Victor’s Fine Dining by Christian Bau, Perl-Nennig

Der November 2020 war für viele Feinschmecker mit Schmerzen verbunden. Denn der zweite Lockdown hatte viele bereits getätigte Reservierungen in Luft aufgehen lassen. Nun ist es, wie es ist und alles Jammern und Klagen hat an der Situation ja nichts ändern lassen, aber einen tiefen wehmütigen Seufzer habe ich damals doch ausgestoßen, denn wenn es eine Stornierung gab, die mir wirklich weh getan hat, war es die bei Christian Bau.

Auf einen Besuch bei ihm freue ich mich bereits Monate vorher wie ein kleines Kind und wie man unschwer an diesem Blog erkennen kann, nehmen Berichte über seine Küche mittlerweile eine besondere Rolle ein. Über kein Restaurant habe ich häufiger geschrieben. Da mag man natürlich fragen, ob es über jeden Besuch immer und jetzt schon wieder einen Bericht geben muss. Nein, müsste es natürlich nicht. Aber so wie ein echter Fußballfan ja auch nicht auf das Ansehen eines WM-Finales verzichtet, nur weil er vorher schon mal eines gesehen hat, so kann ich ein Essen in meinem Lieblingsrestaurant unkommentiert lassen.

Unser letzter Besuch auf Schloss Berg liegt mittlerweile also nun schon anderthalb Jahre zurück – wenn man mal von den Abstechern absieht, bei denen wir in diesem Jahr Christian Baus Bau.Box vor Ort abgeholt haben. Mit seinen Take Away-Menüs hat er nicht nur die Zeit bis zum nächsten Besuch mit großartigen Gerichten überbrückt, sondern gleichzeitig auch den Maßstab für Menüboxen auf ein kaum vorstellbares Niveau gehoben.

Nun aber sind wir endlich wieder hier. Und es fühlt sich vom ersten Moment an gut an. Nina Mann leitet an diesem Abend den Service und auch durch die Maske ist ihr die Freude anzusehen.

Das Menü, das wir wie immer komplett Christian Bau überlassen, startet wie gewohnt mit einer Parade von Grüßen. Den Auftakt macht ein luftiger Gurkenschaum mit Gurkensorbet und Gurke in weiteren Texturen, dazu am Boden Krustentiersalpicon. Das ist frisch, aber gleichzeitig auch kräftig und mit einer prägnanten Schärfe durch Shishitopfeffer. Ein köstlich kühler Wachmacher.

Shishitopepper mit Gurkencrème & Krustentier
Shishitopepper mit Gurkencrème & Krustentier

Eine Tartelette mit Saba-Makrele und aufgeschlagener Crème fraîche setzt vor allem den ausgezeichneten Fisch fein in Szene.

Croustade mit Saba, aufgeschlagener Crème fraîche & Kombustroh
Croustade mit Saba, aufgeschlagener Crème fraîche & Kombustroh

Es folgen zwei weitere Tartelettes, zum einen Lachs mit Myogacreme, also auf Basis eines japanischen Ingwers, und das Ox-Tatar mit Räucheraal. Präzise gearbeitet und harmonisch abgestimmt sind beide sowieso, aber vor allem beim Tatar ist schön zu beobachten, wie Christian Bau auch Klassiker seiner Küche konsequent weiterentwickelt. War über viele Jahre das Cornet mit Tatar, Aal und Kaviar unveränderter Bestandteil der Amuses, wich das Cornet dem Tartelette, die Proportionen wurden behutsam verändert und schon wurde ein spürbar anderer Effekt erzielt. Nun gibt es statt des Kaviars eine üppigere Portion des Aals sowie Wasabi und die Tartelette ist nun aus Norialge. War das Tatar bisher immer der Paris-Fraktion zuzuordnen, gehört es diesmal eindeutig nach Tokio – und fühlt sich auch da ganz ausgesprochen wohl.

Zur japanischen Waffel mit Sardine, Meereskräutercreme und Kaviar muss man eigentlich nicht mehr viel sagen. Vom ersten Moment, als sie bei den Grüßen erschien, wurde sie zurecht gefeiert. Nicht nur visuell ist sie betörend schön, sondern trotz aller Fragilität auch wunderbar harmonisch konzipiert. Sie hat Crisp, Cremigkeit und Jodigkeit. Es ist, wenn man so will, der perfekte Snack, bei dem nichts zu wenig und nichts zu viel ist.

