eher mildes Kartoffelpüree. Das ist klasse und originell gemacht und, wenn man so will, ein mehr als gelungener Ausflug ins moderne Steirische.
Zurück ins reguläre Menü: Und da geht es weiter mit zartem Fleisch, diesmal von der Rinderrippe und einem geschmorten Stück vom Kagoshima-Rind. Topinambur und Pinienkerne unterstreichen den kräftigen Charakter, Zitrusaromen im Schaum liefern die nötigen Säureakzente. Und die stattliche Scheibe Trüffel schadet auch nicht wirklich. Aber die Hauptrolle spielt eindeutig das tolle Fleisch.
Im Hauptgang folgt nun Challans-Ente in zwei perfekt gegarten Tranchen sowie eine üppige Scheibe von der Entenleber. Die gefüllten Kumquats als Beilage kann man durchaus als Reminiszenz an Ente à l’Orange verstehen. Auch die geschmorten Zwiebeln, die Bohnen und die Jus unterstreichen den klassischen Charakter. Separat gibt es noch ein Ragout von der Keule mit Entenleber, Bohnenkernen und kleinen Kartoffelklößen, was insgesamt zwar von etwas leichterem Charakter ist als der Hauptteller. Das ist alles sehr gut gemacht, aber eben auch sehr reichhaltig, speziell nach der mehr als gut bemessenen Haxe.
Beim Dessert setzt Jürgen Kettner auf eine klassische Kombination von weißer Schokolade und Erdbeeren. Mit Zotter Schokolade als Parfait auf einem Knusperboden und Walderdbeeren, dem Titel nach zu urteilen wohl aus Spanien, als Eis, Sauce und in purer Form setzt er dabei erneut auf vorzügliche Zutaten. Den exotischen Abstecher in diesem Gericht steuern ein Eis von Myoga sowie eines vom Sesamblatt bei. Letzteres klingt exotischer als es tatsächlich ist. Den österreichischen Touch liefert, neben der steirischen Schokoladenmanufaktur natürlich, eine Sabayon von Strohrum bei, der hier erfreulich zurückhaltend seinen Alkoholgehalt ausspielt.
Nach all den herzhaften und opulenten Gängen ist dies ein erfrischender Abschluss des Menüs, leicht und durchgehend harmonisch.
In diese Kategorie fällt auch der finale süße Gruß aus der Patisserie, Kokoscreme und -eis mit einer Exotikcreme und Crumble. Das ist ebenso köstlich und rutscht auch noch irgendwie rein.
Dass wir zum Schluss ein wenig zu kämpfen hatten, lag an den Extragängen, die wir zusätzlich zum Menü hatten. Das wäre ansonsten problemlos zu bewältigen. Und abgesehen davon war dieser Abend alles andere als ein Kampf für uns, sondern ein großes Vergnügen.
Die Küche im „Kamota“ macht Spaß, denn sie ist nicht nur handwerklich tadellos und aufwändig, sondern sie kombiniert asiatische und vor allem japanische Einflüsse, was ja derzeit landauf, landab en vogue ist, auf gekonnte Weise mit österreichischen Elementen. Manchmal passiert dies zwar nur durch die Verwendung der ein oder anderen typischen Zutat, manchmal aber auch offenkundiger, indem Gerichte ganz neu interpretiert werden, wie beim Backhendl. Auf jeden Fall ist dies aber eine Küche, die alles andere als langweilig ist.
Zum großen Vergnügen trägt aber auch der stets aufmerksame und herzliche Service bei und noch mehr natürlich Jürgen Kettner, der als Gastgeber mit unnachahmlichem und einnehmendem Charme die Gäste gewinnt. Hat auch bei uns funktioniert. Und so bleibt uns nur zu sagen: Bis bald und baba!
Details
Restaurant: | Kettner's Kamota |
Adresse: | Hufergasse 23, 45239 Essen |
Öffnungszeiten: | Mittwoch - Samstag: 18.00 - 23.00 Uhr Sonntag - Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.kettnerskamota.de/ |
Schlagworte
Essen, Jürgen Kettner, kreativ, Michelin, New Austrian, steirisch, Wiebke Meier
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