Schanz, Piesport
Am 19. August 2021 in Deutschland | 2650 Aufrufe | 1 Kommentar
Bereits vor einem Jahr hatten wir vor, unseren nach bald sechs Jahren lange überfälligen Besuch beim Gault & Millau Koch des Jahres nachzuholen. Die Reservierung wurde dann doch Opfer des zweiten Lockdowns und auch dieser Abstecher an die Mosel stand im letzten Moment unter keinem glücklichen Stern. Als letzte Station unseres Sommerurlaubs geplant, war nicht wirklich klar, ob wir das so auch einhalten könnten, denn einige Tage zuvor machte ein doppelter Armbruch einen Aufenthalt im Züricher Spital erforderlich. Aber glücklicherweise hatte dies nur geringfügige Anpassungen unserer Routenplanung zur Folge, nach Hause mussten wir ja trotzdem wieder fahren, essen mussten wir auch. Also blieben die letzten Stationen wie geplant und sollte es Probleme beim Schneiden der Zutaten geben, hätte ich Hilfe an meiner Seite gehabt. Außerdem ist es auch mal ganz schön, chauffiert zu werden.
Dass das „schanz“ noch ein echter Familienbetrieb ist, wird spätestens bei der Begrüßung durch Mutter Gabriele deutlich, die sich in rührender und sorgenvoller Weise nach meinem Wohlbefinden erkundigt. Vater Erich wird sich am nächsten Tag um das Frühstück kümmern. Er ist auch für die Proben des hauseigenen Weinguts zuständig.
Aber unser Interesse gilt natürlich in erster Linie Thomas Schanz, der das Restaurant behutsam, aber kontinuierlich in die deutsche Spitzenliga geführt hat. Mit zwei Michelinsternen ausgezeichnet, vom Gusto mit 9 von 10 Pfannen und Bonuspfeil bedacht und zuletzt vom Gault & Millau nicht nur als Koch des Jahres ausgezeichnet, sondern auch auf 19 Punkte aufgewertet, scheint der Schritt in die allerhöchsten Sphären nicht mehr allzu weit.
Neben einem Menü in drei bis sechs Gängen (120,-€ – 185,-€) bietet Thomas Schanz auch noch einige zusätzliche à la Carte-Gänge an, was angesichts der sonst grassierenden Beschränkung auf ein oder zwei Menüs einen erfreulichen Luxus für den Gast darstellt.
Wir entscheiden uns dennoch für das Menü in voller Länge und schon die ersten Apéros machen viel Spaß.
Der nicht näher bezeichnete Moselfisch ist im Ganzen knusprig ausgebacken, aber ohne jede Spur von aufdringlichem Fett mit einer kräutrigen Creme.
Beim Garnelenchip überzeugt vor allem das Texturspiel aus komplett frittierter Garnele und Creme, wobei letztere relativ unauffällig bleibt.
Deutlich prägnanter, aber immer noch sehr harmonisch abgestimmt dann die Tartelette mit Aal, Birne und Kaviar.
Ein üppig und mit abwechslungsreichen Sorten bestückter Brotkorb zeigt, dass die Küche auch hier eher mit mehr als weniger Aufwand zur Sache geht. Zweierlei Butter, Olivenöl und Maldon Salzflakes komplettieren das Arrangement, das völlig unnötigerweise dafür sorgen wird, dass hier nun wirklich niemand hungrig vom Tisch aufstehen muss.
Das folgende Trüffelei ist bereits seit vielen Jahren ein Klassiker des Hauses und es ist eines, das den Namen auch tatsächlich verdient. Schaumig, cremig und mit reichlich Trüffel auch im Inneren versehen, ist dies Löffel für Löffel ein Fest für Trüffelliebhaber.
Als abschließenden Gruß aus der Küche schickt Thomas Schanz eine feinst geschichtete Kuppel aus Radieschenscheiben, unter der sich ein Makrelentatar und eine schaumige Creme befindet. Das etwas kräftigere Makrelenfleisch bekommt durch die Radieschen und das aufliegende Eis von Radieschen eine schöne frische Gegenkomponente. Gleichzeitig fügt das Algensüppchen eine spannende, füllige Note mit jodigem Charakter zu. Das ist frisch, kühl und ausgesprochen präzise austariert. Sehr gut.
Mit einer optisch beeindruckenden Vorspeise startet das eigentliche Menü. Und selten hat man ein Gänselebergericht so spielerisch elegant gesehen. Auf einem Sockel von Nüssen, ich meine Cashew zu erkennen, und einer klassisch schmelzigen Terrine mit Gelee ist ein Tapis, also eine Art Teppich, platziert. Auf einer dünnen Knusperschicht sorgt vor allem die fruchtige Creme für einen passenden und durchaus klassischen Akkord. Das Gänselebereis liefert nicht nur einen Temperaturkontrast, sondern lässt mit seiner Frische das Gericht auch leichter erscheinen. Aber in Summe ist hier alles vertreten, was in meinen Augen ein modernes Gänselebergericht ausmacht: unterschiedliche Texturen und Temperaturen, eine nahezu spektakuläre Präsentation und wunderbarer Geschmack.
Die folgende Rotbarbe ist perfekt gebraten, mit knuspriger Haut und bedeckt von dünnen Scheiben grünen Spargels. Orangenschale liefert eine leichte Bitternote, Tomatenconcassée feine Säure. Die Anis-Nage ist sehr prägnant und rundet das hoch elegante mediterrane Aromenspiel ab.