Japanische Waffel mit Sardine & Meereskräutercrème
Japanische Waffel mit Sardine & Meereskräutercrème

Es folgt wie immer das ausgezeichnete Krustenbrot, das auch schon die Bau.Box bereichert hat sowie Vollkornbrot. Normalerweise halten wir uns hier immer etwas zurück angesichts der zu erwartenden Gänge, die noch folgen. Diesmal allerdings können wir uns nicht zügeln, denn zu der bekannt guten Bordier-Butter gibt es diesmal auch eine mit alter Soyasauce aromatisierte Butter, die außergewöhnlichen Genuss bietet.

Brot & zweierlei Butter
Brot & zweierlei Butter

Das Menü startet mit der Japanese Raw Bar, einer Abfolge von kalten Gerichten, in denen Meeresfrüchte die Hauptrolle spielen. Die startet mit einer eindrucksvoll in Szene gesetzten fleischigen Zeeland-Auster, die mit Eis von rotem Shiso, Soyasauce und einer Ponzusauce gleichzeitig füllige und zitrusfrische Noten erhält.

Zeeland Auster [Nô.1] mit Shoyu, geeistem rotem Shiso & Chanponzu
Zeeland Auster [Nô.1] mit Shoyu, geeistem rotem Shiso & Chanponzu

Mit Kampachi, Kaviar und einer Straße aus jodigen Aromen, Enten- und Stabmuscheln sowie einem Seeigel-Eis geht es weiter. Nicht ohne Grund ist auch dies ein Klassiker in Christian Baus Küche. Wer sich bei diesem Gericht nicht unweigerlich am Meer wähnt, muss ein recht nüchterner Charakter sein. Für mich ist dies ein Teller zeitloser Schönheit und Perfektion.

Kampachi mit Meeresfrüchten, Strandkräutern & Kaviar "Kaviari Gros Grains"
Kampachi mit Meeresfrüchten, Strandkräutern & Kaviar "Kaviari Gros Grains"

Den Abschluss der Trilogie markiert Tuna in Texturen als Sashimi, Tatar und Katsuoboshischaum. Furikake sorgt für Würzigkeit und die Trüffel-Yuzu-Ponzu-Vinaigrette für eine üppige Fülligkeit. Überhaupt diese Vinaigrette! Ein Geschmacks- und Umami-Wunder sondergleichen.

Noch Umami-lastiger wird es mit dem à part servierten Tee aus Tuna, der mit leicht öliger Textur für ein volles Mundgefühl sorgt.

Nach so viel japanisch inspirierten Gerichten folgt nun ein eindeutig in Europa zu verortender Gang mit den Agnolotti von Kalb und Huhn. Mit cremigem Spinat, einer Vin Jaune-Sauce und einer nicht gerade bescheiden über das Gericht gegebenen Menge australischen Wintertrüffels wird es opulent und zu einem sündig harmonischen Vergnügen.

Dass Christian Bau ein kompromissloser Produktfetischist ist, dem die besten verfügbaren Zutaten gerade gut genug sind, ist mittlerweile bekannt. Die nun folgende Langoustine macht da keine Ausnahme. Auf dem beeindruckend großen Exemplar findet sich ein feiner Salat aus Ananas und Nüssen, was eine wunderbare Idee ist, weil es neben dem fruchtigen Akzent auch Crunch und ein ganzes Spektrum zusätzlicher Akzente beisteuert. Dabei ist das Gericht mit grünem Gemüse, darunter in Sesamöl gebratener Brokkoli, Erbsen pur und als Creme und einer pikanten, aufgeschäumten Sauce auf Basis von Tom Kha Gai ohnehin schon abwechslungsreich flankiert. Ein tolles Produkt, einfach perfekt in Szene gesetzt.

Langoustine [Guilvinec] mit grünem Gemüse, Satay & Tom Kha Gai
Langoustine [Guilvinec] mit grünem Gemüse, Satay & Tom Kha Gai

In der Aromatik wieder europäischer verortet ist der Steinbutt mit Blumenkohl, einer intensiven Beurre Blanc mit Schnittlauchöl. Das mutet fast schon klassisch an, ist aber nicht weniger überzeugend.

Steinbutt [Bretagne] mit Blumenkohl, Salzzitrone & geschäumter Dashi
Steinbutt [Bretagne] mit Blumenkohl, Salzzitrone & geschäumter Dashi

Vor dem Hauptgang wird es noch einmal explizit japanisch mit einer Misosuppe. Allerdings nicht mit irgendeiner Misosuppe, sondern einer Version deluxe, die aus Hummerkarkassen gezogen wurde. Als Einlage dienen Edamame, Tofu, Buchenpilze und Hummerstücke. Koriander ist prägnant rauszuschmecken, überdeckt die fein abgestimmte Komposition aber nicht.

Christian Bau gehörte zu den Ersten in Deutschland, der japanisches Beef auf der Karte hatte und es schaffte, überhaupt an diese Qualität zu kommen, die üblicherweise aus Japan gar nicht exportiert wurde. Mittlerweile scheint dies einfacher zu sein, aber noch immer sind die Fleischstücke bei Bau von herausragender Qualität, sei es Myazaki-Beef, Tajima-Wagyu oder Kobe-Beef. Einiges davon ist so exzeptionell, dass es als Upgrade zu bestellen ist. Für uns hat Christian Bau heute Kobe vorgesehen, das von unfassbarem Schmelz ist. Selbst nach dem Braten ist noch die sensationelle Marmorierung zu erkennen. Die Beilagen aus Zucchini, Anchovis, japanischer Aubergine, Pommes Soufflés und fabelhafter Black Bean-Sauce kennen wir bereits von früheren Besuchen, aber nicht ohne Grund ist auch dies bereits ein Klassiker und kaum weiter zu verbessern.

Japanbeef [Kobe] mit Anchovis, Aubergine & Black Bean
Japanbeef [Kobe] mit Anchovis, Aubergine & Black Bean

Für den Übergang zu den süßen Gängen entscheidet sich Christian Bau heute für einen seiner Signature Dishes, den wir in der Vergangenheit bereits wahlweise bei den Amuse Bouches oder den Vorspeisen genießen durften. Die Gänseleber-Terrine, die als Praline mit Café Arabica, Kirsche und Piemontaiser Haselnuss sowie als Eis kommt, funktioniert auch an dieser Stelle des Menüs ganz ausgezeichnet. Abgesehen davon könnte ich das sowieso jederzeit genießen.

Gänseleber [Landes] mit Café, Haselnuss aus Piemont & Sauerkirsche
Gänseleber [Landes] mit Café, Haselnuss aus Piemont & Sauerkirsche

Das erste Dessert ist eine gelungene Fingerübung zum Thema Erdbeere. Aromatische Scheiben und Walderdbeeren bieten die Bühne für eine leichte Mousse vom Ziegenjoghurt, in die ein Kern aus Erdbeergelee gearbeitet ist. Sauerampfereis setzt den frischen, nur leicht säuerlichen Kontrapunkt in diesem sommerlichen Ensemble.

Walderdbeeren mit Ziegenjoghurt & Sauerampfer
Walderdbeeren mit Ziegenjoghurt & Sauerampfer

Zum Abschluss kombiniert Christian Bau noch einmal zwei seiner absoluten Signature-Desserts. Der Bau.Stein, in der Form unveränderlich, aber in der aromatischen Ausgestaltung grenzenlos variierbar, ist quasi die kulinarisch unschlagbare Visitenkarte in Bezug auf Name-Branding. Wer auch immer auf die Idee gekommen ist, den Nachnamen so kreativ umzusetzen, muss nahezu ein Marketinggenie sein. Abgesehen davon ist der Bau.Stein jedes Mal aufs Neue ein kleines Patisserie-Wunder in mehreren Schichten. Dieses Mal ist Pandan die geschmackliche Hauptkomponente.

Und das passt natürlich blendend zu den übrigen Mitspielern, die sich in ähnlicher, aber dafür dann noch ausladenderer Form auch in einem weiteren Klassiker-Dessert rund um exotische Früchte wiederfinden. Hier spielt aber der Bau.Stein die Hauptrolle und daher sind die Proportionen von kleinen ausgestochenen Kugeln von Früchten und Sorbet von Passionsfrucht und Kokos genau richtig. Nach dem sehr umfangreichen Menü ist das auch klug gewählt, denn so frisch und köstlich funktioniert das auch nach fünf Stunden noch prächtig.