Mit einer sehr überraschenden Aromatik weiß der nächste Gang zu überzeugen. Der leicht abgeflämmte Kohlenfisch aus dem Pazifik ist auf den Punkt gegart, blättert fein auf und bringt schon alleine viel Geschmack. Aber zusätzlich wird er flankiert von Kohlrabisegmenten mit einem Kokosnussespuma, was für sich genommen schon eine unerwartet dezente exotische Note beisteuert. Den eigentlichen Überraschungseffekt verdankt das Gericht aber einem überaus markanten Thymianaufguss. Als ich den auf der Zunge habe, denke ich: Darauf muss man auch erst mal kommen. Und das sind die Momente, derentwegen ich diese Art von Küche so liebe. Wenn Erwartungen nicht nur nicht erfüllt, sondern völlig in die Irre geführt werden – und unterm Strich mit etwas viel Besserem belohnt werden. Erneut ein toller Gang.
Wie unter einem Reifrockgestell versteckt Thomas Schanz sein Ragout von Hummer und Kalbskopf sowie Kartoffel in Texturen. Das bedeckende Gitter ist ebenfalls kunstvoll daraus gearbeitet. Der Kalbskopf bleibt eher unauffällig, dafür weiß die Bouillon mit fleischigem Charakter zu überzeugen. Auch in diesem Gang ist es eine besondere Würzzutat, die mich zunächst verblüfft. Minzöl und frische Minze legen einen nahezu ätherischen, aber nicht dominanten Ton über dieses herzhafte, kräftige und dennoch elegante Gericht.
Sehr erfreut bin ich, dass ich nach dem Vorabend in Frankreich nun erneut Taube im Hauptgang serviert bekomme. Allerdings unterscheidet sich diese Version massiv von der vorherigen. Sie kommt gedämpft im Pfefferblatt, wobei ich dessen würzigen Eigengeschmack dabei kaum ausmache. Das Fleisch indes ist superzart und per se schon köstlich. Von den Beilagen gefällt mir vor allem das Knusperröllchen sehr gut, das eine Interpretation des traditionellen Kartoffelgerichts „Scholes“ darstellt. Wirsingröllchen und eine etwas undefinierbare Gelmatte bleiben hingegen relativ blass. Die Jus ist sehr klassisch und sehr gut. Da für mich das Taubenfleisch das ausschlaggebende Element ist, ist dies in Summe ein sehr guter, wenngleich auch nicht völlig begeisternder Gang.
Optisch markant präsentiert sich das Dessert in Form einer Kugel, die sicherlich zu einigen Assoziationen animieren könnte. Auf einer Scheibe von gegrillter Ananas enthält sie aber vor allem eine Mousse von Ziegenmilch, Ananasragout und ein Sorbet von Basilikum. Rosa Pfefferkörner und Basilikum spielen hier auch noch mit und insgesamt ist dies eine schöne exotische Kombination. Handwerklich ist das erneut top gemacht und einfach lecker.
Als Post-Dessert serviert die Küche noch ein Limettensorbet mit Minzgranité und Knusper. Das spielt allerdings schon sehr hart an der Säuregrenze und geht für mich persönlich etwas darüber hinaus. Aber sauer macht ja lustig und den frischen Charakter kann man definitiv nicht leugnen.
Die Petit Fours belegen noch einmal das hohe Können der Patisserie. Ein „Sex on the Beach“-Eiskonfekt, eine Mojitopraline, eine Blaubeertartelette, Salzkaramell, ein Cornet mit Eierlikör, weißer Nougat und ein Kokos-Batida-Praliné sind ausgezeichnet gemacht und sorgen für einen abwechslungsreichen Abschluss.
Was für ein beeindruckendes Menü! Thomas Schanz hat uns hier einige hochklassige Gänge serviert, die nicht nur mit überraschenden Kniffen zu überzeugen wussten wie beim Kohlenfisch und beim Hummer, sondern auch mit Top-Handwerk. Das alles zeugt von klug komponierten Gerichten und einer Souveränität, wie sie in dieser Kontinuität nur die Besten abliefern. Verglichen mit unserem zugegeben schon etwas zurückliegenden und auch damals schon sehr guten Menü, ist das hier tatsächlich noch eine ganze Schippe überzeugender.
Auffällig war für mich auch, dass die Präsentation der Gerichte zwar nach wie vor sehr stilvoll und mitunter auch sehr prägnant war, aber nicht mehr so plakativ, wie ich sie in Erinnerung und von Bildern her hatte. Zumindest heute gab es keine auffällig symmetrisch oder extrem farbig dominierten Gerichte, wenngleich das Gänselebergericht und das Dessert schon auch visuell beeindruckend waren. Aber insgesamt steht hier der Geschmack deutlich im Vordergrund.
Der Service unter der Restaurantleitung der charmanten Soumi Khattabi läuft professionell, humorvoll und aufmerksam ab. Wir fühlen uns an diesem Abend sehr gut betreut und haben auch Spaß an der fair kalkulierten Weinkarte, die nicht nur in der Moselregion, sondern auch weit darüber hinaus gute Empfehlungen bereit hält.
Dieses Menü war der Abschluss unseres Sommerurlaubs und auch wenn er mit einem Bewegungs-Handicap verbunden war, hätte er nicht angemessener sein können. Aber bis zum nächsten Besuch sollten defintiv nicht noch mal sechs Jahre vergehen. Dafür war das heute zu gut.
Details
Restaurant: | Schanz |
Adresse: | Bahnhofstraße 8a, 54498 Piesport |
Öffnungszeiten: | Mittwoch, Donnerstag, Samstag: 18.30 - 20.30 Uhr Freitag, Sonntag: 12.00 - 14.00 Uhr und 18.30 - 20.30 Uhr Montag, Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.schanz-restaurant.de/ |
Schlagworte
2 Michelin Stars, kreativ, moderne Klassik, Mosel, Piesport, Thomas Schanz
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Ihr habt den Schock gut kompensiert! 🙂 Ja, der Schanz ist auch auf meiner to go Liste.