Bau.Stein mit Pan Dan, exotischen Früchten & Galgant
Bau.Stein mit Pan Dan, exotischen Früchten & Galgant

Nicht ganz so erfolgreich sind wir dann allerdings mit der Bewältigung der Petits Fours, die ebenfalls noch einmal das ganze Können der Patisserieabteilung demonstriert. Sei es die diesmal ganz andere Interpretation der Schwarzwälder Kirschtorte, der Snickers oder der Zitronentarte in Form eines Sandwiches. So lecker das durchweg ist, müssen wir denn doch auf halber Strecke kapitulieren und lassen uns zumindest das einpacken, das auch am nächsten Tag noch ohne Qualitätsverlust zu essen ist.

Was haben wir uns auf diesen Abend gefreut – und wir sehr haben wir es wieder genossen. Christian Baus Küche ist in jedem Detail nicht weniger als Weltklasse. Die von mir hochgeschätzte Elizabeth Auerbach, die über viele Jahre ihren außergewöhnlichen Blog „elizabethonfood.com“ betrieb, sagte über Bau sinngemäß, dass er für sie der beste Koch seiner Generation sei. Nun hat sie wahrlich weitaus mehr Vergleichsmöglichkeiten und Erfahrungen, aber auch was meinen überschaubareren Horizont betrifft, möchte ich dem nicht widersprechen.

Den neuen Restaurantleiter, Felix Kress, der aus dem „Vendôme“ in Bergisch-Gladbach nach Perl wechseln wird, nachdem die bisherige Restaurantmanagerin Julia Pleintinger schwanger ist, haben wir um einige Tage verpasst.

Aber mit Nina Mann hat Christian Bau eine Sommelière, die an diesem Abend auch diesen Part souverän mit übernimmt. Ihre Weinbegleitung für die komplexen Gerichte passt auf den Punkt. Dabei bedient sie sich natürlich in erster Linie der Rieslinge der Mosel, bei denen es immer scheint, als hätten sie nur auf Baus Küche gewartet. Aber auch mit Sake und der ein oder anderen Entdeckung versteht sie es, immer das geeignete Pendant im Glas zu finden.

Weinbegleitung
Weinbegleitung

Nina Mann passt einfach gut an diesen Ort und ist im Team mit Christian Bau wohl das, was man ein perfect Match nennt. Wir wünschen Felix Kress viel Erfolg und sind uns sicher, dass auch er die junge, hochsympathisch und professionell agierende Brigade gut ergänzen wird.

Als wir das Restaurant nach Mitternacht verlassen, begleitet uns Nina Mann zur Tür und gibt uns die Schachtel mit den Pralinés, die wir nicht mehr geschafft haben. Eine Bau.Box im Kleinen sozusagen. Aber das Menü heute und hier war wieder groß. Ganz groß.

Details

Restaurant: Victor's Fine Dining by Christian Bau
Adresse: Schloßstraße 27–29, 66706 Perl-Nennig
Öffnungszeiten: Donnerstag + Freitag: 19.00 - 24.00 Uhr
Samstag + Sonntag: 12.00 - 16.00 Uhr & 19.00 - 24.00 Uhr
Montag - Mittwoch: Ruhetag
Website: www.victors-fine-dining.de/

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Kommentare

  1. Roland Rauen am 25. Juli, 2021 um 19:11 Uhr.

    Lieber Herr Westermann, haben Sie herzlichen Dank für den liebevollen Bericht. Man könnte sagen, so wie Christian Bau kocht, so schreiben Sie. Mit einem Höchstmaß an Leidenschaft und Empathie sowohl für die Kulinarik selbst als auch für die handelnden Personen. Beides ist eine Wonne und eine Freude. Als Sie auf Schloß Berg waren, durften wir im ‚Sonnora‘ sein. Auch wir haben einen pandemiebedingten Kulinarik-Stau aufzuarbeiten. Am 11.07. durften wir dann Gäste in Perl sein. Outstanding !! war es, wie immer. Und wir dürfen zum Team sagen, dass Felix Kress sehr, sehr gut ‚ in den Laden‘ passt. Er ist jung und dennoch erfahren, konzentriert und dennoch lässig. Nina Mann und er kennen sich aus Stuttgart. Ich finde, er passt perfekt. Meiner Frau und mir ergeht es so wie Ihnen. Eigentlich darf kein Jahr vergehen, ohne wenigstens einmal auf Schloss Berg gewesen zu sein. Wir haben uns zusätzlich für eines der four-hand-dinner eintragen lassen, nämlich für den Abend mit Marco Müller, den wir im letzten Jahr wegen des lockdowns leider versäumt haben. Also nochmal, herzlichen Dank für Ihren Bericht und eine eine gute Zeit. Mit kulinarischen Grüßen Roland Rauen

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